Gesundheit

Immer mehr Junge leiden an Pornosucht - wegen Pandemie

Die Sucht nach Internetpornos wird zu einem immer größeren Problem - vor allem in Corona-Zeiten mit Homeoffice und wenig Freizeitmöglichkeiten.

Christine Scharfetter
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Sexsucht-Patienten werden immer jünger, schlagen Mediziner Alarm.
Sexsucht-Patienten werden immer jünger, schlagen Mediziner Alarm.
Getty Images/iStockphoto

Der Pornokonsum in der Bevölkerung steigt seit Jahren an. Ein Phänomen, dass sich durch alle Altersklassen zieht. Mittlerweile sind junge Menschen - vor allem Männer -  von der Sucht nach Sexfilmen im Internet besonders stark betroffen und können psychische Schäden davontragen, wie Suchtmediziner und Psychiater nun Alarm schlagen. Ein gesellschaftliches Problem, dass sich durch die Corona-Krise noch deutlich verschärfen könnte.

"Früher waren meine Patienten hauptsächlich Männer zwischen 40 und 50 Jahren, die zwei, drei gescheiterte Ehen und verschiedene Sexpartnerinnen hinter sich hatten und sich dann irgendwann fragten: Liegt es vielleicht an mir", sagte der Psychiater und Suchtmediziner Kornelius Roth-Schaeff, der sich seit vier Jahrzehnten mit dem Phänomen Sexsucht befasst, bei einer Online-Diskussionsveranstaltung des österreichischen Vereins "Safersurfing".

Superdroge aus dem Netz

"Aber in den letzten 20 Jahren wurden meine Patienten immer jünger. Das sind Digital Natives zwischen 25 und 30 Jahren, die manchmal schon vor der Pubertät im Internet mit Pornografie konfrontiert wurden." Laut Studien aus den USA und Schweden seien zwischen fünf und acht Prozent der Bevölkerung süchtig nach Internet-Pornos.

Nach Angaben des Suchtexperten Michael Musalek, langjähriger Ärztlicher Direktor des Anton-Proksch-Instituts in Wien, sind davon 75 Prozent Männer. Aus seiner Sicht haben Pornos "ein hohes Suchtpotenzial" und vergleicht sie eher mit Heroin als mit Alkohol. "Der entscheidende Punkt ist der sogenannte Kick", sagt er. Roth-Schaeff spricht sogar von einer "sexuellen Superdroge".

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    Instagram / Screenshot

    Orgasmusstörungen mit 20

    Die Münchner Neurologin und Psychotherapeutin Heike Melzer, deren jüngster Pornosucht-Patient gerade einmal 17 Jahre alt ist, sieht vor allem in der Entkopplung von Zwischenmenschlichkeit und Sexualität ein großes Problem: "Man benutzt den anderen als bloße Masturbationshilfe." Hinzu komme die übertriebene Darstellung von Sex im Darknet: "Was früher Hardcore war, ist heute Blümchensex."

    Vor allem junge Männer, die viel zu früh und viel zu ausufernd mit solchen Bildern konfrontiert wurden, würden heute bei ihr in der Praxis sitzen. 20-Jährige, die Sexualität in der analogen Welt kaum noch leben können, Orgasmusstörungen haben oder Viagra brauchen. "Die Pornoindustrie arbeitet mit der Pharmaindustrie Hand in Hand", sagt Melzer.

    "Grauenhafte Auswüchse"

    Und die Corona-Krise verschärfe dieses Problem aus ihrer Sicht: "Es ist viel gefährlicher, wenn von zu Hause aus gearbeitet wird, weil dann das soziale Korrektiv wegfällt und man vielleicht schon während der Arbeitszeit zwischendurch wieder auf die Pornos zurückgreift."

    Schon ohne soziale Isolation und die Konzentration auf das Digitale in der Corona-Krise bezeichnete der Präsident des Österreichischen Bundesverbandes für Psychotherapie, Peter Stippl, das Phänomen Internetpornografie mit dramatischen Worten: Es seien "grauenhaften Auswüchse". "Ganze Existenzen werden so gefährdet", sagte Stippl. "Es ist notwendig, dass man darauf gesellschaftlich und politisch reagiert."