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Insider-Interview: "Papst gibt noch immer die Hand"

Corona hat die Welt verändert: Vatikan-Journalist Stefan von Kempis erzählt von dem etwas anderen Osterfest im Vatikan und, wie es dem Papst geht.

Heute Redaktion
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Inside Vatican: Ein Vatikan-Journalist erzählt, wie Corona das Osterfest im Vatikan trifft.
Inside Vatican: Ein Vatikan-Journalist erzählt, wie Corona das Osterfest im Vatikan trifft.
Bild: Reuters/privat

Weltweit sind nach Daten der Universität Johns Hopkins in Baltimore rund 95.000 Menschen infolge der von dem Coronavirus verursachten Lungenerkrankung Covid-19 gestorben.

Rund 1,6 Millionen Menschen sind mittlerweile mit dem Virus infiziert. 350.000 Menschen erholten sich bislang wieder von einer Infektion. Das Virus hat die Menschen und die Welt ganz klar verändert.

In der heiligen Woche und zum Höhepunkt der Osterfeierlichkeiten hat "Heute" mit dem Vatikan-Journalisten und Redaktionsleiter der deutschen Redaktion von Radio-Vatikan, Stefan von Kempis, gesprochen: Er berichtet, wie Corona den Zwergenstaat verändert hat.

Stefan von Kempis: "Alles ist anders"

Die Osterfeierlichkeiten im Vatikan sind dieses Jahr anders als sonst. Was genau wird denn anders sein? Wie werden die einzelnen Liturgien nun gefeiert werden?

"Alles ist anders. Der Petersplatz ist geschlossen, Rom ist menschenleer - normalerweise ist jetzt hier Hochsaison. Der Papst zelebriert im Petersdom, nicht draußen auf dem Platz; die Liturgie ist deutlich abgespeckt und auf das Wesentliche reduziert. Bei der Gründonnerstags-Liturgie zum Beispiel fiel die Fußwaschung weg - eigentlich sonst ein Lieblingsmoment von Papst Franziskus, der diesen Ritus in den letzten Jahren gerne in Gefängnissen gefeiert hat."

Wie geht der Papst mit diesen Veränderungen um?

"Er wirkt bedrückt und sehr ernst. In einem Interview hat er gesagt, er bete mehr als sonst und frage sich, was Gott uns mit dieser Krise sagen will. Und wie es nach dem Abflauen der Pandemie weitergehen wird, wirtschaftlich und sozial vor allem. Am 27. März hat Franziskus einen Sondersegen Urbi et Orbi an einem menschenleeren Petersplatz erteilt, in der Dämmerung, bei strömendem Regen - sicher eines der eindringlichsten Bilder dieses Pontifikats."

Gibt es historisch gesehen eine Zeit im Vatikan, wo es zu ähnlichen Szenarien gekommen ist?

"Alles schon mal dagewesen. Die Pest zum Beispiel hat in Rom immer wieder gewütet, zuletzt kurz vor dem Jahr 1700. Auch damals: geschlossene Kirchen, Verbot von Menschenansammlungen. Das Pestkreuz, das in den Kar- und Ostertagen im Vatikan im Einsatz war, wurde im 16. Jahrhundert bei einer anderen großen Pest mehrmals in Prozessionen durch die Straßen Roms getragen - bis die Epidemie auf einmal aufhörte."

Wie wurden der Papst in Zeiten von der Pest geschützt? Bekommt er derzeit einen besonderen Schutz?

"Angeblich ist Franziskus mehrmals auf Corona getestet worden - negativ. Es heißt, dass er nicht mehr im allgemeinen Eßsaal seiner Residenz Santa Marta im Vatikan ißt, sondern das Essen aufs Zimmer bekommt. Allerdings, bei Gästen will der Papst weiter nicht auf einen Händedruck verzichten. Dafür desinfiziert er sich gleich danach dann die Hände..."

Wie genau sehen denn die Sicherheitsbeschränkungen wegen Corona im Vatikan aus?

"Petersdom, Petersplatz und Vatikanische Museen sind für Besucher geschlossen. Die unverzichtbare Arbeit geht weiter, aber vorzugsweise im home-office. Supermarkt und Apotheke im Vatikan sind geöffnet, die Leute stehen Schlange und halten Abstand. Bei seinen Maßnahmen orientiert sich der Vatikan an dem, was Italien an Beschränkungen verhängt hat."

Ist die Sorge groß um den Papst? Wie geht es dem ehemaligen Papst Benedikt XVI.?

"Aus dem ehemaligen Kloster in den Vatikanischen Gärten, in dem Benedikt XVI. wohnt, ist zu hören, dass die Stimmung gut ist. Allerdings sind Besuche von außen, die früher regelmäßig kamen, jetzt ausgesetzt. Auf ein bisschen frische Luft in den Gärten muss der emeritierte Papst (der übrigens am 19. April vor genau 15 Jahren zum Papst gewählt wurde) weiterhin nicht verzichten. Besorgt ist man im Vatikan vor allem um die Gesundheit des amtierenden Papstes Franziskus. Ein Konklave jetzt, unter diesen Umständen - lauter ältere Herren in der Sixtina - das will sich angesichts der Corona-Pandemie im Moment keiner im Vatikan vorstellen."

Wie hat Corona den Vatikan im Allgemeinen verändert?



"An der Stimmung hat sich gar nicht mal so viel geändert. In dem einstmals so beschaulichen Vatikandörfchen ist im Moment mehr los als in der Stadt Rom drumherum..."

Gibt es für die vielen Mitarbeiter im Vatikan auch Home-Office?

"Ja natürlich. Der Palazzo von Radio Vatikan ist jetzt fast leer, die Vögel sind alle ausgeflogen ins home-office. Video-Konferenzen und das alles ist auch für den Vatikan eine neue Erfahrung - aber es klappt überraschend gut."

Merkt man, dass in diesen globalen Zeiten der Krise auch viele Menschen wieder zum Glauben zurückkehren?

"Die Frühmessen des Papstes aus seiner Kapelle im Vatikan werden jetzt immer im Live-Stream übertragen - und das Interesse daran ist gigantisch. Vor allem beim Facebook-Livestream gegen die Zuschauerzahlen durch die Decke. Also, ein neues Interesse ist sicher da - aber ob jetzt mehr Menschen wieder zum Glauben zurückkehren, das ist schwer zu sagen. Umkehr ist etwas sehr Individuelles, Persönliches. Und Angst - auch die Angst vor dem Virus - ist ein schlechter Ratgeber..."

Stefan von Kempis wurde 1970 in Bonn geboren; er war Schüler des von Jesuiten geleiteten "Aloisiuskollegs", studierte Geschichte, Theologie und Literaturwissenschaften in Bonn, Paris und Freiburg sowie Arabisch und Islamwissenschaften in Rom und Kairo. Seit 2001 arbeitet Kempis als Redakteur bei "Radio Vatikan" bzw. "Vatican News". Er hat mehrere Bücher über den Vatikan und das Papsttum veröffentlicht, ist mit einer Spanierin verheiratet und hat zwei Kinder.

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