Seit Jahren kritisieren Tierschützer, dass Fiakerpferde unter den sommerlichen Temperaturen in der Wiener Innenstadt massiv leiden. Vor allem der Verein gegen Tierfabriken und der Österreichische Tierschutzverein wettern gegen den Einsatz von Pferden für touristische Zwecke.
Da klingt die jüngste Forderung einer Wiener Pferde-Närrin auf den ersten Blick vernünftig: Statt Pferden, die den steigenden Temperaturen nicht gewachsen sind, sollten die Fiaker künftig auf Kamele umsatteln - immerhin sind die gutmütigen "Wüstenschiffe" bestens an Hitze angepasst.
Schmetterlinge, Fische, Mücken - laut einer Studie des Umweltbundesamtes tummeln sich in Österreich als Folge des Klimawandels bereits 500 "zugereiste" Tiere. Warum sollte da der Mensch nicht ein bisschen nachhelfen, vor allem dort, wo alteingesessene Nutztiere wie Pferde entlastet werden könnten?
Für die österreichische Tierschutzorganisation "Vier Pfoten" wäre ein Einsatz von Kamelen "nicht vorstellbar". Deren Sprecherin der Elisabeth Penz sagt im Gespräch mit "Heute": "Die Wiener Innenstadt ist für kein Tier eine geeignete Umgebung."
Auch der Österreichische Tierschutzverein kann sich Fiaker-Kamele nicht vorstellen: "Der Einsatz von Kamelen für die Fiaker-Kutschen ist sicher keine Alternative. Selbst das entspannteste Kamel wäre ebenso wie jedes Fiaker-Pferd im Wiener Straßenverkehr am liebsten auf der Flucht", sagt Alexios Wiklund im Gespräch mit "Heute".
Zudem gebe es in Wien "trotz gelegentlichem Sahara-Staub" keine Expertise in der artgerechten Haltung von Kamelen. Außerdem: "Kamele haben spezielle Ernährungsbedürfnisse, die sich von denen der Pferde unterscheiden. Es wäre schwierig und kostspielig, die passende Nahrung für Kamele in städtischen Umgebungen bereitzustellen."
Wiklund weist auch auf anatomische Unterschiede hin: "Kamele haben einen schaukelnden Gang, der für Passagiere ungewohnt und möglicherweise unangenehm sein könnte. Zudem sind Kamele nicht so gut trainierbar wie Pferde, um in dichtem Stadtverkehr sicher zu manövrieren."
Die meisten Städte hätten zudem spezifische Vorschriften und Regelungen für den Betrieb von Fiakern, die auf Pferde zugeschnitten sind. Diese Vorschriften müssten geändert und angepasst werden, was bürokratischen Aufwand und rechtliche Herausforderungen mit sich bringen würde.
Auch von Tierschützern könnte es einen Aufschrei geben: Denn Haltung und Nutzung von Kamelen in einer städtischen Umgebung könnten tierschutzrechtliche Bedenken aufwerfen. "Kamele sind darauf angewiesen, in ihrer natürlichen Umgebung ausreichend Bewegung zu bekommen, was in einer städtischen Umgebung nicht immer gewährleistet werden kann", so Wiklund.
Doch der Tierschutzverein hat einen Alternativ-Vorschlag: "Die einzige sinnvolle Alternative wäre die Umstellung auf Elektrokutschen. Diese sind umweltfreundlich, verursachen keine schädlichen Emissionen und reduzieren die Lärmbelastung in belebten Innenstädten", so Wiklund.
Mit der Umstellung auf Elektromotor solle das unnötige Leiden der Pferde beendet und die touristische Fiaker-Attraktion nachhaltig gestaltet werden. Denn für die sensiblen Tiere sei der Wiener Großstadtverkehr ein "Alptraum". Denn Pferde sind Fluchttiere und "trotz Scheuklappen im Straßenverkehr ständig gestresst und reizüberflutet. Am liebsten würden sie sofort Reißaus nehmen", so Wiklund.
"Besonders bei brütender Sommerhitze sei das Ziehen der schweren Kutschen über Kopfsteinpflaster eine stundenlange Tortur für die Pferde", so Wiklund. 2008 gab es in Wien acht Hitzetage. 2018, nur zehn Jahre später, waren es bereits 37 Tage über 30 Grad. Heuer liegen wir (Stand 30. Juli) bei 33 Hitzetagen.
"Während wir also jedes Jahr neue Hitzerekorde verzeichnen, leiden die Arbeitstiere auf Wiens Straßen", so der Tierschutzverein. Für die Wiener Fiaker wären E-Kutschen allerdings undenkbar. Man darf gespannt sein, mit welchem "Antrieb" die Fiaker in 50 Jahren durch Wien rollen werden.