Österreich

"Ich bin Nichtraucher – und gegen das Rauchverbot"

Heute Redaktion
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Chefreporter Clemens Oistric: "Ich brauche keinen Gesetzgeber, der mir sagt, dass es Gesünderes gibt, als sich abends in einen verqualmten Raum zu setzen."
Chefreporter Clemens Oistric: "Ich brauche keinen Gesetzgeber, der mir sagt, dass es Gesünderes gibt, als sich abends in einen verqualmten Raum zu setzen."
Bild: heute.at

Am 1.11. ist endgültig Schluss mit Zigaretten und Shishas in Österreichs Lokalen. Das stört nicht nur schwere Raucher, sondern auch unseren Redakteur – Nichtraucher von Kindesbeinen an.

Vorneweg ein Bekenntnis: Ich habe in meinem Leben keine ganze Zigarette geraucht. Ich bin allerdings auch kein militanter Nichtraucher, was mutmaßlich an meinem Job im Journalismus liegt. Wenn ich mit Kollegen im Büro etwas besprechen möchte, gehe ich entweder ins Raucherkammerl und kläre dort alles rasch (präzise: eine Zigarettenlänge) am kurzen Dienstweg oder ich schreibe ein Mail, das dann drei Tage später – wenn sich alle Rauchschwaden längst gelegt haben – ungelesen gelöscht wird.

Raucherbereich oder alleine zuhause

Auch abends bewege ich mich regelmäßig im Dunst-Kreis, und zwar bei meinem Stammwirten, einem kleinen italienisch-türkischen Eissalon mit Alkoholausschank. Wenn ich dort bei einem G'spritzten die Mühen des Arbeitstages hinter mir lasse, zünden sich meine Freunde (viele von ihnen sind Journalisten, ich erwähnte ja meinen Job) natürlich auch eine Marlboro nach der anderen an. Ich habe mich damit gut abgefunden, schließlich habe ich ja die Wahl: Setzte ich mich mit meinen Raucher-Freunden in einen Raucher-Bereich (und wasche danach Gewand und Haare) oder setze ich mich als einziger Nichtraucher in meine Nichtraucher-Wohnung?

Raucher haben diese Wahl bald nicht mehr. Ab 1. November tritt in Österreichs Gastronomie ein striktes Rauchverbot in Kraft. In den letzten Wochen ist das Klima daher auch in meinem Stamm-Eissalon mit Alkoholausschank (das Eis ist hier jahreszeitgemäß längst nicht mehr der Top-Seller) frostiger geworden.

Da ist etwa der Bauarbeiter, der sein Whiskey-Cola genießt. Und dazu raucht.

Oder die durchtrainierte Fitness-Lady, die ihren Weißwein trinkt. Und dazu raucht.

Da ist der freundliche ältere Onkel, der an seinem Kirschsaft nuckelt. Und dazu raucht.

Und da ist eine meiner besten Freundinnen. Sie trinkt Campari-Orange (in einem hochkomplexen Mischverhältnis). Und raucht.

Meine Campari-Freundin, die ab November nicht mehr ausgehen will

Sie schenkte dem neuen Gesetz letztes Wochenende ordentlich ein. Ihre Worte kamen mit der Schärfe eines Rasiermessers daher. Die Conclusio brachte mich zum Nachdenken: Sie möchte ab 1. November nicht mehr ausgehen. "Wenn ich keine Zigarette mehr zur Melange oder zum Campari rauchen kann, interessiert mich das nicht mehr."

Kurz dachte ich über folgendes Argument nach: Aber man kann doch zum Rauchen vors Lokal gehen – wie in den USA oder in Italien. Klar kann man das. Aber entweder werden die gemütlichen Runden alle sieben Minuten (optimistisch geschätzt) zerrissen oder die Abende enden bei demnächst eiskalten Temperaturen vor der Türe. Italien, eine bekanntlich weniger rabiat temperierte Gegend, ist da klar im Vorteil. Wenn dort Menschen mit einem Glas in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand vor der Türe stehen, kommt der Hausherr mit einer Flasche Rotwein auf die Straße und trinkt mit. In Österreich, da bin ich mir als gelernter Wiener sicher, wird maximal eine Ladung brühend heißes Wasser von oben hinuntergeschüttet, wenn nach 22.00 Uhr auf der Gasse ein lustiges Wort gesprochen wird. Die Sperrstunde ist übrigens der einzige Zeitpunkt des Tages, an dem der Wiener pünktlich ist. Wehe aber dem, der sich dann nicht an die Regeln hält. Gesetz ist schließlich Gesetz.

Viele Kellner werden ihre dann rauchfreien Arbeitsplätze verlieren

Da sich niemand ständigen Polizeieinsätzen in der Freizeit hingeben wollen wird, wird das Rauchverbot auch zu einer sozialen Frage. Viele, wie meine Freundin mit dem hochkomplexen Campari-Mischverhältnis, werden nicht mehr unter Leute gehen. Sie werden in ihren Gemeindewohnungen drei (oder vier) G'spritzte trinken, dazu zwei Packerl Tschick rauchen und auf Facebook wütende Kommentare gegen Regierende und andere arme Teufel der Gesellschaft ins Netz blasen.

Aus Trotz bei geschlossenem Fenster.

Was also tun? Ich bin für vollen Nichtraucherschutz. Ohnehin redet aber keiner davon, die feinen Nichtraucherlokale oder Nichtraucherbereiche stilllegen zu wollen. Ich bin zudem für vollen Arbeitnehmerschutz. Keiner, der das nicht will, soll sich dem blauen Dunst aussetzen müssen. Aber dass alle "Espresso Susis" und Shishabars wegen irgendwelcher gerne zitierten Studien dicht machen müssen, ist nicht einzusehen.

Vor allem: Wo arbeiten die ab 1.11. rauchergeschützten Servierer, wenn ihr Arbeitgeber zusperren muss, weil sie von ihren Kunden wegen eines neuen Gesetzes abserviert wurden?

Es ist meine persönliche Freiheit, mich in verqualmte Lokale zu setzen

Österreich, seit jeher Heimat großer Kompromisse, war da schon einmal kreativer. Warum können sich Raucher nicht an der Bar ihr Getränk selbst holen und damit in ihren abgetrennten Raucherbereich gehen? Kein Arbeitnehmer müsste da alle fünf Minuten Qualm inhalieren. Warum kann mein Stammwirt (der mit dem italienisch-türkischen Eissalon, der die hochkomplexe Campari-Mischung so gut hinbekommt) nicht selbst entscheiden, ein Raucherlokal sein zu wollen? Er hat keine Angestellten. Und gönnt sich selbst zwei Packerl am Tag.

Ich denke, er braucht keinen Gesetzgeber, der ihm sagt, dass das ungesund ist. Und ich wiederum brauche keinen Gesetzgeber, der mir sagt, dass es Gesünderes gibt, als sich abends in einen verqualmten Raum zu setzen. Ich weiß das selber, entscheide mich aber dennoch mehrmals die Woche dafür. Es ist eine Entscheidung für gemütliche, entspannte Stunden mit meinen Freunden. Und für meine persönliche Freiheit, das Lokal meiner Wahl selbst aussuchen zu dürfen. Auch, wenn es als Nichtraucher ein Raucherlokal ist.

P.S.: Die Menschen dort haben mich deshalb noch nie erbost zur Rede gestellt. Und es hat nicht einmal ein Gesetz dafür gebraucht …