Wintersport

"Hirscher? Das war ein bisschen zu viel Show"

Thomas Dreßen verfolgt als Zaungast die Hahnenkammrennen. Im "Heute"-Talk spricht er über Streif-Sieger Kilde, Vorläufer Hirscher und Olympia-Kritik.

Erich Elsigan
Teilen
Thomas Dreßen sieht die Hirscher-Show mit gemischten Gefühlen.
Thomas Dreßen sieht die Hirscher-Show mit gemischten Gefühlen.
GEPA

Am 20. Jänner 2018 gelang Thomas Dreßen ein Ski-Wunder. Der Deutsche gewann sensationell die Abfahrt auf der Streif - sein erster Weltcup-Erfolg. Auch vier Jahre später ist die Frohnatur in der Gamsstadt, allerdings "nur" als Zaungast. Dreßen feilt nach einer Knie-Operation seit elf Monaten am Comeback, ist weiter zum Zuschauen gezwungen. In Kitzbühel will er "Weltcup-Flair" aufsaugen, sich Motivation für die kommenden Trainings-Wochen holen. 

Ausrüster Rossignol glaubt an eine erfolgreiche Rückkehr, stattete Dreßen mit einem neuen Vertrag bis 2024 aus. "Heute" traf den 28-Jährigen am Fuße der Piste zum Interview. 

"Heute": Am Freitag hat sich Aleksander Aamodt Kilde in die Kitz-Siegerliste eingetragen, ein Jahr nach einem Kreuzbandriss.

Thomas Dreßen: "Ich bin im Ziel gestanden, habe ihm gleich gratuliert. Ich bin bis zur Siegerehrung geblieben. Ich finde, das gehört sich, zeugt von Respekt. Wir verstehen uns sehr gut, sind immer wieder im Austausch. Wir schätzen uns gegenseitig. Es ist beeindruckend, wie er zurückgekommen ist nach seiner Verletzung. Das ist echt brutal, faszinierend."

1/35
Gehe zur Galerie
    <em>"Heute"</em>-Streifzug durch Kitzbühel 2022
    "Heute"-Streifzug durch Kitzbühel 2022
    picturedesk.com

    Sie kennen das Gefühl, in Kitzbühel zu gewinnen. Bei Ihnen waren sogar Fans dabei. Macht das einen Unterschied?

    "Die Leistung ist die selbe. Mir tut der Aleksander aber auch irgendwo leid. Normal ist gegen 18 Uhr die öffentliche Siegerehrung. Wenn ich überlege, wie es da bei mir zugegangen ist, ziehts mir heute noch die Ganslhaut auf. Das war so genial. Ich hoffe, dass es nächstes Jahr wieder in eine andere Richtung geht."

    Sie meinen wie in Wengen, wo Tausende Fans gestattet waren?

    "Sicher kann man diskutieren, ob das in Wengen und Adelboden sein hat müssen mit den Fan-Massen. Aber aus sportlicher Sicht war es richtig cool, wieder mal Emotionen zu sehen. Denn die Stimmung steckt die Athleten schon an."

    Das Problem ist: Nicht nur die Stimmung, auch Corona ist ansteckend. Siehe Manuel Feller, der sich in Wengen Covid eingefangen hat.

    "In Wengen gibt es das Problem mit den Zügen, denn nur so kommst du zur Piste. Da nehme ich die FIS in die Pflicht. Die VIPs werden mit den Hubschraubern raufgeflogen, warum macht man das nicht auch mit den Athleten? Wir probieren alles, um uns zu schützen, aber in Wengen musst du mit dem Zug fahren – außer du leistest dir privat einen Heli. Das kostet halt viel Geld. Und so nachgeschmissen bekommen wir es auch wieder nicht. Da könnte die FIS schon so weit sein und drei, vier Helikopter chartern. Zumindest für die Athleten, dass die ein bisschen geschützt sind."

    1/13
    Gehe zur Galerie
      Weiter Satz: Marcel Hirscher heizt über die Streif: Die besten Bilder
      Weiter Satz: Marcel Hirscher heizt über die Streif: Die besten Bilder
      picturedesk.com

      Viel wurde in den letzten Tagen über Marcel Hirscher gesprochen, der als Abfahrts-Vorläufer unterwegs war. Es gab mitunter Kritik. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Thema?

      "Auf der einen Seite finde ich es gut. Denn es zeigt, wie besonders diese Abfahrt ist. Aber ich sehe es schon auch so, dass es eher um die Aktiven gehen sollte. Das heißt nicht, dass ich seine Leistung schmälere. Ich habe mir seine Fahrt auch angesehen, er hat das gut gemacht. Aber zeitenmäßig wäre er nicht dabei gewesen. Ich weiß nicht, um was es ihm wirklich gegangen ist, ob es PR war. Ich finde, es war ein bisschen viel Show."

      Hirscher entwickelt einen eigenen Ski. Werden Sie das auch eines Tages machen?

      "Nein, garantiert nicht. Ich finde es cool, dass Marcel das versucht, da brauchst du schon Mut. Das muss ihm erst wer nachmachen. Es haben ja vor ihm schon andere versucht. Der Lasse Kjus mit seinem Gewand, das geht super. Der Bode Miller mit den Bomber-Skiern, das ist denke ich nicht so recht aufgegangen. Man sieht, es gelingt nicht jedem. Ich könnte es nicht, weil ich nicht der große Tüftler bin. Ich fahre vom Anfang bis zum Ende der Saison mit einem Schuh. Die Chance, dass du in der Abfahrt beim Rennen ganz genau weißt, wie die Verhältnisse sind, sind ohnehin gering. Wir haben nur einen Durchgang. Entsprechend musst du während der Fahrt reagieren und deine Fahrweise anpassen. Ich fahre in der Vorbereitung bewusst nur zwei Skimodelle und einen Schuh. Das gibt mir Sicherheit."

      Wann wird man Sie rennmäßig wieder auf der Piste sehen?

      "Wahrscheinlich erst nächste Saison. Das Knie macht keine Probleme, aber ich bin noch keine Stangerl gefahren. Und während Olympia sind dann keine Coaches da. Wir werden schauen. Wenn alles extrem gut läuft, bin ich vielleicht schon im März in Kvitfjell bei den Trainings dabei."

      Sie sprechen die Olympischen Spiele an. Die Strecke ist für alle Neuland. Macht das den Kreis der Favoriten größer oder kleiner?

      "Ich habe mich noch gar nicht mit der Strecke befasst, habe noch nichts gesehen. Ich habe schon alles mögliche gehört: von technisch schwer und steil bis doch nicht so schwer. Ich weiß nicht so recht, was ich glauben kann. Ich denke aber, es werden die üblichen Verdächtigen vorne sein. Zehn, 15 Leute muss man auf der Rechnung haben. Gewisse Athleten haben auf neuen Strecken schnell ein Gespür dafür, was wichtig ist und welche Passagen entscheiden. Wer das am schnellsten heraußen hat, hat die besten Karten."

      Ihr Landsmann Felix Neureuther tritt immer wieder als IOC-Kritiker auf, versteht die Vergabe an Südkorea oder Peking nicht. Sehen Sie es auch so streng?

      "Ich muss differenzieren, ich bin zwar verletzt, aber aktiver Athlet. Wenn ich qualifiziert wäre, würde ich mich nicht so viel damit befassen, wo die Spiele sind. Für mich war Olympia immer ein Ziel, deshalb würde ich mich aufs Sportliche konzentrieren. Über das Politische und Bürokratische müssen sich andere kümmern. Was die Vergabe angeht, muss sich das IOC aber mal klar werden, was es will. Ich weiß nicht genau, was die Anforderungen sind, um die Spiele zu bekommen. Vielleicht sind die so extrem, dass alle in Europa zurückziehen und nur die exotischen Orte übrigbleiben. Vielleicht sind wir in Europa aber auch selber schuld. Innsbruck hatte Chancen auf die Spiele, Graz auch, München und Garmisch ebenfalls - alle haben zurückgezogen. Ich verstehe die Leute schon, dass sie den Gigantismus nicht mittragen wollen."