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Israels Ex-Premier Ariel Sharon ist tot

Heute Redaktion
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Der frühere israelische Ministerpräsident Ariel Sharon ist nach jahrelangem Koma gestorben. Sharon hatte im Jänner 2006 einen Schlaganfall erlitten, seitdem lag er im Koma und wurde künstlich ernährt.

Ärzte hatten zuletzt von berichtet. Er wurde 85 Jahre alt. Die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas hat Ariel Sharon umgehend als Kriminellen bezeichnet und ihn nach seinem Tod zur Hölle gewünscht. "Scharon zählt zu denen, die Unglück über das palästinensische Volk gebracht hat", erklärte Hamas-Sprecher Salah al-Bardawil am Samstag in Gaza.

Aufbahrung und Staatsbegräbnis

Sharon wird am Monatag ein Staatsbegräbnis erhalten. Von diesem Sonntag an soll der Leichnam Medienberichten zufolge zunächst in der Knesset, dem Parlamentsgebäude in Jerusalem, aufgebahrt werden. Dort kann die Öffentlichkeit von Sharon Abschied nehmen. Sharon hatte gebeten, neben seiner zweiten, im Jahr 2000 gestorbenen Frau Lily auf einem Hügel bei seiner Farm im Süden Israels beerdigt zu werden.

Am 26. Februar 1928 als Sohn von weißrussischen Einwanderern nahe Tel Aviv geboren war Sharon von 2001 an fünf Jahre lang Regierungschef. Der als Kriegsheld verehrte Politiker und Ex-General setzte 2005 den einseitigen Rückzug aus dem Gazastreifen durch. Nach Streit mit den alten Weggefährten verließ Sharon den von ihm mitbegründeten rechtsorientierten Likud-Block und gründete 2005 die Partei der Mitte Kadima.

Siedlungspolitik

Der Verstorbene hat viele Wandlungen in seinem Leben vollzogen. Vom Bauern wurde er zum Soldaten, vom gefeierten Kriegshelden zum Friedenspolitiker. Nachdem er jahrzehntelang die israelischen Siedlungen in den besetzten palästinensischen Gebieten gefördert hatte, entschied er als erster Ministerpräsident Israels, einen Teil der Siedlungen wieder aufzugeben.

Palästinenseraufstand

Sharon prägte den Nahost-Konflikt von Beginn an und war an fünf Kriegen beteiligt. Einmal wurde er als Retter gefeiert, dann wieder als Schande der Nation angeprangert. Sein Leben war voller Überraschungen, von denen eine der größten die Wahl zum Ministerpräsidenten im Jahr 2001 war. Sharon war damals schon 73 Jahre alt. Seine erste Amtszeit war von der Niederschlagung des palästinensischen Aufstandes geprägt, die zweite vom Rückzug aus dem Gazastreifen.

Kurz vorm Wahlsieg ins Koma

Wenige Monate bevor er im Jänner 2006 ins Koma fiel stand er abermals am Scheideweg: Er verließ im November 2005 den konservativen Likud-Block, zu dessen Gründungsmitgliedern er zählte. Doch einen Frieden mit den Palästinensern und eine Festlegung der endgültigen Grenzen des Staates schienen ihm nur mit einer neuen, moderateren Partei durchsetzbar. Deswegen scharte er seine engsten Anhänger um sich und gründete mit ihnen die neue Partei Kadima (Vorwärts). Ein Sieg bei der Parlamentswahl im März 2006 schien Sharon sicher.

Lebenserhaltenden Geräte

Zum Jahreswechsel 2005/06 nahm Sharons Leben jedoch eine dramatische Wendung. Nachdem er schon am 18. Dezember einen leichten Hirnschlag erlitten hatte, fiel er am 4. Jänner nach einem schweren Schlaganfall ins Koma. Als Ursache wurde ein kleines Loch im Herzen (offenes Foramen ovale) ausgemacht, das durch eine Operation hätte geschlossen werden sollen. Die Ärzte vermuteten eine starke Hirnschädigung, es folgten Operationen. Aus diesem Koma sollte der ehemalige Ministerpräsident bis zu seinem Tod nicht mehr erwachen, bis zuletzt war er von lebenserhaltenden Geräten abhängig.

Formell blieb Sharon noch bis zum 11. April 2006 israelischer Regierungschef, bis er für dauerhaft amtsunfähig erklärt wurde. Ihm folgte sein Stellvertreter Ehud Olmert nach, der mit der Kadima-Partei die Parlamentswahl am 28. März gewann und eine Fortsetzung von Sharons Politik versprach.

Militärgenie und Bulldozer

Sharon, der in Israel "Arik" genannt wurde, war einer der charismatischsten und zugleich umstrittensten Politiker Israels. Er erwarb sich früh den Ruf, ein militärisches Genie zu sein. Als Soldat bestach er durch eine kühne Taktik, mitunter setzte er sich dabei auch über Befehle hinweg. Als Politiker wurde er als "der Bulldozer" von seinen Gegnern gefürchtet - auch vom langjährigen palästinensischen Präsidenten Yasser Arafat, den er jahrelang in Ramallah festsitzen ließ.

Sperrwall im Westjordanland

Seine Unnachgiebigkeit zeigte er aber auch beim Gaza-Rückzug, den er gegen erbitterten Widerstand seiner eigenen damaligen Likud-Partei durchsetzte. Beim Bau des Sperrwalls im Westjordanland, der palästinensische Selbstmordattentäter abhalten sollte, ließ er sich auch durch starke internationale Kritik nicht vom Kurs abbringen.

Sabra und Shatila

Sharon kam am 26. Februar 1928 als Kind russischer Einwanderer in der Bauerngemeinde Kfar Malal 15 Kilometer nördlich von Tel Aviv zur Welt. Schon mit 14 Jahren kämpfte er für einen israelischen Staat. Seinen größten Ruhm gewann er sich durch einen kühnen Vorstoß über den Suez-Kanal im Jahr 1973. Die Operation trug erheblich dazu bei, dass sich das Blatt des Nahost-Krieges wendete. Den Tiefpunkt seiner Karriere bildeten die Massaker in den palästinensischen Flüchtlingslagern Sabra und Shatila im Jahr 1982 in Beirut, die er als Verteidigungsminister zu verantworten hatte und deretwegen er damals zurücktreten musste.

Wüstenfarmer

Nicht zuletzt durch die populäre Unterstützung der Siedlerbewegung erwarb er sich seinen Ruf zurück und saß bald wieder im Kabinett. Nach der Niederlage des Likud bei der Wahl 1999 blieb Sharon Parlamentsabgeordneter, ohne Ministeramt konnte er aber auch mehr Zeit auf seiner Farm im Süden der Negev-Wüste verbringen.

Tempelbergbesuch

Doch als die Palästinenser nach den gescheiterten Friedensverhandlungen von Camp David im September 2000 die zweite Intifada ausriefen, kam erneut die Stunde des Bulldozers. Der zweifache Witwer erreichte einen überraschenden Wahlsieg, indem er durch einen Besuch des auch den Muslimen heiligen Tempelberges in Jerusalem Öl ins Feuer des Konfliktes goss.

Erst in seiner zweiten Amtszeit ab 2003 schien sich der einstige "Hardliner" zu wandeln, und eine historische Mission erfüllen zu wollen: Er bekannte sich zu einem palästinensischen Staat und bezeichnete die israelische Kontrolle über das Westjordanland und den Gaza-Streifen als Besatzung - ein Wort, das er bis dahin nie gebraucht hatte.