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"Was Doskozil sagt, sollte sich die SPÖ ausdrucken"

Heute Redaktion
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Alt-Landeshauptmann Hans Niessl spricht mit "Heute" über seinen Nachfolger  und die Bundespartei.
Alt-Landeshauptmann Hans Niessl spricht mit "Heute" über seinen Nachfolger und die Bundespartei.
Bild: Denise Auer

Hans Niessl, Burgenlands langjähriger Landeshauptmann, spricht mit "Heute" über Hans Peter Doskozils Wahlerfolg und verrät, ob sich Pamela Rendi-Wagner nun fürchten muss.

"Heute": Herr Niessl, Sie waren jahrzehntelang in der Spitzenpolitik tätig. Wie ist der Wahlerfolg Ihres Nachfolgers Hans Peter Doskozil einzuordnen?

Hans Niessl: Der Erfolg ist gar nicht hoch genug einzuschätzen. 50 Prozent für die Sozialdemokratie – das ist europaweit wahrscheinlich einzigartig. Es ist ein kräftiges Lebenszeichen und gleichzeitig ein wichtiger Impuls für die Bundespartei.

Womit wir schon beim Thema sind. Was kann die SPÖ von Hans Peter Doskozil lernen?

Er hat gezeigt, dass man heute sehr wohl noch Wahlen gewinnen kann – aber nur, wenn man eine entsprechende Persönlichkeit hat, auf die richtigen Themen setzt und ein starkes Team hat. Diese drei Punkte sollten sich alle in der SPÖ ausdrucken und aufhängen.

Muss sich Pamela Rendi-Wagner jetzt fürchten?

Hier arbeiten erwachsene Menschen, Profis zusammen. Vor Hans Peter Doskozil muss niemand Angst haben. Aber die SPÖ und Rendi-Wagner wären gut beraten, wenn sie jetzt eingehende Gespräche mit ihm führen und auf ihn hören. Mit einem Gewinner – davon gibt es ja nicht mehr so viele. Hans Peter Doskozil hat seine Wahl beeindruckend gewonnen. Er wird jetzt eine starke Stimme für die Neupositionierung auf Bundesebene sein.

Hans Niessl: "Vor Hans Peter Doskozil muss niemand Angst haben."

Sollte er die Vorsitzende ablösen?

Lassen Sie mich ganz klar und deutlich festhalten: Es geht in der SPÖ nicht um eine Personaldiskussion, es geht um Inhalte. Es muss jetzt eine interne Diskussion beginnen, bei der man das burgenländische Ergebnis analysiert und sich fragt, warum die SPÖ gewinnen konnte – und vor allem, warum fast 30 Prozent zwischen dem Ergebnis bei der Nationalratswahl auf Bundesebene und dem Burgenlandresultat liegen.

Wird Hans Peter Doskozils Einfluss größer?

Er hat 50 Prozent erreicht, auf Bundesebene liegt die SPÖ derzeit bei 17/18 Prozent. Ich gehe also schon davon aus, dass seine Stimme jetzt stärker wird. Politisch. Er trat das erste Mal bei einer Wahl an – und kann jetzt aus einer Position absoluter Stärke heraus agieren.

"Die SPÖ muss jetzt glaubwürdig einen Weg der Mitte gehen. Heißt: Den Menschen Sicherheit geben, Arbeit geben, beste Bildung geben."

Doskozils Ansichten haben in der Vergangenheit nicht immer auf ungeteilte Gegenliebe innerhalb der SPÖ gestoßen.

Pamela Rendi-Wagner muss jetzt froh sein, dass sie die Burgenlandwahl mit Hans Peter Doskozil gewonnen hat und er auch auf Bundesebene seinen Beitrag leisten und seine Expertise einbringen will. Für die SPÖ insgesamt ist es von enormer Wichtigkeit, die Länderorganisationen und die Gemeindestrukturen zur stärken – da agiert die SPÖ Burgenland mustergültig.

Hans Peter Doskozil war einmal Ihr Büroleiter, Sie gelten als sein Förderer. Welchen Anteil haben Sie an diesem Erfolg?

Ich habe auch nicht alles falsch gemacht (lacht). Nein, im Ernst: Es war eine meiner wichtigsten Entscheidungen in 18 Jahren als Landeshauptmann, Hans Peter Doskozil in die Landespolitik zu holen, ihn Johanna Mikl-Leitner davor als Landespolizeichef vorzuschlagen und Werner Faymann als Verteidigungsminister. Als ich ihn in die Politik geholt habe, waren bei Weitem nicht alle in der Partei davon überzeugt, dass er geeignet ist. Zumindest laut traut sich das heute keiner mehr aussprechen.

Sie sind 2018 relativ selbstlos in Frühpension gegangen – um Doskozil nach seinem Aus als Verteidigungsminister Platz zu machen.

Ich wusste, dass sich sonst ein Fenster schließt. Wäre er zwei Jahre als Nationalratsabgeordneter in Wien gesessen, hätte er heute bei Weitem nicht diese Reputation, die er jetzt hat.

Sie haben Ihrer Partei vor dem Abschied mit dem rot-blauen Tabubruch noch eine Menge Diskussionen eingebrockt.

Rot-Blau war alternativlos, sonst hätte die ÖVP den Landeshauptmann gestellt. Aus der Opposition heraus wäre ein Ergebnis wie gestern niemals möglich gewesen.

Muss die SPÖ jetzt nach rechts rücken?

Nein, aber überall glaubwürdig zumindest einen Weg der Mitte gehen.

Wie sieht ein solcher aus?

Glaubwürdig eine sozialdemokratische Politik machen. Das heißt: Den Menschen Sicherheit geben, den Menschen Arbeit geben, den Menschen beste Bildung geben.

Konkreter?

Die Aufwertung der Lehre, die Türkis-Grün jetzt propagiert hat, greift viel zu wenig weit. Das waren schöne Überschriften mehr nicht. Man muss jungen Menschen hier viel mehr Wertschätzung entgegenbringen. Auch der Wohlstand sollte endlich gerecht verteilt werden. Österreich braucht ein gerechtes Steuersystem, rigoros einen Mindestlohn von zumindest 1.700 Euro, gute Rahmenbedingungen für Lehrlinge und gesicherte Arbeitsplätze, an denen sich die Menschen wohlfühlen. Ich bin mir nicht sicher, ob Sebastian Kurz so genau weiß, was zu tun ist, wenn die Konjunktur einmal ein bisschen schlechter läuft. Meine wichtigste Erkenntnis aus zahllosen Betriebsbesuchen: Das wichtigste Kapital sind die Mitarbeiter.

"Ich musste in der Polit-Pension erst lernen, wie das mit den Kurzparkzonen in Wien so ist …"

Die SPÖ hat sich zuletzt bei der Bildungspolitik zurückgehalten.

Ein Fehler. Als ehemaliger Lehrer wird ein modernes Bildungssystem und eine tägliche Turnstunde immer mein Herzensanliegen bleiben.

Geht Ihnen die Politik ab?

Ich bin nach wie vor ein politischer Mensch, habe eine eigene kleine Firma gegründet und darf für den Sport etwas tun – ich bin also ausgelastet.

Jetzt sind Sie mir elegant ausgewichen. Bei so einem schönen Erfolg wie gestern – juckt Sie's da nicht?

Ich durfte ja dabei sein.

Was war die größte Umstellung?

Ich habe mir ein Auto gekauft, fahre selbst und musste in Wien etwa erst das mit den Kurzparkzonen erlernen. Ich habe jetzt auch kein Sekretariat mehr, organisiere mich und meine Termine selbst – so gut es eben geht. (lacht)