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Hofstätter: "Schäm' mich, wenn ich mich selbst sehe"

Das Leben ist ein Schlachtfeld – und so bewaffnet Lars Montag seine Truppe in "Einsamkeit und Sex und Mitleid" mit Witz und Pathos.

Heute Redaktion
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Ein Schuhdiebstahl im Zug bildet den Auftakt eines wilden Kaleidoskops von Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen unterschiedlichsten Großstadtmenschen, die in diesem Film lustvoll wie in einem Spinnennetz zappeln. "Einsamkeit und Sex und Mitleid" (ab 5.5. im Kino) ist eine provokante Komödie über die Schwierigkeiten, eine glückliche Beziehung zu leben. Maria Hofstätter, Jan Henrik Stahlberg, Eva Löbau und Co. laufen in dieser bitterbösen, doppelbödigen Welt zu großer Form auf. Wir haben Maria Hofstätter zum Interview über die Lage der Nation getroffen.

„Heute": Müssen Sie Ihre Figuren mögen, um sich anzunähern?

Maria Hofstätter: Meistens entwickelt es sich schon so und grundsätzlich mag ich schwierige Charaktere. Einzige Ausnahme: die Missionarin in Ulrich Seidls „Paradies: Glaube". Mit ihr wurde ich bis zum Schluss nicht warm.

„Heute": Mögen Sie auch die Frau, Mascha, die ihren Mann dazu bringt, in einem Wutraum auf eine Babywiege einzudreschen?

Hofstätter: Naja, ich versteh sie. Er ist ihr völlig entglitten, beteiligt sich an nichts mehr, hat keine Struktur. Sie selbst hat einen schwierigen Job als Altenpflegerin, eine pubertierende und mühsame Tochter. Sie ist einsam und deshalb wütend und unsympathisch.

"Heute": Haben Sie Mitleid?

Hofstätter: Das ist das große Thema: Mitleid haben alle Figuren nur mit sich selber. Deshalb kommt man ja auch keinen Schritt vorwärts und kann die Probleme nicht lösen. Weil man eben genau nicht ein einziges Mal versucht, die Welt einmal mit anderen Augen zu betrachten.

„Heute": Der Film erfindet nicht, er überzeichnet. Ist das Leben wirklich so düster und grell zugleich?

Hofstätter: Diese Überhöhung ist Kunst. Aber klar, das hier ist die Realität. Denn von außen betrachtet ist alles normal, da fällt keiner auf. Aber wenn man genau hinschaut, fallen die Abgründe auf.

"Heute": Thematisch kommt ja alles vor, von Rassismus über Ehebruch bis Mobbing und Sekten. Bewirkt die Konzentration dieser tonnenschweren Themen nicht, dass im Endeffekt jedes einzelne verharmlost wird?

Hofstätter: Das Ganze ist ein Kaleidoskop. Das führt aber auch dazu, dass es nicht nur als extrem schweres Drama rüberkommt. Es ist ganz bewusst absurd. Es geht nur um Schwierigkeiten, und dennoch ist es eine Komödie. Die aber wiederum keine Blödelei ist.

„Heute": Laut Regisseur war die Finanzierung schwierig, da der Film politisch nicht korrekt genug sei…

Hofstätter: Ja, das ist völlig idiotisch, da nimmt man der Kunst echt was weg. Die Motivsuche war sogar so schwierig, dass wir einen Arbeitstitel erfanden: „Hummeln im Bauch", lächerlich. Dabei geht's ja genau darum, mit Hilfe von Incorrektness etwas aufzuzeigen. Die Botschaft insgesamt ist dann ja eh wieder korrekt. In Österreich darf man aber noch mehr, da ist man von Seidl und Haneke ja schon einiges gewöhnt.

„Heute": Sie zeigen sich in ihren Filmen oft nackt, beim Sex, beim Maturbieren etc. Gibt's eigentlich noch einen Moment der Scham, wenn Sie sich selbst auf der Leinwand sehen?

Hofstätter: Einen Moment? Ganze Phasen! Vor allem beim ersten Mal. Da bin ich so mit mir beschäftigt, dass ich gar kein Urteil zum Film abgeben kann. Mir ist das ein Gräuel. Deshalb spiele ich auch gerne Theater, da muss ich mir nicht selbst zuschauen

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