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Ist der schnellste Mann Europas doch nicht so schnell?

Bei einem No-Name-Meeting in den USA pulverisiert Alex Wilson gleich mehrere Rekorde. Wie sind die Fabelzeiten des Schweizer Sprinters zu erklären?

Heute Redaktion
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Alex Wilson
Alex Wilson
imago images/Geisser

9,84 Sekunden! Die Schweizer Sprint-Rakete Alex Wilson läuft bei einem Meeting in Atlanta so schnell wie nie ein Europäer zuvor. Und auch über 200 Meter (19,89) verbesserte Wilson am Sonntagabend seinen eigenen Schweizer Rekord deutlich. Doch hinter der Leistung stehen einige Fragezeichen.

Die Saison von Alex Wilson lief bislang sehr durchwachsen. Der Sprinter hatte mit Rückproblemen zu kämpfen und musste zwischenzeitlich eine Wettkampfpause einlegen. Bei der Schweizer Meisterschaft Ende Juni wird er hinter Silvan Wicki nur Zweiter und bleibt in 10,39 Sekunden klar über seinem Schweiz-Rekord aus dem Jahr 2019 (10,08).

Wilson musste gar um seine Olympia-Teilnahme über 100 Meter zittern. 10,38 Sekunden lautete seine bisherige Saisonbestzeit, die er am Sonntag aus dem nichts um über eine halbe Sekunde verbessert. Auch im Rennen über 200 Meter läuft der Basler plötzlich mehr als eine Sekunde schneller als noch zwei Wochen zuvor bei einem Meeting in Norwegen. Wie lässt sich Wilson Leistungsexplosion erklären?

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    Fakt ist, bei seinem Rekordlauf in Marietta nahe Atlanta hatte der Sprinter optimale Bedingungen. Rund 30 Grad, dazu optimale Rückenwindverhältnisse von 1,9 Metern pro Sekunde (2,0 m/s sind erlaubt). Alle anderen Faktoren sprechen dagegen überhaupt nicht für eine Rekordzeit. Wilson, der im Rahmen eines Trainingslagers am eher unbekannten Meeting teilnimmt, läuft in der Kategorie der über 30-Jährigen in einem alles andere als hochkarätigen Teilnehmerfeld. Während Wilson einen Europarekord aufstellt, wird einer seiner Konkurrenten dagegen mit einer Zeit von 12,12 Sekunden gestoppt. 

    In Frankreich beäugt man den neuen Europarekord, den Wilson dem Franzosen Jimmy Vicaut und dem Portugiesen Francis Obikwelu (9,86) entrissen hat, besonders kritisch. Die Sportzeitung "L’Équipe" stellt in Anbetracht seiner bisherigen Saisonleistungen Wilsons Rekord in Frage. Offenbar kursiere auf Social Media die Theorie, dass der Schweizer einen Frühstart hingelegt haben soll. Ein Startkontrollsystem habe es beim Meeting aufgrund der kleinen Größe nicht gegeben.

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      Kritik gibts auch von Trainer-Guru Rana Reider, der neben Leichtathletik-Größen wie Christian Taylor, Dafne Schippers und Ex-Europarekordhalter Jimmy Vicaut auch schon kurzeitig Mujinga Kambundji coachte. Auf Twitter schreibt der US-Amerikaner unter einem Tweet über Wilsons Fabelzeit: "Wir wissen zu 100 Prozent, dass das nicht echt ist."

      Auch im Team von Alex Wilson ist man von der Fabelzeit etwas überrascht. "Direkt nach dem Rennen dachte Alex, dass er vielleicht 10,10 Sekunden oder bestenfalls 10,00 gelaufen ist, aber niemals so schnell, wie es auf der Anzeigetafel im Stadion und in den Ranglisten zu lesen war", sagt Wilsons Berater und Freund Andreas Hediger am Montag der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

      Er stelle sich die selben Fragen wie nun die Journalisten. "Der Athlet sah sich selber nicht in so guter Form, auch wenn er sich gut vorbereitet hatte. Aber auf dem Ergebniszettel stehen 9,84 Sekunden über die 100 Meter und 19,89 Sekunden über die 200 Meter", meint Hediger. Auch Wilson soll nach seinem Lauf bei den Offiziellen nachgefragt haben, ob die Zeit wirklich stimme.

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        (Bild: GEPA-pictures.com)