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Italien taumelt nach Wahl ins Chaos

Heute Redaktion
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Bild: Reuters

Italien droht nach der Parlamentswahl die Unregierbarkeit nach griechischem Vorbild. Die Wahl endete mit einem politischen Patt. Damit schickten die Italiener den Euro auf Talfahrt. Die Mitte-Links-Allianz bekam die meisten Stimmen, der überraschend starke Silvio Berlusconi wurde Zweiter. Auch Komiker Beppe Grillo mischte kräftig mit.

Das Wahlergebnis in Italien hat sich sofort im Euro-Kurs niedergeschlagen. Der Euro hat sich am Dienstag nicht von seinen massiven Kursverlusten vom Vortag erholen können und ist weiter ins Minus geraten. Die Sorge um eine politische Blockade in Italien setzt der Gemeinschaftswährung zu. In der Früh stand der Euro bei 1,3050 US-Dollar. Am Montagvormittag hatte er noch fast drei Cent mehr gekostet.

Bersani knapp in der Überzahl

Die Mitte-Links-Allianz um Pierluigi Bersani gelang es, die Mehrheit in der Abgeordnetenkammer (29,5 Prozent) zu erreichen, jedoch nicht im Senat (31,6 Prozent). Eine stabile Regierung ist aber nur möglich, wenn eines der Lager die Mehrheit in beiden Kammern erringt. Bersanis Block brachte angesichts des sich abzeichnenden Patts Neuwahlen ins Gespräch und sprach von einem Rückschlag für den Euro. Die Börsen drehten nach anfänglichen Gewinnen ins Minus.

Silvio Berlusconi kam in der Abgeordnetenkammer auf 29,18 und wurde damit knapp dahinter Zweiter, im Senat erreichte er 30,7 Prozent. Da die Mandate im Senat entsprechend der Einwohnerzahl verteilt werden, ergaben sich laut Hochrechnungen für Berlusconis Lager 115 Sitze, auf Bersanis Bündnis entfallen 120 Senatoren. Damit dürfte Berlusconi sein Ziel erreicht haben, eine mögliche linke Regierung zu lähmen.

Eigentlicher Gewinner ist der Komiker Beppe Grillo, für dessen Protestbewegung fast jeder fünfte Italiener votierte. Im Senat holte die "Fünf Sterne-Bewegung" aus dem Stand über 23,8 Prozent. In der Kammer kam sie auf 25,55 Prozent und zieht als stärkste Einzelpartei in die Abgeordnetenkammer ein. "In dreieinhalb Jahren sind wir zur absolut stärksten Partei im Land aufgerückt", erklärte der Kabarettist stolz.

Wahlverlierer Monti besorgt

Italiens scheidender Premier Mario Monti zeigte sich wegen der Gefahr der Unregierbarkeit in seinem Land besorgt. "Italien muss eine Regierung garantiert werden. Es ist noch zu früh, um an Lösungen zu denken, wir stehen vor einer gravierenden Verantwortung", erklärte der 69-Jährige. Italien brauche eine tragfähige Regierung und nicht ein Kabinett, das nur zu überleben versuche, sagte Monti, der mit einem Zentrumsblock an der zweitägigen Parlamentswahl teilnahm.

Montis Zentrumsblock geht als klarer Verlierer aus den Wahlen hervor. Das Bündnis gemäßigter Parteien schaffte es in der Abgeordnetenkammer auf 10,56 Prozent, im Senat auf 9,1 Prozent. Das liegt unter den Erwartungen des Wirtschaftsprofessors, der auf rund zwölf Prozent gehofft hatte.

EU-Parlaments-Chef: "Droht erneut eine Phase der Unsicherheit"

Der Präsident des Europäischen Parlaments Martin Schulz warnt vor einer langsamen Rückkehr der Eurokrise. Die Pattsituation im Senat erfordere Gesprächsbereitschaft der Parteien, um das Land weiter regieren zu können, sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk am Dienstag. "Wenn das nicht der Fall ist, dann droht ganz sicher erneut eine Phase der Unsicherheit, die wir ja gerade einigermaßen überwunden hatten." 

Der EU-Parlamentspräsident nannte es "phänomenal", wie der frühere Regierungschef Silvio Berlusconi sich immer wieder selbst neu erfinde und im Wahlkampf so tun könne, als hätte er Italien nie regiert.

Wahlbeteiligung bei 75 Prozent

An der Parlamentswahl haben sich weniger Menschen beteiligt als 2008. Rund drei Viertel der Wahlberechtigten gaben am Sonntag und Montag ihre Stimme ab. Die Wahlbeteiligung betrug in der Abgeordnetenkammer 75,2 Prozent und im Senat 75,1 Prozent, teilte das Innenministerium mit. Das sind 5,7 Prozent weniger als bei den Parlamentswahlen im Jahr 2008, damals gingen noch über 80 Prozent wählen.

Innenministerin Annamaria Cancellieri erklärte, das System der Stimmenzählung habe gut funktioniert. Die Zählungsprozeduren seien effizient abgewickelt worden. Sie übte Kritik am Wahlsystem, das die Zersplitterung der italienischen Parteienlandschaft noch mehr verschärfe.

APA/red

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