Niederösterreicherin klagt

Iris (39) plötzlich schwanger, fällt aus allen Wolken

Bei Iris P. war die Verhütungsspirale schadhaft. Sie wurde dadurch ungewollt schwanger, bekam das Baby. Nun fordert sie Schadenersatz vom Hersteller.

Christine Ziechert
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Iris (39) plötzlich schwanger, fällt aus allen Wolken
VSV-Juristin Margit Sagel (l.) vertritt Iris P. bei ihrer Klage gegen Eurogine (Symbolbild).
iStock, Fotostudio Schreiner

Wie "Heute" als erstes Medium vor drei Jahren berichtete, brachen aufgrund eines Materialfehlers bei zahlreichen Verhütungsspiralen der spanischen Firma Eurogine Seitenarme ab, weil sie nach einiger Zeit spröde wurden. Betroffen sind mehrere Chargen aus den Jahren 2014 bis 2017. Bei einigen Frauen gingen die kaputten Spiralen von selbst ab, bei anderen mussten sie operativ entfernt werden. Zudem wurden Frauen (ungewollt) schwanger.

So erging es auch Iris P. (Name geändert) aus Niederösterreich. Die 39-Jährige hatte nach zwei Kindern (heute sieben und neun Jahre alt) die Familienplanung abgeschlossen, wollte nach jahrelangem Studium beruflich in ihrem fachspezifischen Bereich nun wieder voll durchstarten: "Die Kinder waren endlich groß genug. Deshalb bin ich zurück in meine Fach-Branche und hatte bereits einen passenden, gut dotierten Job angenommen", erzählt die Niederösterreicherin.

Ich war felsenfest der Meinung, dass meine Spirale dort ist, wo sie hingehört
Iris P. (39)
Mutter von drei Kindern

Doch es kam anders: Iris P. hatte sich 2016 bei ihrer Gynäkologin eine Gold-T-Spirale einsetzen lassen: "Im Bekanntenkreis gab es gute Erfahrungen damit, und ich habe gezielt nach einer hormonfreien Verhütungsvariante mit einfacher Handhabung gesucht." Die damals zweifache Mutter ging regelmäßig zur Kontrolle: "Ich war felsenfest der Meinung, dass meine Spirale dort ist, wo sie hingehört", berichtet sie im Gespräch mit "Heute".

Doch im Spätherbst 2019 blieb die Menstruation aus, Iris P. verspürte ein Ziehen in der Brust. Nach einem positiven Schwangerschaftstest bestätigte auch die Gynäkologin, dass die Niederösterreicherin ein Baby erwartet. Von der Spirale fehlte am Ultraschall jede Spur. "Die Schwangerschaft war für mich ein totaler Schock. Ich war fassungslos und bin aus allen Wolken gefallen", meint Iris P.

Schwangerschaft war große Belastung

Gemeinsam mit ihrem Mann besprach Iris P. die Situation. Nach wochenlangem Bangen und Zweifeln entschied sich das Paar schließlich, das Kind zu behalten: "Weil wir nicht Gott spielen und niemanden töten wollten. Wir haben geglaubt, wir schaffen es schon irgendwie", so die 39-Jährige.

Im Juli 2020 kam schließlich das dritte Baby der Niederösterreicherin zur Welt – mit einer leichten körperlichen Beeinträchtigung: "Mein Kind hat Probleme beim Gehen, benötigt täglich Bandagen und Einlagen", so Iris P. Für die 39-Jährige war die Zeit vor und nach der Geburt eine massive seelische Belastung – sie litt unter Depressionen, (Zukunfts-)Ängsten sowie Schlafstörungen. Zudem hatte sie Angst, dass sich die kaputte Spirale vielleicht doch noch im Körper befindet, und dem Baby und ihr Schaden zufügen könnte.

Ganz anders als bei meinen ersten beiden Kindern habe ich diese Schwangerschaft nie genießen können
Iris P.

"Ganz anders als bei meinen ersten beiden Kindern habe ich diese Schwangerschaft nie genießen können. Ich hatte den Gedanken, ob es nicht besser gewesen wäre, das Kind nicht zu bekommen, und habe mich geschämt, dass ich so etwas überhaupt denken kann." Iris P. entschloss sich, erst die Hilfe einer Lebensberaterin und später dann jene einer Psychotherapeutin in Anspruch nehmen.

Nachdem ihr im Herbst 2020 ein Artikel über die schadhaften Eurogine-Spiralen in die Hand gefallen war, hatte Iris P. einen Verdacht und fragte bei ihrer Gynäkologin nach: "Es hieß: 'Nein, Ihre Spirale ist nicht betroffen.'" Im Februar 2021 entdeckte sie dann erneut einen Zeitungsartikel und forschte über die am 28. September 2020 veröffentliche Sicherheitsinformation auf der Seite des Bundesamtes für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) die betroffenen Lotnummern der fehlerhaften Spiralen aus.

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    Gegen alle Widrigkeiten: In Vietnam kam am 30. Juni 2020 ein Baby mit einer "Spirale" in der Hand zur Welt. Eigentlich hätte das Verhütungsmittel eine Schwangerschaft verhindern sollen.
    Gegen alle Widrigkeiten: In Vietnam kam am 30. Juni 2020 ein Baby mit einer "Spirale" in der Hand zur Welt. Eigentlich hätte das Verhütungsmittel eine Schwangerschaft verhindern sollen.
    Screenshot Facebook

    Niederösterreicherin klagt auf fünfstelligen Betrag

    Als sie dann bei ihrer Gynäkologin nachfragte, stellte sich heraus, dass ihre Spirale sehr wohl betroffen war: "Ich habe gefragt: 'Warum wurde ich nicht informiert?' und die Antwort war: 'Es war egal, Sie waren ja eh schon schwanger'", erinnert sich die Dreifach-Mama.

    Über den Verbraucherschutzverein (VSV) und ausgestattet mit einer privaten Rechtsschutzversicherung reichte die 39-Jährige Klage gegen Eurogine (Produkthaftung) und die Republik Österreich (Amtshaftung) ein. Aufgrund der ungewollten Schwangerschaft (und der daraus resultierenden Geburt ihres Kindes) fordert Iris P. Schmerzensgeld, Unterhalt sowie Verdienstentgang. Insgesamt geht es um einen fünfstelligen Betrag.

    Oberster Gerichtshof lehnte bisher Klagen ab

    Wie die Chancen stehen, wird sich zeigen: Am 5. Oktober wurde das Verfahren am Wiener Landesgericht für Zivilrechtssachen wieder eröffnet. Bisher hatte der Oberste Gerichtshof (OGH) Klagen wegen Schadenersatz aufgrund einer sogenannten "wrongful conception" mit der Begründung abgelehnt, dass ein gesundes Kind bzw. dadurch ausgelöste Belastungen kein Schaden sei.

    Doch ein jüngster Fall aus Tirol gibt Hoffnung: Der OGH hatte diesen an das Berufungsgericht zurückverwiesen, da es noch einige Grundsatzfragen zu klären gibt. Zudem steht die Einschaltung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) im Raum. "Es ist unserer Anwältin Margit Sagel gelungen, beim OGH Zweifel an der bislang ablehnenden Judikatur bei einer 'wrongful conception' insbesondere im Hinblick auf die Produkthaftung des Herstellers zu wecken, wonach neben krankheitswertigen psychischen Beeinträchtigungen auch Vermögensschäden (Verdienstentgang) sehr wohl zu ersetzen wären", meint Daniela Holzinger, Obfrau des Verbraucherschutzvereines (VSV).

    Ich vertrete zahlreiche Frauen mit privater Rechtsschutzversicherung. 20 davon wurden schwanger, neun brachen die Schwangerschaft ab. Elf haben das Kind behalten und klagen nun Eurogine
    Margit Sagel
    Juristin, Verbraucherschutzverein

    Über 2.000 Betroffene haben sich bisher beim VSV gemeldet, über 100 Verfahren dazu sind anhängig. VSV-Juristin Sagel vertritt zahlreiche Frauen, die eine private Rechtsschutzversicherung abgeschlossen haben: "20 dieser Frauen wurden schwanger, davon brachen neun die Schwangerschaft ab. Elf Betroffene haben das Kind behalten und klagen nun Eurogine", so Sagel zu "Heute". Betroffene können sich an den Verbraucherschutzverein wenden.

    cz
    Akt.