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Hat die Vergiftung Nawalnys mit Belarus zu tun?

In Belarus fordern weiter Zehntausende den Rücktritt von Staatschef Lukaschenko. Belarus-Experte Sven Gerst im Interview.

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Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko.
Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko.
Alexei Nikolsky / Tass / picturedesk.com

Herr Gerst, Kremlchef Wladimir Putin bietet Alexander Lukaschenko Unterstützung an, Journalisten werden Akkreditierungen entzogen, die Verhaftungen gehen weiter – Indizien dafür, dass Lukaschenko seine Kräfte neu formiert?

Nicht unbedingt. Mit der Ausweisung von Journalisten will Lukaschenko der Protestbewegung vor allem den Fahrtwind nehmen, denn durch die journalistische Begleitung der Proteste werden diese begreiflich und omnipräsent in der Gesellschaft und treiben die Menschen jedes Wochenende auf die Straße. Lukaschenko will die Berichterstattung zurückfahren und hofft, dass diese Glut langsam erlischt. Doch danach sieht es nicht aus, es gehen auch weiterhin Hunderttausende Leute auf die Straße.

Welche Perspektive hat denn der Protest?

Er hat enorm viel Momentum – und damit hat niemand gerechnet, zumal Belarus nicht dafür bekannt ist, sehr revolutionär zu sein. Jetzt muss es aber vonseiten der Opposition auch politische Führung und konkrete politische Pläne geben. Davon sehe ich noch nicht genug.

Warum ist Belarus wichtig für Russland? Das Land ist ja viel kleiner als etwa die Ukraine.

Belarus hat eine geringere emotionale Bedeutung für Russland. Belarus wird für viele Menschen in Russland schon jetzt Teil des "Systems". Das oberste Ziel des Kremls ist daher der Unionsstaatsvertrag mit einer gemeinsamen Währung und sozialer und wirtschaftlicher Integration der beiden Länder. Heißt: Belarus würde mehr oder weniger in Russland aufgehen. Ein schwacher Lukaschenko ist da einer starken Opposition, selbst wenn diese pro Russland wäre, deutlich vorzuziehen.

Putin hat Lukaschenko jetzt zu sich eingeladen. Was erwarten Sie von dem Treffen?

Ja, da bin ich sehr gespannt. Es wird wohl um das Thema Unionsstaat gehen, was Lukaschenko in den letzten Jahren immer wieder auf die lange Bank geschoben hatte und damit mehr oder weniger verhindert hatte. Jetzt aber hat er keine andere Wahl, weil er von Putins Rückendeckung abhängig ist. Ich befürchte, dass das Szenario eines Unionsstaats schneller Realität werden könnte, als viele das dachten.

Wie groß ist Putins Angst vor einem Nachahmungseffekt mit Blick auf die eigenen Wahlen im kommenden Jahr?

Man schaut sich in Moskau sehr genau an, was in Belarus passiert. Immerhin gibt es auch in Russland seit Wochen Proteste im Osten des Landes. Ob das Momentum aber groß genug ist, ist aber fraglich. Aber man möchte solche Sachen natürlich systematisch im Keim ersticken. Sicher aber wird man jedem Protest viel seriöser und viel früher begegnen, als dies ein Lukaschenko vor der Wahl tat.

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    Die Proteste in Weißrussland gehen weiter.
    Die Proteste in Weißrussland gehen weiter.
    picturedesk.com

    Hat die Vergiftung des russischen Oppositionspolitikers Alexei Nawalny mit Belarus zu tun?

    Der Zeitpunkt ist schwer zu erklären und hat mich auch überrascht. Für mich sieht es zum jetzigen Zeitpunkt so aus, dass Putin in Sachen Wahlen nichts anbrennen lassen will und die Opposition schon im Vorfeld abschrecken möchte. Das, was etwa Lukaschenko machte – nämlich, die Opposition erst kurz vor den Wahlen auszuschließen –, möchte Putin verhindern. Er will nicht von Ereignissen überrannt werden oder eine oppositionelle Dynamik aufkommen lassen.

    Was sollte der Westen in Belarus vermeiden?

    Sicherlich sind die gezielten Sanktionen ein valides Mittel, um den Regimekräften zu schaden. Jedoch spielt gerade die EU nur eine sehr untergeordnete Rolle bei den Ereignissen in Belarus. Letztlich rächt sich nun, dass man über Jahrzehnte nichts in Belarus gemacht hat. Als Westen ist man deshalb aktuell zur Zuschauerrolle und zu eher symbolischen Akten verdammt.

    Belarus-Experte Sven Gerst ist Doktorand am Londoner King’s College.

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      Sven Hoppe / dpa / picturedesk.com