Szene

Bitterböse Abrechnung mit legendärem Sportskandal

Dreifach Oscar-nominiertes Biopic über die berühmt-berüchtigte Eiskunstläuferin Tonya Harding.

Heute Redaktion
Teilen
Picture

Hart ist der Konkurrenzkampf im Spitzensport und wird nicht selten abseits des athletischen Kräftemessens entschieden. Talent, eiserner Wille und Durchsetzungsvermögen reichen nicht aus. Zu den zahlreichen anderen bestimmenden Faktoren kann etwa auch die Rückendeckung der Medien zählen.

Genau darum geht es im neuesten Werk des Sportlerdrama-erfahrenen Regisseurs Craig Gillespie ("Million Dollar Arm"). Basierend auf einem der größten Skandale der Sportgeschichte dreht sich "I, Tonya" um die Frage: Wie wird ein Champion gemacht?

Böses Redneck-Mädchen

Es gibt Sportarten, in denen Rüpel und Badboys nicht nur toleriert werden, sondern tatsächlich erwünscht sind. Eiskunstlauf gehört nicht dazu. Hier verlangt es den Preisrichtern nach grazilen Damen mit Manieren und elitärem Stilbewusstsein.

Die junge Tonya (Margot Robbie) passt nicht in dieses Schema. Sie ist zwar ein Jahrhunderttalent auf Kufen, aber auch "Poor White Trash" aus der Unterschicht, der mit Flüchen um sich wirft und seine Wettbewerbskostüme selbst nähen muss. Erst prügelt Tonyas tyrannische Mutter LaVona (Allison Janney), später ihr unterbelichteter Ehemann Jeff (Sebastian Stan) auf sie ein.

Höhenflug und tiefer Fall

Tonya schafft es zwar trotzdem, als erste US-Amerikanerin einen dreifachen Axel in einem Turnier zu stehen, sie holt sich die nationale Meisterschaft, einen Vizeweltmeistertitel und einen vierten Platz bei Olympia, doch dann geht es bergab.

Über seinen Kumpel Shawn (Paul Walter Hauser), seines Zeichens Tonyas Bodyguard, heuert Jeff zwei Schläger an, die Nancy Kerrigan (Caitlin Carver), die direkte Konkurrentin seiner Frau, mit Drohbriefen aus der Fassung bringen sollen. Stattdessen attackieren sie die Athletin mit einer Eisenstange, verletzen sie am Knie und holen sie damit kurzzeitig vom Eis.

Das FBI benötigt nur wenige Tage, um den Angriff zu Jeff zurückzuverfolgen. Die Indizien deuten darauf hin, dass Tonya in den perfiden Plan eingeweiht war. Ein gefundenes Fressen für die Medien, die Tonya zur Schurkin hochstilisieren und mit dem prognostizierten Showdown zwischen ihr und Kerrigan (im Rahmen der Winterspiele 1994) Quoten machen.

Drama als Komödie

Hardings Story klingt nach Drama pur. Gerade deshalb war es die richtige Entscheidung, sie als schwarzhumorige Komödie zu verfilmen. Dadurch lässt die persönliche Komponente der System- beziehungsweise Gesellschaftskritik den Vortritt; selbst die widerwärtigsten Figuren erhalten dank bitterbösen Pointen einen Sympathiebonus und entgehen so einem vorschnellen Urteil.

Schon beim Weltwirtschaftskrisenfilm "The Big Short" (2015) funktionierte das hervorragend. "I, Tonya" orientiert sich an seinem Stil, soll heißen er durchbricht regelmäßig die vierte Wand, verweist auf die fiktive Natur der gezeigten Ereignisse, bedient sich zugleich aber dokumentarischer Elemente. Im Trailer sah das noch zum Brüllen komisch aus, der fertige Film animiert aber vor allem zum beklemmenden Mitleiden.

Margot Robbie und Allison Janey spielen großartig und haben sich ihre Oscar-Nominierungen mehr als verdient. Darüber hinaus tritt "I, Tonya" auch in der Kategorie Filmschnitt bei den Academy Awards am 4. März an ("Heute.at" tickert live).