Wien

"Personal überlastet" – Retter ruft jetzt um Hilfe

Ein Mitarbeiter der Berufsrettung ruft um Hilfe. Das Personal sei überlastet, für Großeinsätze gibt es keine Ressourcen – und Patienten müssen warten.

Thomas Peterthalner
Rettungsfahrzeug der Wiener Berufsrettung (Symbolbild)
Rettungsfahrzeug der Wiener Berufsrettung (Symbolbild)
Tobias Steinmaurer / picturedesk.com

"Wien ist dem Kollaps im Gesundheitsbereich sehr nahe! Es ist nicht fünf vor zwölf, es ist fünf nach zwölf", schreibt ein Mitarbeiter der Berufsrettung in einem Brief anonym an "Heute". Die Zustände bei der Wiener Berufsrettung hätten sich in den letzten Monaten verschlimmert, schreibt er und bietet glaubwürdige Einblicke.

Keine Rettung in der Nähe

Es sei nicht richtig, dass ein Rettungswagen überall in Wien in spätestens 12 Minuten am Notfallort sein könnte. "Aufgrund der gestiegenen Anzahl von abgesetzten Notrufen in Kombination mit einem eklatanten Personalmangel im Fahrdienst und einem ungeeigneten Leitstellensystem, ist es unmöglich geworden, eine adäquate Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten", heißt es in dem Brief. Es gebe Anfahrtswege von bis zu 35 Minuten, weil aufgrund der hohen Auslastung und der Personalknappheit oft keine freien Rettungswagen in der Nähe verfügbar seien.

Drei Stunden Warten auf Rettung

Es würde häufig bis zu 60 offene Einsätze pro Tag und bis zu 30 pro Nacht geben. "Die erst nach Wartezeiten von bis zu drei Stunden abgearbeitet werden können", heißt es in dem Brief. "Die Mitarbeiter der Tagdienste müssen ständig Überstunden leisten, um diese offenen Einsätze überhaupt zu bewältigen." Aufgrund des Personalmangels könnten nicht mehr alle Rettungswägen besetzt werden. Die Auslastung der Berufsrettung liege täglich bei hundert Prozent. Für unverhergesehene Großereignisse wären keine Ressourcen mehr frei.

Notarzt komme bei Erkältung

Das Leitstellensystem habe "gewaltige Schwachstellen". "Tatsächlich ist es so, dass etwa 40 Prozent der Einsätze durch den Abfragekatalog falsch deklariert werden", behauptet der Berufsretter. "Bei einer leichten Verkühlung wird beispielsweise ein Notarzt hinzugezogen, da laut des amerikanischen Abfragekatalogs ein lebensbedrohlicher Zustand besteht. Das führt in der Folge dazu, dass kein Notarzt zur Verfügung steht, wenn dieser wirklich gebraucht wird, zum Beispiel bei einem Herzinfarkt, wo jede Minute zählt." Das hohe Einsatzaufkommen könne mit noch weniger Personal nicht mehr weiter aufrecht gehalten werden.

Versorgung ist sichergestellt

Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SP) und die Wiener Berufsrettung sind über die Vorwürfe informiert. Die Retter weisen die Anschuldigungen zurück. "Die Berufsrettung Wien stellt die notfallmedizinische Versorgung in Wien sicher", so ein Sprecher. "Die Eintreffzeit des ersten Einsatzfahrzeugs bei einem Herz-Kreislauf-Stillstand liegt im Schnitt bei 6:27 Minuten." Medizinisch dringende Einsätze werden sofort beschickt, bei leichteren Verletzungen oder Beschwerden kann es aber zu einer Wartezeit kommen, wird eingeräumt.

"Sowohl Anrufe als auch Einsätze sind im Jahr 2022 angestiegen – vor allem bei den niedrigpriorisierten Einsätzen. Die Berufsrettung hat darauf reagiert, gemeinsam mit den privaten Hilfsorganisationen 15 Prozent mehr Rettungsteams für niedrigpriorisierte Einsätze bereitgestellt. Diese wurden auch von den Dienstzeiten her an die einsatzstarken Zeiten angepasst."

1.100 Ausfahrten pro Tag im Sommer

Während der Hitzewelle im Sommer sei die Einsatzbelastung für das Personal sehr hoch gewesen: Die Teams wurden zu rund 1.100 Ausfahrten pro Tag alarmiert, im Vergleich dazu sind es Anfang September derzeit rund 900 Ausfahren pro Tag.

Menschen wählen zu oft den Notruf

Die Stadt Wien habe das Personal bei der Berufsrettung Wien seit 2019 zweimal aufgestockt. Eine große Herausforderung mit der der Rettungsdienst – nicht nur in Wien, sondern europaweit - zu kämpfen hat: Personen wählen zu schnell den Notruf 144 anstatt über verfügbare Alternativen nachzudenken, wie zum Beispiel Hausarzt, Ärztefunkdienst, Primärversorgungszentren, oder die Helpline 1450. Die Rettung sei kein Taxi mit Blaulicht.

"Vielen Dank an alle Mitarbeiter*innen, die täglich für die Wiener Bevölkerung im Einsatz sind. Mein Appell an die Bevölkerung: Bitte überlegen Sie, ob ein Anruf beim Notruf 144 wirklich nötig ist, oder ob Sie bei der Hausärzt*in nicht besser aufgehoben wären", so Rainer Gottwald, Leiter der Berufsrettung Wien.

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