Österreich

Heimopfer: "Lasse mich nicht noch einmal foltern"

Als Kind erlebte Johann K. jahrelang Gewalt im Heim. Entschädigung erhielt er nie, weil er ein Psychologen-Gespräch verweigert.

Heute Redaktion
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Heimopfer Johann K. (70) erhielt bis heute keine Entschädigung.
Heimopfer Johann K. (70) erhielt bis heute keine Entschädigung.
Bild: picturedesk.com/Sabine Hertel

Im Winter bis 3 Uhr Früh mit bloßen Füßen am kalten Gang stehen, weil ein Kind zu laut war oder mit der eigenen Zahnbürste das Klo putzen: „Auch die sogenannte Doppel-Watsche im Erzieher-Raum war bei uns eine gängige Methode", erzählt Johann K., der in Süßenbrunn (Donaustadt) lebt.

"Hohe Warte war ein 'Kinder-KZ'"

Weil ihn seine Mutter als Baby weggegeben hatte – K. war ein uneheliches Kind –, verbrachte der heute 70-Jährige fast zwei Jahrzehnte in Heimen, unter anderem auf der Hohen Warte in Döbling und in Stiefern am Kamp (NÖ). "Wir haben zum Heim auf der Hohen Warte immer 'Kinder-KZ' gesagt. Außer beim Spielen am Beton-Fußballplatz konnten wir nicht hinaus. Das Gelände war von Mauern umgeben. Der Unterricht, der Essensraum, die ärztliche Versorgung, die Schlafplätze – alles war in diesem einen Gebäude. Und wer es einmal geschafft hat, abzuhauen, der wurde von der Polizei wieder 'eingefangen'", erinnert sich Johann K.

Eigentlich wäre der Automechaniker ein Parade-Fall für eine Opfer-Entschädigung: "Ich habe bis heute keinen Cent erhalten", meint der Pensionist. Der Grund: Für den Anspruch auf Entschädigung müsste sich der Wiener einem sogenannten "Clearing"-Gespräch mit einem Psychologen unterziehen: "Ich lasse mich nicht noch einmal psychologisch foltern", erklärt Johann K. seine Beweggründe.

"Clearing"-Gespräch ist Bedingung für Entschädigung

Doch das Gespräch ist Bedingung für eine Entschädigung: "Nur der Beweis, dass das Opfer im Heim war, reicht nicht aus. Der Antragsteller muss auch persönlich glaubhaft machen, welche Gewalt ihm angetan wurde", erklärt Johanna Wimberger aus dem Rentenkommissions-Büro der Volksanwaltschaft. Wer das "Clearing" mit dem klinischen Psychologen ablehnt, ist laut Gesetz nicht zur Mitwirkung bereit und erhält auch keine Entschädigung.

Das Gespräch, das insgesamt bis zu fünf Stunden dauern kann, und in dem das Opfer von den Gewalt-Taten berichten soll, ist auch Bedingung für das seit 1. Juli in Kraft getretene Heimopfer-Rentengesetz. Dieses sieht eine monatliche Pension in Höhe von 300 € (12 Mal im Jahr) für Männer ab 65 und Frauen ab 60 Jahren vor, "die in einem Kinder- oder Jugendheim des Bundes, eines Bundeslandes, einer Kirche oder in einer Pflegefamilie untergebracht waren und während dieser Unterbringung Opfer eines Gewaltakts wurden."

Bisher 70 Anträge auf Heimopfer-Rente

Seit Inkrafttreten des Gesetzes sind laut Wimberger rund 300 Anfragen eingelangt und 70 Anträge auf Heimopfer-Rente gestellt worden – bisher ohne Probleme. Voraussetzung für den Renten-Anspruch ist, dass das ehemalige Gewaltopfer bereits eine Entschädigung einer Opferschutz-Einrichtung erhalten hat. Ist dies nicht der Fall kann sich das Opfer an die 13-köpfige Rentenkommission der Volksanwaltschaft wenden. Diese entscheidet dann über den Antrag.

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