Gesundheit

Hilft bekanntes Dopingmittel EPO im Kampf gegen Corona?

Das Hormon Erythropoetin, kurz Epo, kann möglicherweise schwere Corona-Verläufe abschwächen und die Erkrankten vor neurologischen Spätfolgen schützen.

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Erste Studien deuten darauf hin, dass EPO schwere Verläufe mildern kann.
Erste Studien deuten darauf hin, dass EPO schwere Verläufe mildern kann.
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Die meisten Menschen dürften bei der Erwähnung von Epo vor allem an Doping im Profisport denken. Anders Fachleute: Sie wissen, dass das Wachstumshormon, das mit vollem Namen Erythropoetin heißt, auch natürlich im Körper vorkommt und bei Sauerstoffmangel ausgeschüttet wird. Dadurch wird die Sauerstoffversorgung von Gehirn und Muskeln verbessert. Ausdauersportlern verhilft das zu mehr Leistung, weshalb einige von ihnen unerlaubt zu künstlich hergestelltem Epo greifen.

Doch das ist noch nicht alles, wie Epo-Experte Max Gassmann von der Universität Zürich sagt: "Das Hormon hat auch sehr viele schützende Eigenschaften." So halte es zum Beispiel Zellen im ganzen Körper vom Absterben ab, darunter Knochen- und Immunzellen. "Das könnte sich bei der Therapie von schwer erkrankten Covid-19-Patienten auszahlen", so Gassmann.

Dieser Meinung sind auch Forscher vom Max-Planck-Institut (MPI) für experimentelle Medizin in Göttingen. Sie wollen nun in einer klinischen Studie prüfen, ob mithilfe von Epo Covid-19-Patienten sogar vor schweren Verläufen und neurologischen Spätfolgen bewahrt werden können, wie es in einer Mitteilung heißt. Das Team um Medizinerin Hannelore Ehrenreich sieht gleich mehrere Ansatzpunkte für eine Therapie mit Epo.

Verbesserung der Atmung

So gibt es Hinweise darauf, dass Epo auf Bereiche in Hirnstamm und Rückenmark wirkt, die die Atmung kontrollieren. Als Folge verbessert sich die Atmung bei Sauerstoffmangel. Zudem haben Tierversuche gezeigt, dass Epo durch seine antientzündliche Wirkung Lungenzellen vor Schäden schützen und Lungenödeme verhindern kann.

Entzündungshemmend

Epo wirkt entzündungshemmend auf Immunzellen und könnte so die häufig überschießende Immunantwort, den sogenannte Cytokinsturm, bei Covid-19-Patienten abschwächen. Dabei schütten die mit Sars-CoV-2 infizierten Zellen und Gewebe enorme Mengen an entzündungsfördernden Botenstoffen aus, die im schlimmsten Fall zu einem Kollaps des gesamten Körpers führen.

Schutz des Nervensystems

Weiter, so vermuten Ehrenreich und ihre Kollegen, könnte Epo vor neurologischen Symptomen und Spätfolgen der Erkrankung schützen wie Kopfschmerzen, Schwindel, Ausfälle des Geschmacks- und Geruchsinns sowie Krampfanfälle, Lähmungen und Schlaganfälle. Hinweise darauf hat unter anderem das Team um Gassmann in Hinsicht auf Hirninfarkte gezeigt.

Richtige Dosierung wichtig

Doch Epo habe nicht nur positive Eigenschaften, erklärt Gassmann. Die Risiken zeigten sich vor allem dann, wenn es in großen Mengen und über einen langen Zeitraum verabreicht wird.

"Die Gefahr für Thrombosen steigt", so Gassmann. "Denn wenn es zu viele rote Blutkörperchen hat, wird das Blut dickflüssiger." Sogar ein Hirninfarkt könnte daraus resultieren. "Darum muss man da sehr vorsichtig vorgehen", erklärt der Experte. Dies vor allem, da Thrombosen eine mögliche Folge einer Infektion mit Sars-CoV-2 sind, wie Frank Ruschitzka, Leiter des Universitären Herzzentrums am Universitätsspital Zürich (USZ), nachgewiesen hat. Dessen seien sich die Göttinger Kollegen aber bewusst, wie ihre Unterlagen zeigten.

Auch für Sportler denkbar

Doch angenommen, die Möglichkeit einer Therapie mit Epo würde in der Studie bestätigt: Wie sieht es mit Spitzensportlern aus, die sich mit dem neuartigen Coronavirus infizieren? Müssten sie ihre Karriere nach einer Behandlung an den Nagel hängen?

"Nein", sagt der Zürcher Epo-Experte. Sie müssten noch nicht einmal gesperrt werden. "Wer so schwer an Covid-19 erkrankt, dass er das Hormon verabreicht bekommen muss, braucht sowieso mehrere Wochen, bis er sich erholt hat." Und das Epo, das man dann spritzt, wird innerhalb von Tagen abgebaut, und die Lebenszeit von roten Blutkörperchen beträgt maximal 120 Tagen.