Politik

Immune Diplomaten: 1838 Anzeigen, keine Strafe

Heute Redaktion
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Rasen, falsch parken, Alkohol am Steuer - und das ohne Angst vor Strafen: Diplomaten haben aufgrund ihrer Immunität keine Strafverfolgung zu befürchten. Bußgelder werden zwar verhängt, müssen aber nicht bezahlt werden.

1.838 Anzeigen wegen Verkehrsübertretungen wurden im ersten Halbjahr dieses Jahres in Wien gegen Diplomaten erstattet, in 517 Fällen wurde das Verfahren im Schutz der Immunität abgebrochen. "Diplomaten begehen nicht alle Übertretungen straflos. In mehr als 70 Prozent der Fälle werden die Verfahren ganz normal geführt", sagte Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums.

In Summe wurden Diplomaten braver

Während die Polizei im ersten Halbjahr 2010 noch 3.275 Anzeigen gegen Diplomaten erstattet hat, ist die Zahl im Vergleichszeitraum 2012 um rund 56 Prozent (auf 1.838) gesunken. Gleichzeitig ist die Zahl der Verkehrsübertretungen insgesamt im gleichen Zeitraum in der Bundeshauptstadt um rund 35 Prozent gestiegen (von 97.400 im Jahr 2010 auf 131.250 im Jahr 2012).

Die häufigsten Vergehen: Schnellfahren, bei Rot über die Ampel, Sperrlinien nicht beachten, Telefonieren am Steuer bis hin zu Alkoholdelikten. Die meisten Anzeigen erfolgen über Radar, Section Control oder Rotlichüberwachung. Dabei sticht besonders die Section Control im Kaisermühlentunnel (der Weg zum und vom Vienna Inernational Center) hervor.

Rote oder blaue Karte?

Aufgrund des Wiener Übereinkommens über diplomatische Beziehungen unterliegen Diplomaten im Empfangsstaat nicht der Strafgerichtsbarkeit. Die Immunität befreit sie aber nicht von der Gerichtsbarkeit im Entsendestaat. Dabei gibt es aber einen feinen Unterschied. Ausnahmslos gilt die Immunität nur für jene Diplomaten mit roter Legitimationskarte.

Das betrifft etwa den Botschafter und seine Familie oder fixe Mitglieder von Organisationen wie UNO, IAEA etc. - für sie gilt der Schutz sowohl beruflich als auch privat. Den Status einer blauen Legitimationskarte haben die Angestellten der Botschaft, z.B. der Chauffeur des Botschafters. Für ihn gilt die Immunität nur beruflich, aber nicht privat.

Nach jeder Anzeige muss die Polizei zunächst mit dem Außenministerium abklären, ob es sich um einen Diplomaten mit roter oder blauer Legitimationskarte handelt. Hat die Person "blauen" Status, wird geprüft, ob ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit besteht oder ob die Anzeige in der Freizeit erfolgt ist.

70 Prozent zahlen trotzdem

Liegt Immunität vor, fragt die Behörde an, ob die Organisation oder der Staat auf den Einwand der Immunität verzichten möchte. Ist das der Fall, bezahlt der Diplomat seine Strafe. Grotesk: Wird beispielsweise ein Diplomat von einem Polizisten angehalten und möchte sein Organmandat bezahlen, darf er das gar nicht, weil er nicht der Strafgerichtsbarkeit unterliegt. Es fehle die gesetzliche Legitimation dafür - was viele, oft auch die Beamten, gar nicht wissen. Auf die Immunität kann nur die Organisation oder der Staat verzichten.

Laut Innenministerium wurden im ersten Halbjahr 2012 rund 70 Prozent der Verkehrsstrafen von den Diplomaten bezahlt bzw. die Verfahren ordnungsgemäß abgewickelt. Aus einer parlamentarischen Anfragebeantwortung aus dem Jahr 2011 geht hervor, dass 2010 in Österreich die meisten nicht bezahlten Strafzetteln der Russischen Föderation zuzuordnen waren, gefolgt von Kasachstan und China.