Österreich

Ich bin der Gärtner am Dach vom Stephansdom!

Er zupft, schneidet und jätet in 65 Metern Höhe am Ostdach des Stephansturms: Martin Löbersorg "gartelt" im Auftrag des Herrn den Dom.

Heute Redaktion
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Bis zum Ende des Jahres 2017 soll das Dach des Hauptschiffes des Wiener Stephansdomes „saniert" sein: Denn jene Schindeln, die bei der Neudeckung des Domes im Jahr 1950 verwendet wurden, sind von Moosen, Flechten und sogar kleinen Weißfichten bewachsen. Wildwuchs am Dach mag' Dombaumeister Toni Faber gar nicht und deswegen wird jetzt gezupft, gejätet und sogar entwurzelt.

„Es is sauber warm!"

Martin Löbersorg aus Pollenstein (NÖ) ist der Chefgärtner am Dach des Stephansdoms, arbeitet in 65 Metern Höhe auf einer Schräge von 80 Grad, knapp unter der First. In Tagen wie diesen bei Temperaturen um die 37 Grad, weil der Wettergott derzeit gar nicht gnädig ist. „Es is' schon sauber warm do oben", sagt er im „Heute"-Gespräch, deshalb müsse auch man zwischen 12 und 14 Uhr vom Dach absteigen.

12.000 Quadratmeter Dachfläche

Gemeinsam mit drei Kollegen der Reinigungsfirma „Holzco.eu" – spezialisiert auf Fassaden und Dachsanierung im extremen Lagen – wird er bis Ende 2017 den weltberühmten Giebel auf Hochglanz bringen: „1000 Quadratmeter habe wir bereits gesäubert, 11.000 weitere sind sozusagen noch begrünt."

Das Dach des Stephansdoms

Der Dachstuhl ist eine rund 600 Tonnen schwere Stahlkonstruktion, die den Lärchenholz-Dachstuhl aus dem 15. Jahrhundert ersetzte, der 1945 zur Gänze abbrannte. Bei der Wiederinstandsetzung wurde zusätzlich vorab über den Gewölben eine Betondecke eingezogen (1946 über dem Langhaus mit dem leicht erhöhten Mittelschiff und 1948 über dem Chor), um einerseits bis zur Fertigstellung des Daches das Innere des Doms zu schützen und anderseits eine Arbeits- und Lagerfläche für den Wiederaufbau des Daches zu haben. Dieser Wiederaufbau, der weitgehendst in der gleichen Form des ursprünglichen Daches erfolgte, wurde mit November 1950 abgeschlossen

Gefahr von Absprengungen

Der Bewuchs muss vor allem deshalb entfernt werden, weil Wurzelwerk und Flugerde im Winter zu Absprengungen der Schindeln führen könnten. Durch die Dachluken seilen sich die Männer derzeit entlang der Ostseite des Doms ab und entfernen mit Spachteln, Messern und kleinen Sägen das „sakrale Unkraut".

Baumeister & Polier

Neben seinem professionellen Job ist der Dachgärtner aus Niederösterreich Mitarbeiter der Bergrettung des Landes, zudem Baumeister und Polier. Die Arbeit mitten in Wien am Dach des Doms gilt ihm als etwas besonderes. Und er fordert ganz uneigennützig ein Problemlösung: „Studenten der Uni für Bodenkultur entwickeln gerade eine Versiegelung ohne Chemie, die die Schindeln länger isolieren könnte."

Heimische Kulturgeschichte

Die Sanierung des Daches soll mit Ende des Jahres 2017 abgeschlossen sein. Dompfarrer Toni Faber über die sakrale Säuberung: „Dieses Dach ist ein Stück heimischer Kulturgeschichte, vor allem auch durch den Wiederaufbau nach dem Krieg." Patina ist in diesem Fall daher wohl reinstes Teufelswerk…