Fussball

"Heute"-Analyse: Die 6 Gründe für die Rapid-Krise

Die Winterpause kommt für Rapid um ein Monat zu spät - seit Mitte November ist der grün-weiße Wurm drin. Doch woran liegt's? Die "Heute"-Analyse.

Phillip Platzer
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Rapid geht gegen Salzburg unter
Rapid geht gegen Salzburg unter
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Trainer Didi Kühbauer beklagt immer wieder die mangelnde Breite im Kader, beim 2:6-Debakel gegen Salzburg hätte man zudem "blauäugig" agiert. In einem Monat hat man sich sehr viel kaputt gemacht. Vom ungeschlagenen Salzburg-Verfolger zum Liga-Vierten, dazu das Aus in der Europa League und im Cup. Wir nehmen die sportlichen Brennpunkte der Rapid-Krise unter die Lupe.

 Erst zu wenig Rotation, dann zu viel

Verletzungen und Sperren gehören im Fußball einfach dazu, das weiß man auch in Hütteldorf. Allerdings blieb man zu Saisonbeginn davon größtenteils verschont. Trainer Kühbauer verzichtete trotzdem auf eine sanfte Rotation, vertraute lieber bis spät in den Herbst seiner eingespielten Stammelf. Dass dieser irgendwann der Saft ausgehen würde, hätte man mit kleineren Wechselblöcken im Laufe der Saison abfedern können, wenn nicht sogar müssen. Die harte Rotation im Dezember hat dann ebenso nicht geklappt, weil eben die Ersatzspieler davor zu wenig Einsatzzeit bekamen und unter Wettkampfbedingungen zu wenig eingespielt sind. Gegen Arsenal (1:4) und Hartberg (0:3) war dieses Problem deutlich ersichtlich.

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    Mit dem Vize-Meistertitel endete die vergangene Saison erfolgreich für Rapid, wie schlagen sich die Grün-Weißen 2020/21 - die Diashow zum Durchklicken!
    Mit dem Vize-Meistertitel endete die vergangene Saison erfolgreich für Rapid, wie schlagen sich die Grün-Weißen 2020/21 - die Diashow zum Durchklicken!
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     Schwache Defensive

    Beim Liga-Restart im vergangenen Mai riss sich Abwehrchef Christopher Dibon das Kreuzband, mit Maxi Hofmann, Mateo Barac und Leo Greiml blieben nur drei gelernte Innenverteidiger übrig. Greiml wirkt mit seinen 18 Jahren erstaunlich routiniert, im Stellungsspiel unterlaufen ihm aber noch zu viele Fehler. Barac bewegt sich zwischen Genie und Wahnsinn: In manchen Spielen ein unüberwindbares Hindernis, dann wieder eine Fehlpassmaschine mit dem Hang zu Risikodribblings bis ins Mittelfeld hinein. Von einem 1,8-Millionen-Mann müsste man mehr Stabilität erwarten, zudem ist er trotz seiner 1,90m nicht wirklich kopfballstark. Rapid-Urgestein Hofmann mauserte sich zum Abwehrchef, hat seine Defensive aber bei Standards nicht mehr im Griff.

     Das Goalie-Problem

    Auch hier muss man über die Standard-Situationen sprechen, aber nicht nur. Rapid zeichnete sich immer durch Tormänner aus, die auch hin und wieder einen "Unmöglichen" rausfischen. Diesen sucht man in der aktuellen Saison vergebens. Richard Strebinger - vergangene Saison oft noch der gefeierte Held - wurde zur Nummer zwei degradiert, er patzte zu oft, zu schwer. Riesige Schnitzer leistet sich sein Ersatz Paul Gartler zwar nicht, dennoch fehlt ihm das gewisse Etwas. Gegen Wattens zum Beispiel hielt er erst nach dem 0:2-Rückstand stark, verhinderte ein peinliches Debakel. Er kassiert aber zu einfach Tore. Ein gutes Beispiel war das 0:1 gegen Salzburg im Cup, Gartler ging zu früh auf den Boden, ein Klassemann wie Dominik Szoboszlai sieht sowas und schupfte einfach drüber - der Anfang vom Ende! Bei Standard-Flanken in den Strafraum wirkt Gartler ebenso unsicher wie sein Vorgänger Strebinger. Alleine 17 Liga-Gegentore in 11 Spielen sind zu viel für Rapid. Zum Vergleich: Sturm steht bei 5, der LASK bei 9.

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      Die größten Rapid-Spieler aller Zeiten
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      gepa-pictures.com, picturedesk.com

       Kein Chef im Mittelfeld

      Mit dem Abgang von Stefan Schwab wurde eine Lücke in die Mannschaft gerissen, die aber schnell mit Dejan Ljubicic gefüllt werden konnte. Der 22-Jährige blühte als neuer, junger Kapitän auf, war sofort der Chef im Mittelfeld. Neben dem kampfkräftigen und laufstarken Ljubicic zog Dejan Petrovic im Mittelfeld die Fäden, hatte immer ein Auge für tiefe Pässe auf Taxi Fountas. Jetzt fehlen beide, es gibt keinen Chef mehr auf dem Platz. Petrovic hat sein Pfeiffersches Drüsenfieber überstanden, zudem hofft man, dass Ljubicic nach seinem Bänderriss im Knöchel beim 0:0 gegen Salzburg beim Frühjahrsstart im Jänner wieder dabei sein kann. Aber Achtung! Bei Ljubicic droht ein Schwab-Deja-Vu, sein Vertrag läuft 2021 aus, Sportdirektor Zoran Barisic sollte sich rasch um eine Verlängerung kümmern. Mit Lion Schuster und Melih Ibrahimoglu drängen zwei "junge Wilde" nach, wirkten bei ihren Auftritten aber noch zu unsicher und glücklos.

       Das Teamgefüge bröckelt

      Mit dem Fehlen des Kapitäns begann auch das Teamgefüge zu bröckeln. Auf und neben dem Platz wurde immer mehr gemotzt, seit kurzem auch untereinander. Beim enttäuschenden 0:0-Derby krachten Thorsten Schick und Taxi Fountas aneinander - für alle sichtbar mitten am Spielfeld nach Abpfiff. Beim 2:6 gegen Salzburg gab's zudem den Elferkrach zwischen Ercan Kara und Fountas - der Grieche schnappte seinem Teamkollegen den Ball weg, wollte unbedingt selber schießen. Hätte "Taxi" nicht getroffen, wäre sicher noch mehr Feuer am Dach. Auch vor gegenseitigen Schuldzuweisungen schreckt man nicht zurück, so kritisierte zum Beispiel Tormann Gartler seine Vorderleute ("Wir haben verteidigt wie eine Schülermannschaft") scharf. Hier ist auch Trainer Kühbauer gefragt, die Mannschaft wieder auf einen gemeinsamen Kurs zu bringen.

       Die Spielanlage

      Die Kühbauer-Taktik führte Rapid in der letzten Saison noch zum Vize-Meistertitel. Aus einer gesicherten Defensive schnell umschalten - wenn dieser Plan nicht aufgeht, haben die Grün-Weißen massive Probleme. Gegen tiefstehende Gegner ein Spiel zu machen und es dem Gegner aufzudrücken, das ist aktuell das große Manko in Hütteldorf. Wenn's dann nicht läuft, tauchen auch die Offensivkünstler wie Christoph Knasmüllner oder Marcel Ritzmaier komplett unter, anstatt das Spiel an sich zu reißen. Oft kamen dabei sogar ganze Halbzeiten ohne einzigen Torschuss heraus. Zudem funken die vielen und oft frühen Gegentore dazwischen, auch hier muss Kühbauer seiner Mannschaft mehr Flexibilität einimpfen.