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Huppert glänzt in Verhoevens Erotik-Thriller "Elle"

Heute Redaktion
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Hochspannung in Cannes. Am Sonntag Abend werden die Goldene und die Silbernen Palmen vergeben. Die deutsch-österreichische Produktion "Toni Erdmann" mit Peter Simonischek zählt zu den Top-Favoriten. Aber ob das die Festival-Jury um "Mad Max"-Regisseur George Miller genauso sieht, wird man erst wissen, wenn auf der Bühne des Festival-Palais die Namen verlesen werden.

Hochspannung in Cannes. Am Sonntag Abend werden die Goldene und die Silbernen Palmen vergeben. Die deutsch-österreichische Produktion "Toni Erdmann"  mit Peter Simonischek zählt zu den Top-Favoriten. Aber ob das die Festival-Jury um "Mad Max"-Regisseur George Miller genauso sieht, wird man erst wissen, wenn auf der Bühne des Festival-Palais die Namen verlesen werden.

Wertung. In der Kritiker-Wertung des Cannes-Wettbewerbs im Filmmagazin „Screen International" gab es dieses Jahr zwei Superlative. Noch nie wurde ein Film so hoch eingestuft wie die Vater-Tochter-Tragikomödie "Toni Erdmann" (3,8 von vier möglichen Punkten). Und noch nie fiel ein Film so gnadenlos durch wie "The Last Face", die neue Regie-Arbeit von Hollywood-Star Sean Penn (0,2 von vier Punkten).

Sean Penn schickte seinen Film, eine ungewöhnliche Mischung aus Bürgerkriegs-Melodram und Love Story, erst am Freitag Abend ins Rennen - wie üblich hat das Festival einige große Namen für den Schluss des Wettbewerbs aufgehoben. Große Namen zieren auch die Besetzungsliste von "The Last Face". Javier Bardem und Charlize Theron spielen zwei Ärzte, die in Bürgerkriegs-Regionen in Afrika humanitäre Hilfe leisten - und die sich mitten in all dem Leid heftig ineinander verlieben.

Regisseur Sean Penn kennt keine Zurückhaltung vor großen Gefühlen. "The Last Face" ist ein elegant gefilmtes Melodram, das immer wieder Abstecher zu Schmalz und Kitsch einlegt. Und genau das kam bei vielen Kritikern schlecht an. Dennoch erscheint die Vollvernichtung des Films bei "Screen International" übertrieben. "The Last Face" ist halt ein typischer Hollywood-Film, der aber sehr ernsthaft Stellung gegen den Kriegswahnsinn in einigen Ländern Afrikas bezieht.

Verhoeven. Als allerletzter Film des Wettbewerbs ging am Samstag der erotische Thriller "Elle" an den Start. Regie-Altmeister Paul Verhoeven ("Basic Instinct") wird für den spannungsgeladenen und sehr unmoralischen Film zwar kaum die Goldene Palme gewinnen. Aber seine Hauptdarstellerin Isabelle Huppert ist eine ernsthafte Kandidatin für die Silberne Palme der besten Schauspielerin.

Huppert agiert absolut grandios als steinreiche Besitzerin einer Videospiel-Firma, die ihre zahlreichen Macken kultiviert und erotischen Affären nie abgeneigt ist. Nur ein Sex-Erlebnis sprengt alle Grenzen. Die Frau, Michèle, wird in ihrer Villa von einem maskierten Mann überfallen und vergewaltigt. Zur Polizei gehen mag sie nicht. Also macht sie sich selbst auf die Spur, um den Vergewaltiger zu überführen.

Als atemloser Thriller voll schwarzem Humor funktioniert "Elle" perfekt. Warum dann keine großen Chancen auf Gold in Cannes?  Weil die Preise, wie bei allen großen Festivals,  meist an die Regisseure von cineastische Produktionen gehen.

Goldene Palme. Als Anwärter auf die Goldene Palme werden neben Maren Ade, der Regisseurin von "Toni Erdmann", vor allem Filmemacher wie Christi Puiu und Christian Mungiu (beide Rumänien), Asghar Farhadi (Iran), oder Kleber Filho Mendonca (Brasilien) genannt, die gesellschaftlich relevante Themen in feine Filmkunst umsetzten. Auch der Däne Nicolas Winding Refn, der sein inhaltsleeres Sex-Horror-Stück "The Neon Demon" in sensationelle Bilder hüllte, ist für einen Preis gut.

Höchstens Außenseiter-Chancen werden einigen renommierten Filmemachern zugebilligt, deren aktuelle Produktionen nicht an ihre Meisterwerke aus früherer Zeit heranreichen. Regie-Stars wie Jim Jarmusch ("Paterson"), Xavier Dolan ("It’s Only The End Of The World") oder Olivier Assayas ("Personal Shopper") zeigten sich in Cannes weit von ihrer Bestform entfernt.

Gunther Baumann, Cannes

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