Wirtschaft

Häuser, die für alle Zyklen des Lebens passend sind

Heute Redaktion
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Hochkarätiger Wirtschaftstalk in Top-Lage in der obersten Etage des höchsten Gebäudes Österreichs, wo bei den "Heute"-Gipfelgesprächen die Top-Experten der Fertighaus-Branche die Top-Trends im Hausbau diskutierten.

Fertighausbranche auf Wachstumskurs mit Wünschen und Kritik

Haus aus Pappe oder von der Stange – 5 Branchenprofis widerlegten beim "Heute"-Gipfelgespräch im Meliá-Hotel im DC-Tower die gängigsten Vorurteile von Fertighäusern und gaben einen umfassenden Einblick in den Fertigbaumarkt und die Zukunft des Wohnens. "Heute"-Wirtschaftsredakteur Gerhard Plott moderierte die spannende Diskussion.

Heute: Wie wir aus den vorangegangenen Gipfelgesprächen mit den Gemeinnützigen und Privaten Bauträgern wissen, geht es dieser Branche sehr gut. Bleibt da noch etwas für die Fertighausbranche über?

Roland Suter: In den letzten 2 Jahren sind die Verbandsmitglieder sehr zufrieden. Wir hatten jedes Jahr eine

Steigerung von 2 bis 3 Prozent. Wir profitieren vom Wirtschaftsaufschwung, wie alle anderen auch.

Heute: Wenn es um Fertighäuser geht, führen alle Wege in den Süden von Wien in die Blaue Lagune. Was sind denn die Trends?

Erich Benischek: Im Segment Fertigbau wird sich in den nächsten Jahren exorbitant viel tun, es wird das Bauen neu zu denken sein. Im Endeffekt ist die Fertighausbranche der Trendsetter, der vorgibt, wie Bauen in der Zukunft zu sein hat. Auf der anderen Seite, wenn ich das Ganze herunterbreche auf das Einfamilienhaus, dann hält sich immer noch ein Trend zur kubischen Architektur, auch in der zweigeschossigen Version mit einem flacheren Walmdach.

Die "Heute"-Gipfelgespräche

"Heute" stellt eine neue Ausgabe der Veranstaltungsreihe "Gipfelgespräche", in der die Top-Experten des Landes zu Wort kommen. Im 57. Stock des Mélia Vienna im DC Tower, dem höchsten Gebäude Österreichs, diskutieren die wichtigsten Branchenvertreter in regelmäßigen Abständen die Topthemen, Zukunftschancen und Trends, um sie mit Ihnen, den "Heute"-Leserinnen und Lesern, zu teilen.

Technische Innovationen bei Haus- und Energietechnik

Heute: Das heißt, die schauen alle gleich aus …

Benischek: Das Bauen ist von der Architekturseite immer trendiger geworden und momentan kreist es sehr stark um diese zweigeschossige Version. Auch weil sie ein entsprechend tolles Raumpotenzial im 1. Obergeschoß anbietet. Von der technischen Seite ist die Branche sehr innovativ. Wir haben mittlerweile eine ungeheuer technische Entwicklung, sei es bei der Haustechnik in punkto Hausautomation, sei es bei der Energietechnik oder dergleichen mehr. Wir in dieser Runde sind das Beispiel für die Generation, die immer älter wird und wir müssen uns deutliche Gedanken machen, wie gehen wir damit um. Die Hausautomation bietet fantastische Chancen, das weitere Leben in den eigenen 4 Wänden zu ermöglichen.

Heute: Herr Schuller, bauen Sie Häuser für ältere Menschen?

Gerhard Schuller: Wir bieten alle Häuser, die wir haben, bei Bedarf barrierefrei an. Wir sind dabei geblieben, die Funktionalität der Grundrisse, die Architektur und die technischen Lösungen anzubieten aber nicht das Seniorenhaus als solches.

Heute: Werden Sie eigentlich grantig, wenn es heißt, der einzige Vorteil bei einem Fertighaus sei der Preis?

Schuller: Nein, denn so lange gekauft wird und die Quote steigt, werde ich überhaupt nicht grantig. Auf der anderen Seite ist es in der Realität ja überhaupt nicht so, wenn man Leistung mit Leistung vergleicht. Hauptthema der Branche ist, dass wir die

Fülle unseres Angebots im Qualitätsbereich noch nicht transparent genug gemacht haben, um uns mit anderen wirklich zu vergleichen. Wenn man einen fairen Preis-Leistungs

Vergleich der Dinge macht, die standardmäßig verbaut wurden, ist ein Fertighaus deutlich günstiger im Sinne der Technologie bei der Montage und der Geschwindigkeit. Auch die Gewährleistung ist da und die Betriebskosten, die danach kommen. Der Energieverbrauch unserer Häuser ist extrem niedrig und scheut sicher keine Vergleiche.

Alle Fertighäuser gibt es auch barrierefrei

Benischek: Wir bauen weder Häuser für Jugendliche, noch bauen wir Häuser für Senioren, sondern wir bauen Häuser, die für alle Zyklen des Lebens passend sind.

Heute: Wie flexibel ist man beim Nachrüsten oder Anpassen der Häuser?

Suter: Nicht jedes Haus ist gleich. Dass ein Haus das Dach oben hat und den Keller unten, ist einmal gegeben. Es gibt keinen besseren Baustoff als Holz um zu erweitern, in die Breite kein Problem, in die Höhe gibt es natürlich statische Vorschriften.

Heute: Woher kommt denn das Vorurteil, dass die Fertighäuser keine Individualität haben?

Weichselbaum: Ich bin seit 40 Jahren in der Branche. Seit 40 Jahren höre ich, die Fertighäuser sind nicht individuell, sind von der Stange, das Haus aus Pappe, nicht von Architekten geplant usw. Seither haben wir uns von 8 Prozent auf 35 Prozent gesteigert. Also alle Häuser sind von Architekten geplant, denn ohne Architekten kannst du sie gar nicht bauen. Das Haus aus Pappe hat sich als lächerlich erwiesen, es werden auf der ganzen Welt Fertighäuser errichtet in Holzriegelbauweise. Natürlich ist es so, dass ein Fertighaushersteller seine Produkte darstellen muss. Dafür legt er Kataloge und Grundrisse auf. Die Häuser, die da drinnen sind, sind wohldurchdacht und oftmals gebaut. Wenn ein Kunde ein Haus haben will auf seinem Grund, wird das Haus natürlich individuell angepasst an das Grundstück. Von den 5.000 Fertighäusern, die unsere Industrie baut, sind sicher 4.980 individuell geplant und für den zukünftigen Hausbesitzer genau richtig gebaut, vielleicht 20 Häuser kauft wirklich einer und sagt, das Haus aus dem Katalog passt genau auf mein Grundstück. Das ist dann das Haus von der Stange.

Trotz Informationsflut im Internet ist kompetente Beratung gefragt

Christian Murhammer: Es sind die unzähligen Forschungseinrichtungen, die sich über irgendetwas finanzieren müssen und Forschungsthemen suchen. Es wird soviel erforscht, was nicht schon tödlich ist an Wandbelägen, Bodenbelägen, Emission usw. Das wird natürlich kolportiert und sorgt eher für Verunsicherung. Gerade unsere Mitglieder werden 2 Mal im Jahr hinsichtlich der verwendeten Materialien strengstens überwacht von unabhängigen Stellen, dass da nichts Gesundheitsschädliches, Giftiges oder Gefährliches dabei ist.

Benischek: Ich verweise nur auf das Thema Asbest, einstmals das Non-PlusUltra, hochgejubelt bis zum Geht nicht mehr, dann total verteufelt. Mittlerweile sind wir soweit, dass die Vollwärmeschutzfassade zum Sondermüll degradiert wird.

Vorurteile kommen aus den 60er Jahren

Suter: Diese Vorurteile kommen aus den 60er Jahren – ich habe das selber erlebt in der Schweiz – wo Quelle 50 gleiche Bungalows angeliefert hat. Das ganze Haus wurde dazumal nicht einmal in einer Produktion hergestellt, man hat Zulieferungen gemacht, zusammengebaut und hingestellt. Heute hat das Fertighaus einen Status in ganz Europa wie in Österreich. Wenn man jetzt wieder zuschaut, wenn von Russland die Häuser über Slowenien hergekarrt werden und auf den Markt geschossen werden, müssen wir die Konsumenten darauf aufmerksam machen. Die dann als Trittbrettfahrer mitfahren und jeder glaubt, das ist das gleiche. Früher hat es eine Zulassung gebraucht, heute kann jeder machen, was er will.

Schuller: Die Zeiten sind sicher andere geworden. Der Durchschnittskunde ist zwischen 30 und 45 Jahre alt und entscheidet sich für ein Haus, wo er sich wenig drum kümmern muss. Die Kunden haben eine ganz klare Wunschvorstellung, aber die Übersetzung aus diesem Wunsch Realität zu machen, ist für die Konsumenten eine andere Herausforderung als früher.

Benischek: Entscheidend ist das Verstehen. Im Internet haben wir zwar eine riesige Informationsflut, nur der Konsument weiß nie, ob er es richtig verstanden hat. Er weiß es erst, wenn er einen kompetenten Berater gegenübersitzen hat. Das ist das, was ich unter Service verstehe. Da besteht künftig gewaltiges Potenzial. Denn wenn wir so weiter tun, gibt es in der Zukunft nur noch einen Schuldigen, und das ist der Konsument selber. Weil, er hat die Entscheidung selber getroffen, also ist er auch selber schuld. Obwohl er Entscheidungen trifft über Dinge, die so komplex sind, dass er sie gar nicht verstehen kann.

Heute: Ist ein Fertigbau in den Betriebskosten billiger als ein konventioneller Bau?

Suter: Sicherlich, bei einem Holzbau sind die Betriebskosten die Hälfte, was sie normal haben.

Holzblockhäuser gibt es seit Jahrhunderten

Benischek: Nehmen wir die Lebensdauer. In der Norm steht nicht, dass ein Holzhaus eine kürzere Lebensdauer hätte als ein gemauertes Haus.

Suter: Außen brauche ich ein Holzhaus, wenn Sie keine Holzverschalung drauf machen, nicht pflegen, innen sowieso nicht.

Weichselbaum: In Tirol stehen Holzblockhäuser seit 600 Jahren und da hat es noch kein Xyladecor gegeben. Die halten nach wie vor.

Die Vorschriften vereinheitlichen

Heute: Bauplätze werden knapp, Immobilienpreise explodieren – wie sehen Sie das?

Benischek: Wir haben das Problem Landflucht. Mehr als 50 Prozent der niederösterreichischen Bevölkerung lebt bereits im Speckgürtel rund um Wien. Bei Diskussionsrunden reden wir von Nachverdichtung im Städtebau und plötzlich sprechen wir von Lokalstädten wie Mödling. Auf der anderen Seite haben wir im städtischen Bereich explodierende Grundstückpreise. Und wir haben die Politiker, die sich nicht drüber trauen.

Problem der Landflucht macht sich bemerkbar

Heute: Was wäre denn hier hilfreich?

Benischek: Man lässt das Land absichtlich sterben. Dort tut sich nichts, ich habe dort keine Arbeitsplätze, keine Infrastruktur. Hier müsste man investieren oder Steuererleichterungen für ansiedelnde Betriebe machen. Sonst werden wir ein totes Land haben und Städte, die überbordend sind, und wir werden schlussendlich in den Städten in der Bienenwabe wohnen.

Weichselbaum: Jeder würde gerne in einem Schloss wohnen mit Latifundien rundherum und tatsächlich wohnt er dann in einer 40 Quadratmeter altbausanierten Mietwohnung.



Mikrowohnen nur für spezifische Wünsche

Benischek: Das Mikrowohnen ist eine gefährliche Entwicklung, einmal von ein paar klugen Architekten sinnvoll erdacht als Lösung für spezifische Wünsche. Egal ob das jetzt Studentenwohnungen sind, wo es Sinn macht. Wenn ich das Ganze als Kompensation benütze für die steigenden Grundpreise im städtischen Raum, dann hört sich für mich der Spaß auf.

Murhammer: Es gäbe so viele Baulandrestmassen, also Grundstücke, die irgendjemand besitzt und nichts damit macht. Dort ist in der Regel Infrastruktur, von der Straße bis zum Kanal.

Weichselbaum: Der Wohnungsbau in Österreich ist ja eingefroren auf Beton und Ziegel. In England beginnt sich alles umzudrehen und Trockenbauweise zu etablieren. Es wird bei uns eine Bauweise, die immerhin eine recht respektable Industrie hinter sich hat und viele Menschen beschäftigt, extrem benachteiligt aufgrund von Gesetzen und Bauvorschriften. Ein so kleines Land wie Österreich hat 9 verschiedene Bauordnungen. Warum gibt es eine EU-Norm? Das treibt die Kosten in die Höhe.

Baulücken dem Markt zugänglich machen

Suter: Wieso bekommt einer, der in Baden baut, die gleichen Wohnbauförderungen wie einer, der in Schrems baut? Er kann sich in Baden alles leisten und dann holt er sich noch die Wohnbauförderung. Der hätte es ja gar nicht nötig. Verteilen wir doch die Wohnbauförderung in diese Ortschaften hinaus, wo es nötig ist. Da könnte man schon eingreifen.

Heute: Meine Herren, danke für das Gespräch!

(ib)