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Sobota: "Ich fühle nichts, wenn Sie hier verrecken"

Heute Redaktion
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Heinz Sobota († 2017): Totschläger, Vergewaltiger, Zuhälter – und Star einer Doku, die erschaudern lässt. Ein Regie-Duo begleitet den "Minusmann" acht Jahre, Premiere ist am 16.3. bei der Diagonale.

"Wenn einer nicht den Mut hat, seine Mutter zu ficken, dann sollte er wenigstens seinen Vater erschlagen." Ein Satz aus dem Bestseller "Der Minus-Mann" von Heinz Sobata (1944 – 2017), 1978 in einem Gefängnis in Marseille "in sieben Wochen vom Leib geschrieben". Der Roman-Bericht (das Buch heißt nicht Autobiografie, ein Schlupfloch, da Sobota für den Totschlag an einem Zuhälter nie verurteilt wurde) erzählt seine Lebensgeschichte im Wiener Rotlichtmilieu – eine einzige Aneinanderreihung von seelischen Gräueltaten und Gewaltexzessen. Das Buch wurde 600.000 Mal verkauft und in vier Sprachen übersetzt. Über Nacht war der geschundene Bub aus Bad Sauerbrunn im Burgenland berühmt. Der verlag, Kiepenheuer & Witsch, stellte in 150 Buchläden lebensgroße Pappkameraden des Autors auf. Man reichte ihn, wie "Häfn-Literat" Jack Unterweger, in der Wiener Schickeria herum. Er schrieb für den "Playboy", war im "Club 2" zu Gast, das "Profil" wollte ihn Gastautor.

Er schlug mit einem Fleischhammer auf den Vater ein

Die Chronologie seines Scheiterns: Mit zwölf Jahren war er ein Räuber und Dieb, mit 16 ein Zuhälter, wenig später ein verhinderter Mörder (schlug auf seinen verhassten Vater mit einem Fleischhammer ein). Sobota war ein Machtmensch, seine (diagnostizierte!) Empathieunfähigkeit ließ auch Regisseurin Sladjana Krsteska "den Horror einige Male aufsteigen". Bei einem Treffen gab der damals bereits schwer vom Krebs gezeichnete Sobota zu: "Wenn Sie hier neben mir verrecken würden, löst das nichts in mir aus. Ich bin nicht in der Lage, Mitleid zu fühlen."

"Ich hasste Oma mit kindlicher Inbrunst"

Acht Jahre lang begleiteten Krsteska und ihre Regie-Partner Alban Bekic Sobota, der nach insgesamt zehn Jahren Gefängnis die letzten Lebensjahre zurückgezogen in München verbrachte. Acht Jahre, in denen sich Sobata "sehr kooperativ" zeigte. Acht Jahre, in denen die Regisseurin dennoch nie alleine mit ihm in einem Raum sein wollte. Mit dem Menschen, dessen Leben vom ersten Atemzug an ein Trümmerhaufen war. "Sie war ein böses altes Weib", sagt er etwa über seine Oma. Er hasste sie mit "kindlicher Inbrunst" und stieß die alte Frau als Kind über eine Treppe. Sie brach sie den Oberschenkel, es kam eine Embolie dazu, sie verstarb.

Der geliebte Großvater führte Sobota in die Alkoholsucht

Die Mutter, die ihn nach der Inhaftierung des Vaters wegen Kriegsverbrechen auf den Bauernhof von Tante und Onkel abschob, hat er keine Liebe über. Auch nicht für seinen Vater, der keiner war. Nur für den Opa findet er trotz der Verständigungsschwierigkeiten ("Er sprach nur Ungarisch") liebevolle Worte. Ihn habe er damals, als er die Großmutter stieß, "von einer großen Last" befreit. Und trotzdem: Er war es auch, der den kleinen Buben in die Abhängigkeit führte, mit selbstgebrannten Schnäpsen und Weingelagen am Sonntag. Nach einer Zechtour kehrten die zwei zurück auf den Bauernhof . Sobota im Film: "Meine Tante kochte vor Wut. Sie warf mit einer Ente auf meinen Großvater. Er warf mit einem Hasen zurück. Für mich war das wie Kino."

"Sobota hat uns kontaktiert. Er wollte diese letzte Bühne"

Die Idee zur Doku war eine, die ganz langsam herwangewachsen war. Krsteska: "Alban bekam das Buch mit 18 Jahren von seinem Bruder geschenkt, er hat es mir dann viele Jahre später geborgt. Wir haben diesen Menschen dann gegoogelt und etwas über einen Banküberfall gefunden, bei dem er angeblich erschossen worden war. Das wollten genau wissen und haben den Verlag kontaktiert. Das war eine Falschmeldung, er lebte und wir bekamen seine Kontaktdaten. Im Endeffekt war er es, der uns anschrieb, er wollte offenbar diese letzte Bühne – und wir vereinbarten ein Treffen in Wien. Da hatte er eine Tochter, die im Pflegeheim lebte. Auch mit dieser Stadt verband ihn, wie zu so vielen anderen Dingen und Menschen im Leben, eine Hassliebe."

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Mit seinen Häf'n-Memoiren wurde Sobota über Nacht berühmt.

Film gibt den Frauen eine Stimme

In seinem Buch, protokollartig wird hier Gewalt bis hin zur vollständigen Verrohung geschildert, hat vor allem einer eine Stimme: Sobota selbst. Das Wiener Regie-Duo wollte in seiner Arbeit nun denen eine gegeben, die nie eine hatten: die Frauen im Leben des "Minusmannes". "Wir haben mit acht von ihnen gesprochen, vier kommen im Film vor. Sie blicken im Laufe der Interviews auf ihren Lebensabschnitt mit ihm zurück und reflektieren ihre teils grausamen Erlebnisse mit dem Agressor, der für sie damals nicht zwingend einer war. Denn eines ist klar: Sobota war eine Erscheinung, er hatte Charisma, und er wusste es. Seine Anziehungskraft auf das andere Gechlecht setzte er gezielt manipulativ ein. Später nahm Krebs ihm der Krebs seine Stimme. Unter dem Verlust dieses einstigen Machtinstruments litt er sehr."

Sobota demonstriert seinen "Besitzergriff ins G'nack"

Aus dem Schatten werden so u.a. seine Ehefrau geholt, eine Krankenschwester ("Ihr ausgeprägtes Helfersnydrom hat ihren Blick wohl auch getrübt"), mit der Sobota bis zuletzt verheiratet war, eine Ärztin und eine Dame, mit der in den 60er-Jahren verheiratet war ("Es ist nicht ausgesprochen, aber auch sie ging für ihn auf den Strich"). Und: Eine Ex-Freundin, mit er sich für die Doku nach 25 Jahren zum ersten Mal wieder traf. Krsteska: "Wir waren in der Loos-Bar dabei, als sie sich wieder in die Augen sahen. Er machte eine Handbwegung in ihre Richtung und meinte: ,Das ist der Besitzergriff, gell, so hab ich dich immer im G'nack gepackt'. Sie duckte sich. Eine furchtbare Szene für alle."

1.000 Schilling für Jeans geklaut – Erziehunsgheim

Der emotionalste Moment während der Drehabeiten? Die Regisseurin: "Wir haben ihn auf eine Prostituierte angesprochen, die er grausam verprügelt hat. Seine Antwort: ,Ich hab sie nicht verprügelt, ich hab ihr Gesicht auf meine Knie platzen lassen. Das ist kein Verprügeln." Ob Sobota, der seinem Onkel als Teenager 1.000 Schilling für eine Jeans stahl und danach ins Erziehunsgheim kam, jemals Reue gezeigt hat, wollen wir wissen. Krsteska: "Nein, dazu war er nicht in der Lage. Er hat seinen Seelenzustand so beschrieben: ,Ich habe versucht, für mein Leben kleine Räume zu zimmern und schaue jetzt darauf, keinen Schaden mehr anzurichten.' Er war schon auch bedacht darauf, in der Doku nicht nur als Monster dargestellt zu werden." Und ja, es gab auch Licht in seinem Leben: 1991 schaffte er es, die Alkoholsucht zu überwinden. Er blieb bis zu seinem Tod trocken.

Spielfilm wurde trotz mehrerer Anläufe nie realisert

Die Filmrechte für das Buch kursieren übrigens seit Jahrzehnten. Mehrere Produzenten, Regisseure und Autoren versuchten sich bereits mehr oder minder daran, scheiterten aber – und das auch emotional. Uli Edel ("Wie Kinder vom Bahnhof Zoo") soll, so wird es erzählt, nach drei Jahren hingeworfen haben. An Sobotas 40. Geburtstag habe er ihn rasend vor Wut angerufen und ihm klargemacht, dass er ihn verfolge – in seinen Ängsten, beim Sex, und sogar beim Saufen. Edel könne das Buch deshalb nie verfilmen.

Regisseure: "Wir beurteilen oder verurteilen nicht"

"Der Minusmann – die Doku" will ein Tabuthema brechen. Bekic: "Kriminelle wie der Minusmann Sobota üben eine Faszination auf die Gesellschaft aus. Trotz ihrer widerlichen Brutalität und abscheulichen Gewalt vor allem Frauen gegenüber. Wir als Filmemacher sehen unsere Aufgabe, Tabuthemen aufzuzeigen und erhoffen uns dadurch eine öffentliche Diskussion anzuregen. Unsere Aufgabe ist es nicht, zu beurteilen oder zu verurteilen."

"Der Minusmann –Die Doku" feiert am 16.3. Premiere bei der Diagonale in Graz. HIER gibt's alle Infos zum Film.