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Immer mehr suchen Hilfe beim Wiener Frauen-Notruf

Heute Redaktion
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Die Zahl der Beratungen beim Frauen-Notruf steigt, im Vergleich zum Vorjahr um 6,5%. Mit einer Kampagne will die Stadt nun mit verharmlosenden Mythen aufräumen.

Der 24 Stunden-Frauennotruf verzeichnet einen deutlichen Anstieg. Alleine zwischen Jänner und Ende November 2019 berieten die Mitarbeiter 9.155 von Gewalt betroffene und bedrohte Frauen und Mädchen ab 14 Jahren, sowie deren Angehörige und Fachpersonen. Im Vergleich mit dem Beobachtungszeitraum vom Vorjahr sind das 572 Beratungen oder 6,5% mehr.

Durchschnittlich fanden im laufenden Jahr 2019 etwa 27 Beratungen täglich statt. 6.473 Beratungen wurden 2019 bisher telefonisch durchgeführt, 906 persönlich vor Ort in den Räumlichkeiten des Frauennotrufs und 1.776 per E-Mail.

"Das zeigt, wie wichtig es ist, immer wieder auf das Hilfsangebot der Stadt Wien hinzuweisen. Der 24-Stunden Frauennotruf bietet Frauen in einer Notsituation rasch und unbürokratisch Hilfe!", betont dazu Frauenstadträtin Kathrin Gaal (SPÖ).

Hier erhalten Gewaltbetroffene Hilfe

Bist du oder jemand aus deinem Umfeld von Gewalt betroffen? Dann lass dich beraten und hol dir Hilfe.

- Frauen-Helpline: 0800/222 555
- Rat auf Draht - Hilfe für Kinder & Jugendliche: 147
- Männerberatung Wien: 01/603 28 28

Im Fall von akuter Gewalt unbedingt die Polizei alarmieren: Tel. 133

Sexualisierte Gewalt als häufigstes Thema

Nach den bisherigen Zahlen des Jahres 2019 war sexualisierte Gewalt mit 37 Prozent das häufigste Beratungsthema. Mit 33 Prozent hat psychische Gewalt die körperliche Gewalt (mit 29 Prozent) als zweithäufigstes Beratungsthema abgelöst. Etwa ein Prozent entfiel 2019 bisher auf Themen wie K.O.-Mittel, FGM (Weibliche Genitalverstümmelung) und Zwangsheirat.

80 Prozent der Opfer kennen Gewalttäter, rund ein Viertel sind Partner oder Ex-Partner

Untersucht man die Fälle der sexualisierten Gewalt nach der Täter-Opfer-Beziehung (telefonische und persönliche Beratung durch den 24-Stunden Frauennotruf im Zeitraum von 1. Jänner bis 30. November 2019), zeigt sich, dass rund 80 Prozent der von Gewalt Betroffenen denjenigen kennen, der ihnen die Gewalt (etwa Vergewaltigung, sexuelle Nötigung oder sexuelle Belästigung) angetan hat.

In mehr als einem Viertel der Fälle handelt es sich dabei um den Partner oder Ex-Partner. In mehr als einem Fünftel der Fälle ist der Täter ein Bekannter oder Freund der von Gewalt Betroffenen, in einem weiteren Fünftel ist es ein flüchtig Bekannter (etwa die Bekanntschaft von einer Party).

Provokante Sujets sollen aufrütteln

Um dem offenbar steigenden Bedarf an Beratungen etwas entgegenzusetzen, startet Frauenstadträtin Gaal nun eine neue Bewusstseinskampagne. Unter dem Titel "Bilder von sexualisierter Gewalt? Lassen wir das nicht so stehen!" werden häufig genannte Ausreden und Rechtfertigungen für Gewalt aufgegriffen und richtiggestellt.

Die Bilder der Kampagne sind bewusst provokativ und sollen aufrütteln. Auf einem Bild ist etwa eine Frau zu sehen, die nur mit einem Leintuch bedeckt auf einem Bett liegt. Auf ihrem Rücken steht geschrieben: "Wir sind verheiratet. Da kann ich sie nehmen, wann ich will".

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"Die Bilder zeigen, dass Gewalt gegen Frauen oft verharmlost wird. Wichtig ist, dass Frauen, die sich bedroht fühlen, die in einer Notsituation sind oder Gewalt erfahren haben, wissen, wohin sie sich wenden können. Der 24-Stunden Frauennotruf ist rund um die Uhr da – rasch und unbürokratisch", unterstreicht Gaal.

Stadt will mit Kampagne mit Mythen aufräumen

Auch Aussagen wie "Kein Wunder, so wie sie immer angezogen ist", "Sie wollte ja, dass ich mitkomme" oder "…weil sie auch immer so viel trinkt" thematisiert die neue Kampagne des Frauenservice Wien. Damit sollen Zuschreibungen der Täter, die von außen auf die Frauen projiziert werden, aufgezeigt und als Gewalt verharmlosende Mythen entlarvt werden.

"Bei der Kampagne geht es uns darum, mit gesellschaftlich tief verankerten opferfeindlichen Einstellungen aufzuräumen. Wir müssen ein Klima schaffen, in dem gewaltbetroffene Frauen die Schuld nicht bei sich suchen und möglichst rasch Hilfe in Anspruch nehmen", betont Martina K. Steiner, stellvertretende Leiterin des 24-Stunden Frauennotrufs der Stadt Wien.

Freecards und Ausstellung in der Planungswerkstatt

Die Kampagne des Frauenservice Wien ruft alle Wienerinnen und Wiener dazu auf, das Wort für jene zu ergreifen, die ohnehin angegriffen wurden oder von Gewalt betroffen sind. Jede und jeder kann ein Zeichen setzen - und derartige Äußerungen nicht wortlos stehen lassen. Die Kampagne ruft dazu auf, das Hilfs- und Unterstützungsangebot der Stadt Wien anzunehmen.

Bis 12. Dezember werden Freecards der Kampagne in den Wiener Lokalen verteilt. Am 6. Dezember laden Mitarbeiterinnen des 24-Stunden-Frauennotrufs von 15 bis 17 Uhr Interessierte ein, sich in der Wiener Planungswerkstatt am Friedrich-Schmidt-Platz 9 (City) über ihre Arbeit und das Thema auszutauschen. Auch Plakate der aktuellen Kampagne sind dort ausgestellt.

Am 9. Dezember findet zwischen 14-16 Uhr in der Planungswerkstatt eine Diskussion mit dem Thema "Lassen wir das nicht so stehen!" statt. Auf dem Podium sitzen Birgitt Haller (Wissenschaftliche Leiterin, Institut für Konfliktforschung), Martina K. Steiner (stellvertretende Leiterin des 24-Stunden Frauennotrufs) und Andrea Brem (Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser). Um Anmeldung unter [email protected] wird ersucht.

Was kann jede und jeder einzelne tun?

Aber auch jede einzelne Wienerin und jeder Wiener kann zum Aufbrechen der alten Vorstellungen und Denkmuster beitragen. Etwa durch das bewusste Hinterfragen von Bildern und Einstellungen oder im Gespräch mit Freundinnen und Freunden.

Sinnvoll ist es auch, immer die Erreichbarkeit des 24-Stunden-Frauennotrufs parat zu haben. Die Expertinnen des 24-Stunden-Frauennotrufs sind rund um die Uhr für Anfragen da und beraten vertraulich, kostenlos und auf Wunsch anonym. Erreichbar sind sie unter der Telefonnummer 01/71719 oder online hier.