Österreich

Dutzende Frauen schwanger, weil Verhütungsspirale brach

Weil bei der Produktion eines Verhütungsmittels gepfuscht wurde, brach bei 750 Österreicherinnen eine eingesetzte Spirale ab. Manche wurden schwanger.

Christine Ziechert
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Ines K. (28) aus der Steiermark erwartet am 1. Juli ihr 1. Kind.
Ines K. (28) aus der Steiermark erwartet am 1. Juli ihr 1. Kind.
Sonja Orthaber

Wie "Heute"  im September 2020 berichtete, kann ein Produktionsfehler beim spanischen Spiralen-Hersteller Eurogine für einen Bruch von Kupfer- und Gold-Spiralen sorgen – österreichweit sind bereits 750 Frauen betroffen. Die abgebrochenen Seitenarme der Spiralen mussten teils operativ entfernt werden, dutzende Frauen wurden zudem schwanger.

Ines K. (28) ist eine davon: "Ich ließ mir 2017 eine Kupfer-Spirale einsetzen, war regelmäßig bei der Kontrolle. Ein Monat nach der letzten Untersuchung bei der Gynäkologin bekam ich meine Tage nicht. Ich machte einen Schwangerschaftstest, der positiv ausfiel", erzählt die Grafikerin aus der Steiermark.

Material von mehreren Chargen ist fehlerhaft

Beim Ultraschall zeigte sich: Die Spirale war gebrochen. "Ein Seitenarm konnte aus der Gebärmutter herausgeholt werden. Aber den anderen konnte meine Frauenärztin nicht finden. Vermutlich ging er ab, ohne, dass ich es gemerkt habe", meint Ines K. Nun erwartet die 28-Jährige am 1. Juli ein Mädchen: "Als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin, war ich im ersten Moment geschockt, aber dann habe ich mich gefreut."

Auch Tanja S. (Name geändert) ist schwanger, nachdem Ende Dezember 2020 ihre Gold-Spirale gebrochen war: "Ich war auf der Toilette, plötzlich hatte ich die Spirale in der Hand. Ein Seitenarm hat gefehlt", erzählt die deutsche Medizin-Studentin. Nach zwei positiven Schwangerschafts-Tests bestätigte ihre Frauenärztin, dass die 26-Jährige im heurigen September ein Kind erwartet: "Ich ließ mich über einen Abbruch beraten und habe dann recht lange überlegt. Letztendlich habe ich beschlossen, das Baby zu behalten", meint die 26-Jährige, die ihr fast beendetes Studium in Wien abbrechen musste und mittlerweile zu ihrem Lebensgefährten nach Deutschland gezogen ist. "Ich hätte gerne, dass der Hersteller endlich die Verantwortung übernimmt."

"Ich sah die Schwangerschaft als Wink des Schicksals" - Betroffene Daniela M. (41)

Als schicksalshafte Fügung sah Daniela M. (Name geändert) ihre Schwangerschaft: Die 41-Jährige hatte nach drei Kindern (heute 16, zwölf und fünf Jahre) mit der Familienplanung abgeschlossen, ließ sich 2015 eine Gold-Spirale einsetzen: "Im Sommer-Urlaub 2019 kam dann meine Periode nicht. Danach hatte ich einen Hexenschuss, das hat mich abgelenkt. Weil ich eine Schilddrüsen-Erkrankung habe, war es unwahrscheinlich, dass ich schwanger werde. Doch dann wurde die Schwangerschaft bestätigt", erzählt die gebürtige Wienerin, die nach Niederösterreich gezogen ist. 

"Ich hab geweint, war am Ende. Nach dem dritten Kind jetzt alles wieder von vorne. Aber schließlich habe ich es als Wink des Schicksals gesehen", meint die Krankenschwester. Erst als Daniela M. einen Bericht über die schadhaften Spiralen im Fernsehen sah, wurde ihr klar, was passiert war. Am 20. März 2020 kam ihr Sohn auf die Welt, eine Untersuchung ergab, dass die Spirale nicht mehr da war: "Die Ärzte meinten, sie ist definitiv nicht mehr im Unterleib", erinnert sich die 41-Jährige.

Dutzende Frauen wurden ungewollt schwanger

Doch nicht alle Frauen fanden sich mit der ungewollten Schwangerschaft ab, einige ließen einen Abbruch vornehmen: "Mein Partner und ich hatten keinen Kinderwunsch, wir haben uns bewusst dagegen entschieden, ansonsten hätte ich ja auch nicht verhütet", erzählt Anita K. (Name geändert) aus Graz.

Die 36-Jährige ließ sich 2015 eine Gold-Spirale einsetzen, weil sie die Kupfer-Variante nicht so gut vertragen hatte: "Im August 2017 setzte dann meine Monatsblutung aus, meine Frauenärztin meinte nur: 'Gratulation! Sie sind schwanger'", erinnert sich die Grafik-Designerin. "Die Spirale war einfach weg. Ich habe nichts davon gemerkt, hatte keine Schmerzen oder ähnliches", erklärt Anita K. 

"Ich habe die Abtreibung lange verdrängt" - Betroffene Melanie T. (22)

Auch die Tirolerin Melanie T. (Name geändert) entschied sich für eine Abtreibung: "Ich ließ mir im November 2017 eine Gold-Spirale setzen, hatte immer einen unregelmäßigen Zyklus. Kurz nach meinem 19. Geburtstag im Mai 2018 habe ich etwas gemerkt und zwei Schwangerschafts-Tests gemacht, die beide positiv waren", meint die Studentin. "Dann ließ ich beim einzigen Arzt in Tirol, der Abtreibungen durchführt, einen Schwangerschafts-Abbruch machen", erzählt die heute 22-Jährige. Ein traumatisches Erlebnis für Melanie T.: "Ich war gerade 19, hab mir das nie vorstellen können. Ich hab' das Thema lange verdrängt und dann in einer Therapie aufgearbeitet."

Erst im Sommer 2020 erfuhr sie durch Zufall von einer Freundin, die ebenfalls betroffen war, von den schadhaften Spiralen: "Ich erwarte mir, dass meine Kosten für die Spirale und die Abtreibung ersetzt werden. Die Eingriffe waren zudem eine Belastung, von denen ich seelische Schmerzen davon getragen habe", erklärt Melanie T.

750 Betroffene fordern Schadenersatz

Gemeinsam mit dem Verbraucherschutzverein (VSV) klagen nun 750 Betroffene in Österreich und Deutschland den spanischen Hersteller Eurogine auf Schadenersatz, da dieser bisher einen Vergleich ablehnte: "Die Höhe wird bei jedem Fall individuell festgelegt, je nachdem, ob etwa eine Abtreibung durchgeführt wurde bzw. wie viele Tage Schmerzen von einem Sachverständigen angerechnet werden. Das können 7.000 Euro, aber auch 15.000 Euro sein", erklärt VSV-Obmann Peter Kolba.

Weil das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) laut Kolba zu spät vor dem Materialfehler gewarnt hatte, werden auch Amtshaftungs-Ansprüche gegen die Republik Österreich geltend gemacht: "Die Produktwarnung vom Hersteller an die nationalen Behörden erfolgte bereits 2018. Doch das BASG warnte auf seiner Homepage erst im Oktober 2020 davor. Wenn die Warnung früher erfolgt wäre, hätten sich viele Frauen die Spirale gar nicht mehr einsetzen lassen", meint Kolba. Bereits am 15. Juni findet in Fürstenfeld (Stmk.) die erste Verhandlung mit einer Betroffenen, die eine private Rechtsschutzversicherung abgeschlossen hatte, statt.

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    Sven Hoppe / dpa / picturedesk.com