Österreich

Heimskandal: Haarschnitt mit Zwang, im Pkw schlafen

Heute Redaktion
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Vorwürfe gegen Jugendheime in NÖ: Ein "schwieriger" Bursche mit Herzfehler wurde hinausgeworfen, lebte im Auto. In einem anderen Haus soll ein 16-Jähriger misshandelt worden sein.

Zwei junge Männer, zwei niederösterreichische Heime unter einer Führung - ein gemeinsames, trauriges Schicksal: Michael T. (17) kam mit sechs Monaten zu Pflegeeltern, wechselte die Einrichtungen ständig, zuletzt war der herzkranke Teeanger in einer Unterkunft im Bezirk Krems.

Dort wurde der "schwierige" Bursche (Anm.: der medikamentös hoch eingestellt war, z.B. Truxal) hinausgeworfen, hauste dann auf einem Parkplatz in der Nähe des Therapeuten Thomas Laggner (51) in Unterwaltersdorf (Baden).

Thomas Laggner dazu: "Er hat ja sonst niemanden, zu mir hatte er Vertrauen. Aufnehmen bei mir zu Hause durfte ich Michael aber nicht, da ich schon zwei Teenager daheim im Rahmen einer Mikro-WG hatte." Laggner versorgte den 17-Jährigen im Pkw mit Essen und Tabletten.

Der Preis dafür: Laggner ist seinen Job los, darf keine Mikro-WG mehr führen. Und was Laggner noch anspricht: "Viele Heim-Mitarbeiter geben sehr viel, nur es herrscht chronische Unterbesetzung und die vielen Überstunden werden einfach nicht bezahlt."

Gewalt und Demütigung

Von Gewalt in einer Einrichtung im Bezirk Wr. Neustadt berichten Ex-Heim-Mitarbeiter Dominik Vock (30) sowie zwei Bewohner (Maurice, 16 & Andi, 18). "Zur Strafe im Stehen essen oder Haare schneiden mit Gewalt etwa", erzählt Maurice (16).

"Im Streit um einen Handy-Code im Jänner 2017 kniete ein Betreuer auf dem am Boden fixierten Maurice. Der Bursche machte aus Angst in die Hose, wurde dann samt Kleidung kalt abgeduscht, bekam erst nach 15 Minuten trockene Kleider und musste aufwaschen. Der Befehl dazu kam aber von oben", so Vock - auch er ist mittlerweile (einvernehmlich) seinen Job los. Dominik Vock kritisiert auch die Dosis der Medikamente: "400 Milligramm Seroquel für einen Burschen mit 50 Kilogramm sind zumindest zu hinterfragen."

Geschäftsführer dementiert

Der Geschäftsführer der betroffenen Heime wies alle Anschuldigungen (Anm.: es gilt die Unschuldsvermutung) entschieden zurück, der 17-Jährige habe sogar ein Betretungsverbot gehabt.

Helga Krismer (Grüne) hatte bereits im November eine parlamentarische Anfrage gemacht, heute gibt sie dazu eine Pressekonferenz, die Grüne will eine lückenlose Aufklärung, kennt die Vorwürfe schon lange, brachte den Fall durch Hartnäckigkeit ins Rollen ("Heute" berichtete).

Soko Heim

Der zuständige Landesrat, Franz Schnabl (SP), kündigte noch am Samstag eine Sonderkommission an ("Heute" berichtete), wird heute auch vor die Medien treten: "Alle Fakten müssen auf den Tisch – daher wird es dazu eine unabhängige Sonderkommission geben. Oberste Priorität hat eine sichere, geborgene Unterbringung für jene Kinder, die nicht mehr im Familienverbund leben können. Die Kommission wird für eine lückenlose Aufarbeitung sorgen – die Behörden werden diese nach Kräften unterstützen", so Schnabl.

Thomas Laggner meint dazu kopfschüttelnd: "Ich laufe Landesrat Franz Schnabl seit Wochen wegen eines Termines hinterher, kaum ist der Fall in den Medien, gibt es nicht mal 24 Stunden später eine Kommission."

J. Lielacher (Lie)