Politik

Hat die ÖVP den Geheimplan von Neuwahlen, Herr General?

ÖVP-Generalsekretär Axel Melchior spricht im "Heute"-Interview über Corona und die türkis-grüne Koalition. Dann legt er im Disput mit Doskozil nach.

Clemens Oistric
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ÖVP Generalsekretär Axel Melchior im<em> "Heute"</em>-Interview
ÖVP Generalsekretär Axel Melchior im "Heute"-Interview
Helmut Graf

Fußball-Fan Axel Melchior hat sich zuletzt offenbar ein sportliches Ziel gesteckt. Wie viele Presseaussendungen gehen sich bis Jahresende aus? Mit Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil liefert er sich seit Wochen einen heftigen Schlagabtausch; Melchior nennt den SPÖ-Politiker beharrlich einen "Querulanten", auch das Wort "lästig" hämmerte er schon mal in die Tastatur. Doch wer ist der 39-jährige Mann fürs Grobe in den türkisen Reihen? Zwei Tage vor Weihnachten öffnet der General "Heute" zwischen zwei Zoom-Meetings gut gelaunt sein Büro. Am Tisch steht Weihnachtsbäckerei, die türkisen Kerzen am Adventkranz sind ordentlich hinuntergebrannt. Zwei türkise Fußballtore aus dem Wien-Wahlkampf und ein AS-Roma-Ball stechen ins Auge. Bei längeren Telefonaten trainiert der Chef, er ist Austria-Wien-Anhänger, hier schon mal seine Zielgenauigkeit, erzählt man sich in der ÖVP-Zentrale. Bevor weiter aus dem Nähkästchen geplaudert werden kann, nimmt Melchior im "Heute"-Interview Anlauf ...

"Heute": Herr Melchior, in Ihrem ersten Jahr als Generalsekretär der ÖVP verfügte Ihre Partei Maßnahmen, die das Leben der Österreicher drastisch eingeschränkt haben. Hätten Sie es sich Anfang 2020 leichter vorgestellt?
Axel Melchior: Ich glaube, jeder von uns hat sich 2020 anders vorgestellt. Die rasche Ausbreitung des Virus, nicht nur in Europa, sondern weltweit, hat der Bundesregierung rund um Sebastian Kurz jedoch keine andere Möglichkeit gelassen, als derart einschneidende Maßnahmen zu setzen. Es genügt ein Blick über die Grenzen, um zu sehen, dass diese Maßnahmen alternativlos sind.

"Grenzen und Umwelt schützen" – die Überschriften waren ebenso flockig wie nichtssagend. Nun geht es Tag für Tag darum, Leben zu schützen. Hat die Bundesregierung bei weit über 5.000 Corona-Toten ausreichend unternommen?
Als Volkspartei haben wir diese Krise von Beginn an sehr ernst genommen. Die Bilder aus Bergamo waren für uns alle ein Schock und wir wussten, dass wir alles tun müssen, um diese Bilder in Österreich zu verhindern. Das ist den Österreicherinnen und Österreichern gelungen.

Gerade bei Ihrer Partei wirkt es oft so, dass man vor Seilbahnern und Wirtschaftsbossen in die Knie geht, aber ohne mit der Wimper zu zucken Schulen schließt. Sind Ihnen Kinder egal?
Tut mir leid, aber das ist völlig absurd. Die Bundesregierung unternimmt seit dem ersten Tag der Pandemie alle notwendigen Schritte, um die Gesundheit der Österreicherinnen und Österreicher zu schützen. Wenn etwa FPÖ, NEOS und SPÖ gegen das Distance Learning protestieren, verleugnen sie Warnungen von Experten, wie dem bekannten Virologen Drosten, sowie anerkannte wissenschaftliche Untersuchungen und Erkenntnisse, die allesamt zeigen, dass Kinder und Jugendliche eine wesentliche Rolle im Infektionsgeschehen spielen.

"Der vorübergehende Fernunterricht hat sehr viele Familien vor große Herausforderungen gestellt."
Parteimanager Melchior hat selbst vier Kinder.
Parteimanager Melchior hat selbst vier Kinder.
Helmut Graf

Viele Familien stellt das Home Schooling vor große Herausforderungen. Wie sollen etwa Alleinerziehende Job und Lernen unter einen Hut bringen?
Sie haben natürlich recht, der vorübergehende Fernunterricht hat sehr viele Familien und insbesondere Alleinerziehende vor große Herausforderungen gestellt. Die Schulen waren in Österreich jedoch im Unterschied zu anderen Ländern für Kinder, deren Eltern die Betreuung aus unterschiedlichen Gründen nicht selbst übernehmen konnten, immer geöffnet. Ich bin selbst Vater von vier Kindern, meine Frau ist ebenso berufstätigt, es war auch für uns eine enorme Herausforderung das alles unter einen Hut zu bringen.

Die Oberstufe hat 16 Wochen lang kein Klassenzimmer mehr von innen gesehen. Ist das mit dem Anspruch der besten Bildung vereinbar?
Gerade in der Oberstufe funktioniert das Distance Learning sehr gut. Gleichzeitig hat es die Bundesregierung ermöglicht, dass alle Oberstufenschülerinnen und -schüler der Abschlussklassen vor Ort auf ihre Matura vorbereitet werden. Nichtsdestotrotz hoffen wir darauf, dass alle Schülerinnen und Schüler bald wieder in ihren gewohnten Schulalltag zurückkehren können.

"Seit Beginn der Krise haben wir bereits über 100.000 Nachrichten von Bürgerinnen und Bürgern beantworten können."

Viele Leser bezweifeln, dass Politiker die Sorgen und Nöte der Bevölkerung überhaupt noch mitbekommen. Hat sich die Politik in Zeiten von Social Distancing noch weiter von den Menschen entfernt?
Wir als Volkspartei nicht, das ist für mich seit Beginn der Krise das Wichtigste. Wir profitieren von einer starken Struktur mit über 1.500 Bürgermeistern und über 600.000 Mitgliedschaften. Seit Beginn der Krise haben wir bereits über 100.000 Nachrichten von Bürgerinnen und Bürgern beantworten können, außerdem führen wir täglich Dutzende Telefonate und veranstalten Online-Talks. Wir sehen es weiter als unsere Aufgabe, die Nähe zu den Menschen zu bewahren, um ihre Probleme und Anliegen zu erkennen und Lösungen anbieten zu können.

"Die Koalition besteht zweifellos aus zwei sehr unterschiedlichen Parteien."

Man hatte zuletzt öfter das Gefühl, dass die Grünen als Preis für eine Koalition mit der ÖVP sämtliche Überzeugungen und Haltungen aufgeben mussten. Wie stabil beurteilen Sie die türkis-grüne Koalition?
Die Koalition besteht zweifellos aus zwei sehr unterschiedlichen Parteien, die aber bewiesen haben, dass sie ausgezeichnet zusammenarbeiten. Natürlich ist diese Krise für uns alle eine enorme Herausforderung, aber ich kann Sie beruhigen, diese Koalition ist stabil.

Laut FPÖ-Chef Norbert Hofer hat die ÖVP für 2021 bereits Plakatflächen reserviert. Gibt es den Geheimplan, in Neuwahlen zu gehen?
Nein. Diese Regierung ist angetreten, um die volle Legislaturperiode für die Menschen in unserem Land zu arbeiten. Daran hat sich nichts geändert. Dass die FPÖ von Neuwahlen fantasiert, ist sinnbildlich für ihre derzeitige politische Orientierungslosigkeit. Diese Krise braucht Zusammenhalt und keine Querulanten oder Verharmloser.

Landeshauptmann Hans Peter Doskozil sprach in "Heute" zuletzt von Gerüchten über einen fliegenden Koalitionswechsel zur SPÖ. Können Sie das ausschließen?
Auch das kann ich ausschließen. Das ist schon wieder eine dieser absurden Wortmeldungen des SPÖ-Querulanten Doskozil. Ihm geht es einzig und alleine darum, sich zu profilieren. Ebenso ist es auch nicht neu, dass Doskozil jede noch so kleine Gelegenheiten nützt, um seiner eigene Parteiobfrau Rendi-Wagner oder der Bundesregierung etwas über die Medien auszurichten. Und zum Thema Zusammenhalt: Den braucht es sowohl innerparteilich als auch überparteilich.

"Doskozil taucht alle heiligen Zeiten auf, um zu einem medialen Rundumschlag auszuholen."
Axel Melchior und Hans Peter Doskozil
Axel Melchior und Hans Peter Doskozil
Picturedesk / Grafik Heute

Mit Landeshauptmann Doskozil liefern Sie sich regelmäßig einen Schlagabtausch. Sie nennen ihn einen "Querulanten" und meinten, seine inhaltliche Kritik an der Arbeit der Regierung sei Ihnen "lästig". Wollen Sie der Opposition in der Corona-Krise wirklich den Mund verbieten?
Ich verbiete niemandem den Mund, ganz im Gegenteil: Ich wünsche mir einen überparteilichen Schulterschluss. Es schadet dem Vertrauen in die Politik jedoch, wenn ein Politiker wie Doskozil alle heiligen Zeiten auftaucht, um zu einem medialen Rundumschlag gegen seine eigene Partei oder die Bundesregierung auszuholen und dann wieder abtaucht. Ich erwarte ja nicht viel, aber zumindest ein paar vereinzelte konstruktive Wortmeldungen sollten machbar sein.

Hält die Koalition also volle fünf Jahre?
Ja.

Die Umfragewerte von Türkis-Grün und die Zustimmung in der Bevölkerung sind nach dem Rekord-Hoch im April deutlich abgesunken. Bereitet Ihnen das Sorgen für 2021?
Wir haben immer betont, dass es sich bei den Umfragewerten im Frühjahr um teils astronomische Hochrechnungen gehandelt hat. Viele Umfragen sehen uns aktuell bei 40 Prozent das ist noch immer weit über dem sensationellen Wahlergebnis von vor über einem Jahr. Als Volkspartei werden wir weiterhin tagtäglich für die Bürgerinnen und Bürger in unserem Land da sein und ein offenes Ohr für ihre Anliegen haben. Darauf liegt unser Fokus auch im Jahr 2021.

Österreich startet das neue Jahr mit dem dritten harten Lockdown. Wird es auch noch einen vierten geben?
Mit dem Lockdown wollen wir die 7-Tage-Inzidenz weiter runterdrücken. Wenn uns das gemeinsam gelingt – dazu müssen wir alle unseren Beitrag leisten – dann sind wir in einer guten Ausgangssituation für den Endspurt.

Was ist Ihre Prognose – wann haben wir wieder unser normales Leben zurück?
Ich halte es da mit Sebastian Kurz und gehe auch davon aus, dass wir im Sommer 2021 zu unserer gewohnten Normalität zurückkehren werden können. Sebastian Kurz hatte übrigens auch recht mit seiner Einschätzung, dass es Licht am Ende des Tunnels gibt, uns aber noch ein schwieriger Herbst und Winter bevorsteht.

"Den Ärmsten vor Ort helfen" hält Melchior für "eine christlich-soziale Verantwortung".
"Den Ärmsten vor Ort helfen" hält Melchior für "eine christlich-soziale Verantwortung".
Helmut Graf

Was werden Sie persönlich dann als Erstes machen?
Mit meinen Freunden auf ein Bier gehen – oder vielleicht zwei (lacht).

Lassen Sie sich impfen?
Ja, selbstverständlich. Ich erachte es übrigens als völlig unangebracht und gefährlich, wenn ein amtierender Landeshauptmann wie Hans Peter Doskozil plötzlich zum Impfskeptiker wird.

Wie werden Sie Weihnachten feiern?
Den Heiligen Abend verbringen wir im engsten Familienkreis, um andere zu schützen. Es ist zwar schade, aber ein – zumindest kleiner – Beitrag, um das Virus zu bekämpfen.

Wie kann es eine christlich-soziale Partei mit ihrem Selbstbild vereinbaren, nicht einmal 100 Kindern eine Perspektive zu geben? Auch Kardinal Christoph Schönborn spricht sich dafür aus.
Wir haben die christlich-soziale Verantwortung, den Ärmsten der Armen vor Ort zu helfen. Das tut die österreichische Bundesregierung auch. Österreich hat im heurigen Jahr bereits 5.000 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aufgenommen. Im Gegensatz zu manch anderen europäischen Ländern hat Österreich bereits in Griechenland geholfen, indem unter anderem Hilfe vor Ort sichergestellt und der Auslandskatastrophenfonds mehr als verdoppelt wurde. Im nächsten Schritt soll im Auftrag der Bundesregierung das SOS Kinderdorf vor Ort eine Tagesbetreuungsstätte für Kinder organisieren. Menschen aus Moria aufzunehmen, löst das Problem nicht, sondern führt lediglich dazu, dass sich immer mehr Menschen auf den Weg Richtung Europa machen. Es ist unsere Verantwortung, die Aufmerksamkeit auch dorthin zu richten, wo gerade das mediale Scheinwerferlicht nicht hinleuchtet. Umso mehr braucht es eine langfristige europäische Lösung.

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