Wien

Hier wird Wiens Abwasser zu grüner Energie

Exakt vor 50 Jahren wurde der Grundstein für die Wiener Hauptkläranlage gelegt. Heute folgte der Schlussstein für die neue Schlammbehandlungsanlage. Nach Inbetriebnahme erzeugt sie mehr "grüne" Energie als sie zur Abwasserreinigung benötigt.

Louis Kraft
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    Bürgermeister Michael Ludwig und Umweltstadträtin Ulli Sima legen Schluss für neuen Teil der Hauptkläranlage Simmering
    Bürgermeister Michael Ludwig und Umweltstadträtin Ulli Sima legen Schluss für neuen Teil der Hauptkläranlage Simmering
    Sabine Hertel

    Seit 1980 reinigt die Hauptkläranlage in Simmering das gesamte Abwasser der Wiener. Pro Sekunde laufen mehr als 6.000 Liter Abwasser in die Anlage. In 20 Stunden durchläuft das Abwasser eine mechanische und zwei biologische Reinigungsstufen, Tag für Tag werden dem Abwasser über 100.000 Kilogramm Schmutzstoffe entzogen. Über den Donaukanal fließt das gereinigte Abwasser in die Donau, ohne deren Wasserqualität zu beeinträchtigen. Doch soviel Leistung hinterlässt ihre Spuren: Teile der Anlage, die seit nunmehr 40 Jahre im Dauerbetrieb waren, haben nun das Ende ihres Lebenszyklus erreicht und werden durch eine neue Anlage ersetzt.

    Den Schlussstein dafür legten heute, Donnerstag, offenbar unbeeindruckt von dem doch gewöhnungsbedürftigen Geruch der Wiener Hauptkläranlage Bürgermeister Michael Ludwig und Umweltstadträtin Ulli Sima (beide SPÖ). In mehr als fünfjähriger Bauzeit wurden die Becken der Vorklärung und der ersten biologischen Reinigungsstufe erneuert und die Schlammbehandlungsanlage neu errichtet. Nach der Inbetriebnahme kann Wiens Kläranlage aus "grünem Gas" mehr Öko-Energie erzeugen, als sie zur Abwasserreinigung benötigt. Durch den intelligenten Einsatz von modernen Technologien wird hier mehr Energie produziert als tatsächlich verbraucht.

    Neue Anlage spart pro Jahr rund 40.000 Tonnen CO2 ein

    Die Abwasserreinigung, die in anderen Städten einen der größten kommunalen Energieverbraucher darstelle, erfolge in Wien energieautark. So werden sauberer Strom und Wärme und zugleich senken der CO2-Ausstoß gesenkt. Pro Jahr beträgt die Einsparung laut Angaben der Stadt rund 40.000 Tonnen.

    "Gerade in Zeiten, wo die Corona-Pandemie das beherrschende Thema darstellt, ist es wichtig, andere wichtige Herausforderungen, vor denen unsere Gesellschaft steht, nicht zu vergessen. Der Klimaschutz steht dabei ganz oben in der Rangliste. Wir haben es in der Hand, die Zukunft der nächsten Generationen zu sichern. Dafür müssen wir Wien Klima-fit machen, damit es auch künftig die lebenswerteste Stadt der Welt bleibt", erklärten Ludwig und Sima. 

    Die neue Schlammbehandlungsanlage der ebswien sei ein Vorzeigebeispiel für ein Smart-City-Projekt. "Die Stadt Wien gilt weltweit als Vorreiter in Sachen Smart City. Wir haben eine klare Strategie, bei der die Anliegen und Ideen der Stadtbewohnerinnen und Stadtbewohner, aber auch die Impulse aus Wirtschaft, Technologie und Forschung unter ein gemeinsames Ziel gestellt werden", unterstrich der Stadtchef.  

    So funktioniert die neue Schlammbehandlungsanlage

    "Bei Schlammfaulungsanlagen stand früher vor allem die Reduktion des Klärschlamms, der als 'Reststoff' bei der Abwasserreinigung anfällt, im Mittelpunkt des Interesses, die gewonnene Energie war dabei nur ein angenehmer Nebeneffekt", erläuterte ebswien-Generaldirektor Christian Gantner. Bei der Hauptkläranlage Wien sei hingegen von Anfang an die größtmögliche Energieausbeute das Ziel gewesen. Entscheidend dafür ist die richtige Dicke des Klärschlamms. 

    Pro Jahr fallen in Wien rund zwei Millionen Kubikmeter Schmutzstoffe an, die im Klärschlamm bei der Abwasserreinigung entfernt werden. Das sichtbarste Zeichen der neuen Schlammbehandlungsanlage sind die sechs jeweils 30 Meter hohen Faulbehälter mit einem Gesamtvolumen von 75.000 Kubikmeter. Dorthin gelangt der "voreingedickte" und auf 38 Grad Celsius erwärmte Schlamm. Unter Luftabschluss bauen Bakterien die organischen Inhaltsstoffe des Klärschlamms ab. Während des 25 Tage dauernden Faulungsprozesses entsteht Klärgas, das zu zwei Drittel aus dem energiereichen Methan (CH4) besteht. Davon fallen 20 Millionen Kubikmeter pro Jahr an.

    Der ausgefaulte Schlamm wird aus den Faulbehältern abgezogen und verbrannt. Das Klärgas hingegen gelangt über Filteranlagen von den Gasbehältern in Blockheizkraftwerke, wo es in Gasmotoren verbrannt wird. Dabei entsteht nicht nur mechanische Energie, die mittels Generatoren in elektrischen Strom umgewandelt wird, sondern auch Wärme, die für Heizung und Warmwasserbereitung verwendet werden kann. Dadurch bringen es die Blockheizkraftwerke auf einen hohen Gesamtwirkungsgrad von mehr als 80 Prozent.

    Neue Anlage bringt Effizienzsteigerung und Ausfallssicherheit

    Die nötige Reinvestition in diese "Ur"-Anlage bringe nicht nur eine Modernisierung, sondern in diesem Teil der Hautkläranlage auch mehr Energieeffizienz, steigere die Ausfallssicherheit und senke die Instandhaltungskosten. So wurde das Volumen der Becken im zehn Hektar großen Baufeld um 50 Prozent vergrößert. Da die Belebungs- und Zwischenklärbecken aber nun deutlich höher sind, kommen sie mit einer wesentlich kleineren Grundfläche aus. Der dadurch freiwerdende Platz konnte für die neue Schlammbehandlungsanlage – und damit für den Klimaschutz – genutzt werden.