Österreich

Hier können sie sich über Polizisten beschweren

Seit zehn Jahren gibt es die Bürgerinformation: Sie ist auch die Stelle, wo sich Wiener über Polizisten beschweren können.

Heute Redaktion
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Nach der Veröffentlichung der Videos, die mutmaßliche Polizeigewalt gegen Klima-Aktivisten zeigen, wird es in den Medien wieder lauter um das Thema ‚Polizeigewalt'. Seit Freitag wurden zwei Videos veröffentlicht: Ein Video zeigt einen Polizisten, der auf einen Aktivisten einschlägt. Indessen meldete sich auch ein anderer Aktivist zu Wort, dem bei der Festnahme mutmaßlich die Hand, von demselben Polizisten, gebrochen wurde. Ein weiteres Video zeigt, einen Aktivisten, der bei einer Festnahme fast von einem Polizeiauto überrollt wurde. „Die Wiener Polizei ist an einer vollständigen, lückenlosen Aufklärung des Vorfalls interessiert", sagte Polizeipräsidenten Gerhard Pürstl in einem Statement. Viele Menschen auf Twitter fordern nun sofortige Konsequenzen. Heute nachmittag wird in Wien gegen Polizeigewalt demonstriert.

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„Der unhöfliche Polizist" als Top-Beschwerdegrund bei Wiener Bürgerinformation

Bürger vs. Polizei ist ein ungleiches Match: Jede Verletzung eines Polizisten wird als schwere Körperverletzung (§ 84 StGB) gewertet, jede eingegangene Anzeige gegen einen Polizisten erhält sofort eine Gegenanzeige. Wenn ein Polizist ungerecht handelt, scheint der Bürger hilflos. Ganz so ist es jedoch nicht, heißt es von Seiten der Bürgerinformation. Seit bereits zehn Jahren führt die Polizei selbst eine Hotline, die es Menschen ermöglicht eine Beschwerde gegen Polizisten vorzubringen. Nicht viele kennen diese Hotline. „Heute" hatte noch vor den aktuellen Ereignissen die Dienststelle besucht. Bei der Frage, welche Beschwerde die häufigste sei, war die Antwort klar: "Der unhöfliche Polizist".

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Dschihadismushotline, Whistleblower-Nummer und Grätzl-Polizisten

Von Montag bis Freitag ist die Bürgerinformation von 8 bis 18 Uhr erreichbar. Rund sieben Beamte sind im Team des stellvertretenden Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und Leiter der Bürgerinformation Peter Jedelsky. An der Wand gegenüber des Telefons hängen zahlreiche blaue, rote und gelbe Zettel, die meisten mit Telefonnummern darauf. Zwischen der Dschihadismushotline, findet man die Namen und Nummern der einzelnen Grätzl-Polizisten, Telefonnummern der Stadt Wien, eine Übersicht der Listenhunde, die Veterinärhotline und sogar eine Whistleblower-Nummer. "Es gibt für uns keine Zuständigkeit, wo wir nicht zuständig sind", so Peter Jedelsky. Laut einer aktuellen Statistik seien es 1500 Beschwerden im Jahr und 4.000 Anrufe insgesamt, die man im Jahr im Bürgerinfo-Büro in der Wiener Innenstadt entgegen nehme. "Bei Demonstrationen bitten uns die Menschen um Informationen über Straßensperren, bei Nachbarschaftsstreitigkeiten sollen wir vermitteln, bei Rechtsfragen oder Zuständigkeitsfragen unterstützen", erklärt Jedelsky.

"Beim Wien Marathon klingelte unser Telefon beispielsweise pausenlos. Menschen waren überfordert, wegen der vielen Straßensperren. Manchmal sind es aber auch einfach verzweifelte Eltern, die bei uns anrufen, weil ihre Kinder zu lange unterwegs sind", erklärt Michaela Schula, Referentin der Bürgerinformation. Auch die Anrufe, die beim Notruf (133, 112) falsch sind, werden direkt zum Bürgerservice weitergeleitet und daher nehme, laut der Referentin, die Hotline eine wichtige Vermittler-Rolle ein. Zusätzlich beschweren sich Wiener Bürger auch aufgrund von Lärmbelästigungen durch Lokale und deren Gäste, sowie aufgrund von freilaufenden Hunden oder zu wenig Polizei-Kontrolle.

Bürgerinformation: Rund 60% der Beschwerden werden nicht geklärt

Die häufigste Beschwerde sei, aber klar, aufgrund von unhöflichen Polizisten. Im Angesicht der aktuellen Ereignisse ist es notwendig hier zu differenzieren: Ob hier auch von gewalttätigen Übergriffen die Sprache war, blieb jedoch offen. Der Betroffene erlebe es so, dass der Beamte ihn angehe oder vielleicht auch anbrülle, erklärt Jedeslky. "Rund 60% davon können wir nicht klären", ergänzt er. Wenn es keine Zeugen und kein Video gebe, sei es eben schwierig den Fall zu beweisen. "Darauf antworten wir dann, dass wir den Fall nicht klären können und dass wir dies auch bedauern", so Jedelsky. Falls es Videomaterial geben solle, so sei es klug dieses nicht in den sozialen Netzerken zu verbreiten. Denn das könnte dann auch für den Veröffentlicher rechtskräftige Konsequenzen haben, aufgrund von Datenschutzrechte. Denn auch Polizisten haben ein Recht auf Datenschutz, so Jedelsky.

Beweise gegen Polizisten: Videos, Anrufaufnahmen

Im Jahr 2018 gab es einen schrecklichen Zwischenfall, der durch Video-Aufnahmen festgehalten wurde: Ein Beamte misshandelte eine obdachlose Frau, ein anderer drehte sich weg. Die Ohrfeigen ins Gesicht des Beamten wurden auf den Überwachungsvideos der Volkshilfe aufgezeichnet. Gegen beide Beamten wurde eine Disziplinaranzeige erstattet, eine vorläufige Suspendierung und das Disziplinarverfahren eingeleitet. Nach einer Verhandlung wurden die Suspendierungen aufgehoben, das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen. Die Beamten mussten schließlich lediglich eine Geldstrafe bezahlen.

Beschwerden können zu Disziplinarverfahren führen

 

"Es gibt durchaus die Möglichkeit, dass es aufgrund einer Beschwerde ein Disziplinarverfahren eingeleitet wird und dann hier dienstrechtlich entschieden wird, ob das Verhalten des Beamten in Ordnung war. Es könnte durchaus eine Ermahnung für den Beamten geben. Das wäre eine dienstrechtliche Konsequenz: Nach einem sensibilisierendem Gespräch, wäre eine zweite Stufe eine Ermahnung nach dem Beamten-Dienstrechtsgesetz. Bei diesen Beschwerden handle es sich jedoch um Unhöflichkeiten, stellt Jedelsky klar. Wenn bei der Bürgerinformation Misshandlungsvorwürfe eingehen, die strafrechtlich relevant sind, dann werden diese von der Bürgerinformation an das Referat für besondere Ermittlungen weitergeleitet. Diese leiten die Information weiter an die Staatsanwaltschaft, die wiederum eine Anzeige wegen Amtsmissbrauch erhebt.

Beschwerden immer schriftlich einreichen

 

"Es geht um Details, man braucht das auch für den Akt. Auch eine anonyme Beschwerde sei, laut Vorstand er Öffentlichkeitsarbeit, möglich. "Aber besser wären detaillierte Ansagen", meint Jedelsky. Auch anonyme Meldungen müssten sie nachgehen, denn es könnte ein strafrechtlicher Vorwurf dabei sein.

Michaela Schula, Referentin Bürgerinformation (51): „Oft sind sie Anrufer bei uns nicht richtig, weil es um Magistratsangelegenheiten geht. Reisepässe, Meldeanfragen, Zuständigkeiten bei der Polizei. Wo bekomme ich eine Strafregisterbescheinigung? Brauche ich jetzt Winterreifen? Rechtsfragen oder eben Beschwerden. Hier muss man anfangs auch beruhigen und dann kann man erst konstruktiv arbeiten. Daher werden die Anfragen nur schriftlich bearbeitet und wir bitten alle Beschwerden immer schriftlich einzureichen."

 

„Wir holen bei allen Beschwerden, Stellungnahmen ein. Wenn eine Beschwerde kommt, wird der Beamte dazu angehalten schriftlich dazu Stellung zu nehmen. Wir schicken das an den Beamten und an seinen Vorgesetzten", so Jedelsky. Prinzipiell sei natürlich jede Beschwerde über einen Polizisten, eine Beschwerde zu viel. Man arbeite viel mit Schulungen und setze daran Aufklärung zu schaffen. Dennoch wird durch die aktuelle Veröffentlichung der Videos klar, dass weiterhin viel getan werden muss. Transparenz, die Möglichkeit sich zu beschweren und auch die richtigen Maßnahmen setzen, das sind die Wünsche der Bürger, die man derzeit in den sozialen Medien vernimmt.

Unabhängige Alternative: Die Volksanwaltschaft

Für Beschwerden über die Polizei kann man sich auch an die Volksanwaltschaft wenden. Sie steht allen Menschen zur Seite, die sich von einer österreichischen Behörde nicht gerecht behandelt fühlen – unabhängig vom Alter, der Nationalität oder dem Wohnsitz. Bei der Beschwerde kann es sich um eine Untätigkeit der Behörde, eine nicht dem Gesetz entsprechende Rechtsansicht oder aber um grobe Unhöflichkeiten handeln. Beschwerden gegen Gerichte sind nur möglich, wenn sie die überlange Dauer eines Verfahrens beanstanden. (no)