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Jetzt soll Trump-Vize Pence die Wahl stehlen

In Georgia sorgen die wegweisenden Stichwahlen für enorme Spannung. Aber auch die Hauptstadt Washington wappnet sich am Mittwoch für viel Aufregung.

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Trump will seine verheerende Niederlage nicht eingestehen.
Trump will seine verheerende Niederlage nicht eingestehen.
Reuters

Die Nation, ja fast die ganze Welt schaut auf den US-Bundesstaat Georgia mit seinen wegweisenden Stichwahlen. Die Demokraten haben einen ersten Etappensieg errungen, doch das Rennen bleibt weiterhin äußerst knapp. US-Medien halten sich noch mit Prognosen zum Ausgang zurück – unter anderem, weil bis Freitag noch mehrere tausend Stimmen von im Ausland stationierten US-Militärangehörigen eintreffen können.

Spannend wird es aber nicht nur im Pfirsichstaat. In Washington D.C. kommt es am Mittwoch auch zum wohl letzten großen Showdown im Gezerre um den Ausgang der Präsidentenwahl. Bei einer gemeinsamen Sitzung von Repräsentantenhaus und Senat sollte das Wahlergebnis endgültig bestätigt werden. Doch zahlreiche republikanische Abgeordnete und Senatoren planen – angetrieben durch Betrugsbehauptungen Trumps – eine Störaktion, die für parteiinterne Verwerfungen sorgt und die formalen Abläufe erheblich in die Länge ziehen dürfte, vielleicht sogar bis in den Donnerstag hinein.

Wieso die Störaktion dennoch keine Aussicht darauf hat, etwas am Wahlausgang zu ändern, wieso in Washington dennoch die Angst umgeht und wieso Trumps Vizepräsident Mike Pence jetzt ganz besonders unter Druck steht – nachzulesen im Kurzinterview mit dem USA-Experten Thomas Jäger von der Universität Köln.

In Georgia liegen die Demokraten knapp in Führung. Dabei lagen in der Nacht noch die Republikaner vorne. Befeuert das die Anhänger Trumps und einiger Republikaner in der Behauptung, die Wahlen seien gestohlen?

Es ist dasselbe Muster wie bei den Präsidentschaftswahlen. Da lag auch Trump vorne, schien Georgia zu gewinnen und am Ende hatte Joe Biden mehr Stimmen. Da fast achtzig Prozent der republikanischen Wählerschaft in Georgia meint, die Präsidentschaftswahlen seien gestohlen worden, werden sie die sich abzeichnenden Wahlausgänge in dieser Ansicht bestärken. Ein Ergebnis wird schon als sicher gemeldet: Der Demokrat Warnock schlägt die Republikanerin Loeffler mit 1,2 Prozent Vorsprung. Das andere Ergebnis wird womöglich noch knapper ausfallen. Bei solch knappen Ergebnissen werden die Verschwörungsfantasien, die Trump propagiert, aufrechterhalten.

Heute will Trump vor Anhängern in der Hauptstadt auftreten, kurz bevor im Kongress die Stimmen der Wahlmänner zertifiziert werden. Aber selbst bei diesem formalen Akt sind Störungen vorprogrammiert. Was erwarten Sie, was heute in Washington alles passiert?

Es wird ein gespaltenes Bild sein. Zum einen wird die Wahl von Joe Biden zum nächsten Präsidenten nun auch im Kongress festgestellt. Zum anderen wird die Geschichte vom Wahlbetrug von Trump und seinen Anhängern propagiert. Die zwei Welten der amerikanischen Politik prallen aufeinander: Die Realwelt und die Parallelwelt sind soweit auseinander, dass es keine Verbindungen zwischen ihnen gibt. Die entscheidende Frage ist, ob es gewaltlos zu- und hergehen wird. Oder ob Trump seine Anhänger noch heftiger zum Zorn aufwiegelt, weil ihm jetzt alle Wege versperrt sind, sich im Amt zu halten.

Trumps Vize Mike Pence soll heute besonders unter Druck stehen. Können Sie erklären, wieso?

Der Vizepräsident sitzt der Auszählung der Stimmen aus dem Electoral College vor, denn er ist ja gleichzeitig auch Präsident des Senats. Eigentlich ist das eine eher notarielle Aufgabe, die nach dem letzten Präsidentschaftswahlen nicht länger als zwanzig Minuten in Anspruch nahm. Präsident Trump aber erwartet vom Vizepräsidenten, dass er einige Stimmen, deren Wahlergebnis nicht von den Parlamenten der Bundesstaaten zertifiziert wurde, für ungültig erklärt und den Zertifizierungsprozess an die Bundesstaaten zurückverweist. Es werden deshalb auch Abgeordnete und Senatoren Einspruch erheben und parallel eine zehntägige Untersuchung der Wahlvorgänge fordern. Trump will, dass Pence das durchsetzt.

Und könnte Pence das durchsetzen?

Dazu fehlen ihm die Kompetenzen. Denn über alle Anträge werden die beiden Kammern des Kongresses abstimmen und schon jetzt steht fest, dass es für diese Ansinnen keine Mehrheiten gibt. Mike Pence muss es gelingen, sowohl seiner verfassungsmäßigen Rolle als auch seiner Loyalität zu Trump gerecht zu werden, will er seine weiteren politischen Ambitionen nicht beschädigen.

Thomas Jäger ist Professor für internationale Politik und Außenpolitik an der Uni Köln. Er gehört er dem wissenschaftlichen Direktorium des Instituts für Europäische Politik und dem wissenschaftlichen Beirat des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der deutschen Bundeswehr an. Ferner ist er Herausgeber der Zeitschrift für Außen- und Sicherheitspolitik (ZfAS) und der Buchreihe Globale Gesellschaft und internationale Beziehungen.

    Joe Biden ist der 46. Präsident der USA
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