Österreich

Im Dienst verletzt, wegen Unzuverlässigkeit entlassen

Heute Redaktion
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Der ehemalige Müllaufleger der MA48 schildert gegenüber "Heute" sein Leid.
Der ehemalige Müllaufleger der MA48 schildert gegenüber "Heute" sein Leid.
Bild: Helmut Graf

Der ehemalige MA48-Mitarbeiter Gernot F. wurde 2016 im Dienst niedergeschlagen und verletzt. Im Krankenstand wurde er gekündigt, die MA48 erklärt warum.

Im September 2018 startete die FPÖ Wien eine Hotline, bei der Mitarbeiter der Stadt Wien Probleme mit ihrem Arbeitgeber melden können. Darunter war auch der ehemalige MA48-Mitarbeiter Gernot F. (50).

Rund 12 Jahre lang arbeitete F. als Müll-Aufleger bei der MA48. Zehn Jahre lange war er auf einer fixen Tour durch Penzing unterwegs. Wegen einer chronischen Bindehautentzündung musste er auf Anraten der Ärzte immer wieder in Krankenstand gehen. Dadurch verlor er seine Route, wurde ab 2015 als Springer in ganz Wien eingesetzt. Doch am 21. Juni 2016 änderte sich alles.

Während Außendienst von Passanten attackiert

An jenem Tag war Gernot F. auf einer "Biomülltour" beim Viktor-Adler-Markt in Favoriten unterwegs. "Zu meinen Aufgaben gehörte auch das Einweisen des Lenkers, das ist bei der MA48 verpflichtend. Die Müllwägen haben zwar eine Rückfahrkamera, aber aus Sicherheitsgründen fährt der Lader hinten mit", erzählt F. gegenüber "Heute".

Als der Müllwagen zurückstößt, bemerkt der Wiener eine Frau und einen Mann, die dicht hinter dem LKW mit einem Kinderwagen vorbeigingen. "Der Vater schaute auf sein Handy, haben den Müllwagen scheinbar nicht bemerkt. Daher habe ich sie gebeten wegzugehen", so Herr F.

Als das Elternpaar nicht reagiert, wiederholt Herr F. seine Bitte: "Ich bin dabei schon ein bisschen lauter geworden, aber ohne unfreundlich zu werden". Doch statt sich für die Warnung zu bedanken, attackierte der Vater den MA48-Mann. "Der Mann, offensichtlich ein Ausländer, schrie mich an 'Scheiß Österreicher, was willst du? Von dir lasse ich mir nichts sagen'. Ich habe mich dann umgedreht, um die Müllgefäße zu holen. Als ich dem Mann den Rücken zugedreht habe, spüre ich plötzlich, wie er mich attackiert. Er hat mich gegen den Kopf und in den Magen geschlagen, dann auch mit den Füßen getreten", erinnert sich F.

Blutverschmiert und benommen bleibt der Wiener auf der Straße liegen. Der Lenker des Müllwagens ruft die Rettung, der andere Kollege läuft dem Angreifer nach. Wenig später kommt auch die Polizei hinzu. "Ich habe noch mitbekommen, dass Passanten stehen geblieben sind, um mit dem Handy Fotos zu machen. Doch als die Polizei dann da war, waren plötzlich alle Zeugen weg", so Herr F.

Mit Nasenbeinbruch ins Spital eingeliefert

Herr F. erlitt eine Gehirnerschütterung sowie einen Nasenbeinbruch, musste im AKH Wien operiert werden. "Ich hatte danach monatelang Kopfschmerzen, konnte nicht mehr richtig schlafen. Dadurch kam auch noch eine Herzinsuffizienz dazu", erzählt der Wiener. Die Folge: Ein Jahr lang Krankenstand.

"Ich habe bei der Gewerkschaft darum gebeten, in den Innendienst versetzt zu werden, doch das war nicht möglich. Sie haben nur gesagt, wir brauchen dich nicht. Meinem Dienststellenleiter war es auch völlig egal, wie es mir geht, sie haben nur gefragt, wann ich wieder arbeiten komme. Ich wollte ja auch wieder arbeiten gehen, doch der Amtsarzt der KFA (Krankenfürsorgeanstalt der Bediensteten der Stadt Wien, Anm.) hat mir das nicht gestattet", so Herr F.

Ein Jahr Krankenstand, dann wegen Unzuverlässigkeit gekündigt

Um sich von seinen Verletzungen zu erholen, geht der Wiener auf Rehabilitation. Als er zurückkehrt, hat er die Kündigung auf dem Tisch. Grund: Wegen seines langen Krankenstandes sei er "unzuverlässig".

Mittlerweile hat Gernot F. die Branche gewechselt, ist nun als Maler und Anstreicher unterwegs. Die Folgen des Arbeitsunfalls spürt er aber noch immer: "Ich muss täglich zehn Tabletten nehmen. Geholfen hat mir nach dem Angriff niemand, ich musste für die Facharztbesuche und die Medikamente aus eigener Tasche aufkommen. Wenn ich nicht die Hilfe meiner Familie gehabt hätte, wäre ich dadurch wohl obdachlos geworden", so der Wiener.

Besonders verärgert ist Herr F., dass er für seinen unverschuldeten Dienstunfall nie eine Entschädigung oder Schmerzensgeld bekommen hat. "Stattdessen werde ich bestraft, weil ich angegriffen wurde".

FP-Vizebürgermeister Dominik Nepp zeigt sich empört: "Der Schutz der Mitarbeiter muss hier dringend verbessert werden. Es kann nicht sein, dass ein Mitarbeiter im Dienst verprügelt und dann am Ende noch von der Stadt Wien im Stich gelassen wird".

MA48-Chef: "Finden für jeden eine Lösung, aber er muss auch wollen"

Gegenüber "Heute" erzählt der Chef der MA48 Josef Thon die Geschichte etwas anders. Demnach hatte Herr F. schon früher lange Krankenstände gehabt, alleine im Jahr 2015 fehlte er laut der MA48 61 Tage. Zwischen dem Unfall im Juni 2016 und dem letzten Tag seines Dienstverhältnisses am 31. August 2017 sei er 436 Tage im Krankenstand gewesen.

"Wir haben uns mehrfach bemüht, mit Herrn F. zu sprechen. Wir haben ihm eine leichtere Tätigkeit, etwa als Portier angeboten, luden ihn wiederholt zu Gesprächen mit der Personalabteilung, um die weitere Vorgangsweise zu klären". Darauf habe Herr F. entweder nicht oder nur nach dem Versenden eines Einschreibens reagiert. "Auf die Frage, wann er denn wiederkomme, hat er geantwortet, er will zuerst auf Reha gehen", erzählt Thon.

Bezüglich einer Entschädigung für seinen Arbeitsunfall habe sich Herr F. in seiner Dienststelle überhaupt nicht gemeldet. "Das höre ich jetzt von Ihnen zum ersten Mal", so Thon gegenüber "Heute". "Wir haben eine sehr starke Personalstelle, bemühen uns wirklich um unsere Mitarbeiter und haben bisher noch für jeden eine Lösung gefunden. Allerdings muss das der betroffene Mitarbeiter auch wollen", so Thon. (lok)