Coronavirus

"Ich arbeite auf Corona-Station, nun habe ich Burn-out"

Laura (24) ist Pflegefachfrau in der Schweiz und betreut seit dem Ausbruch der Pandemie Covid-19-Patienten. Seit zwei Wochen ist sie arbeitsunfähig.

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Laura liebt ihren Job, Pflegefachfrau zu sein, aber die Arbeit auf einer Corona-Station verlangt viel von ihr ab.
Laura liebt ihren Job, Pflegefachfrau zu sein, aber die Arbeit auf einer Corona-Station verlangt viel von ihr ab.
privat / 20 Minuten

"In den letzten Tagen bin ich nur im Bett gelegen. Selbst Essen zuzubereiten, kostet mich zu viel Kraft. Ständig habe ich die Bilder von der Corona-Station vor Augen: Corona-Patienten unter heftiger Atemnot und solche, die mir in ihren letzten Lebensstunden verzweifelt versuchen, etwas zu erzählen. Was hätte ich tun können, damit es den Patienten besser geht? Hätte ich deren Tod verhindern können? Diese Fragen kann ich nicht mehr abstellen.

"Heftiger als die erste Welle"

Es ist mehrmals vorgekommen, dass wir auf der Corona-Station bereits den Austritt oder Verlegungen von Covid-Patienten geplant hatten. Wir hatten sie als stabil eingeschätzt – doch plötzlich verschlechterte sich ihr Zustand wieder, sie kollabierten, konnten kaum mehr atmen, und wir konnten sie nur noch palliativ behandeln. Sie starben binnen 12 bis 24 Stunden. Die zweite Welle ist viel schlimmer als die erste: Innert zehn Tagen starben vier Corona-Patienten. Die Symptomatiken und die Krankheitsverläufe sind deutlich heftiger als in der ersten Welle. Ich komme gar nicht hinterher, alles zu verarbeiten, was ich im Spital erlebe. Es geht so schnell, und schon liegt der nächste Patient auf der Corona-Station im Sterben und muss von mir behandelt werden.

Bei der Arbeit stehe ich unter Dauerstress. Ich muss alles im Blick haben und zum Beispiel darauf achten, dass die Patienten keine Druckstellen von den Sauerstoffmasken oder dem langen Liegen bekommen. Sobald sich der Atem der Patienten verändert und diese mehr nach Luft ringen, muss ich die Ärzte rufen und Beatmungsmaschinen organisieren. Diese sind aber begrenzt. Viele Covid-19-Patienten möchten mit mir reden, weil sie Ängste haben. Doch ich habe als Pflegerin gar keine Zeit dafür. Das Zwischenmenschliche ist während der Pandemie völlig verloren gegangen.

"Ich konnte nicht mehr gut schlafen"

In den Sommermonaten zeigten einige meiner Kollegen schon erste Anzeichen von großer Erschöpfung und wurden krankgeschrieben. In der zweiten Welle war zeitweise die Hälfte meines Teams in Quarantäne, weil sie sich mit Corona infiziert hatten. Ich musste deswegen noch mehr arbeiten, und wir haben versucht, temporär Personal zu organisieren, um eine gute Pflegequalität zu gewährleisten.

Depressionen? Holen Sie sich Hilfe, es gibt sie.
Wenn Sie unter Depressionen oder Selbstmord-Gedanken leiden, dann kontaktieren Sie die Telefonseelsorge unter der Nummer 142 täglich 0-24 Uhr.

Vor einigen Wochen habe ich bemerkt, dass auch ich Probleme bekomme: Ich konnte nicht mehr gut schlafen, nicht mehr von der Arbeit abschalten und stand dauernd extrem unter Stress. Das Schlimmste ist für mich, nicht zu wissen, wie lange diese Situation anhält. Experten sprechen schon von einer dritten Welle, obwohl wir nicht einmal die zweite Welle im Griff haben. Ich habe Bundesrat Alain Berset einen Brief geschrieben, um auf die prekäre Lage der Pflegefachkräfte aufmerksam zu machen. Das Klatschen hat uns zwar Mut gegeben, doch Rechnungen können wir damit nicht bezahlen. Es sollte eine finanzielle Anerkennung geben oder eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen.

Ich bin mir nicht sicher, wie wir eine mögliche dritte Welle stemmen sollen, wenn schon jetzt viele Pflegepersonen keine Kraft mehr haben.

"Meine Mama habe ich seit März nur viermal gesehen"

Seit März habe ich meine sozialen Kontakte auf ein Minimum reduziert. Meine Mama habe ich nur viermal gesehen, meinen Vater ein bisschen öfter – aber stets draußen und mit Sicherheitsabstand. Die einzige Person, die ich seit der Pandemie regelmäßig treffe, ist mein bester Freund. Ich bin froh, dass er mich ernst nimmt und mir zuhört, wenn ich von der Arbeit erzähle.

Vor zwei Wochen ging es einfach nicht mehr. Meine Ärztin hat mich krankgeschrieben. Sie sagte, dass sie noch nie eine so erschöpfte junge Frau gesehen habe. Ich werde noch einige Zeit brauchen, um wieder so fit zu sein wie vor der Pandemie.

Inzwischen mache ich eine Therapie bei einer Psychologin. Ich versuche jeden Tag, für eineinhalb Stunden zu meinem Pferd zu gehen. Zum Reiten fehlt mir aber die Kraft. Es gibt noch immer Tage, an denen ich einfach nicht aus dem Bett komme. Inzwischen denke ich weniger an das, was ich während der Pandemie im Spital erlebt habe. Für alle Patienten, die während meiner Arbeitszeit verstorben sind, zünde ich regelmäßig Kerzen an, denke daran, was sie mir gesagt haben oder was ihnen wichtig war im Leben – das hilft mir bei meinem Trauerprozess, beim Loslassen und hoffentlich beim Überwinden meines Burn-outs."