"Order! Order!" – immer wieder unterbricht John Bercow mit seinem Ordnungsruf die Debatten im Unterhaus. Wobei er leicht variiert: Der Ruf kann sich auch wie "Oooorder!" oder "Ordeeeer!" anhören. Gemeint ist in beiden Fällen: "Kusch, und zwar sofort".
Oft garniert er seinen Standard-Spruch mit humorvoll-bestimmten Aufforderungen zur Ruhe. Dann ruft er die Abgeordneten zu Zen und Yoga auf. Solche Auftritte sind typisch für ihn. Bercow ist eine Autorität. "Löwe von Westminster" wird er manchmal genannt.
Der kleinwüchsige Sohn eines jüdischen Londoner Taxifahrers hat sein Außenseitertum von Kindesbeinen an durch unerschütterlichen Glauben an die eigene Bedeutung kompensiert. Wahrscheinlich, weil er aus dem Wahlkreis der "Eisernen Lady" Margaret Thatcher kommt.
Wenn er eine Ministerin oder einen ungehobelten Zwischenrufer zurechtweist und dabei stets zu besonders ausgefallenen Formulierungen greift, wirkt Bercow (55) wie ein Dirigent, der sich über den Klang des Orchesters ärgert.
Einer seiner schönsten Auszucker, dokumentiert von der BBC:
Auch inhaltlich hatte der konservative Politiker mit dem Hang zu bunten Krawatten Sternstunden. Etwa als er Nigel Dodds, den Chef der Nordirischen Democratic Ulster Party (DUP), mit ausgesuchter Höflichkeit aus dem Parlament warf. Dodds hatte einem Abgeordneten vorgeworfen, "vorsätzlich Falsches" von sich zu geben. Sprecher Bercow wollte diese Unterstellung nicht hinnehmen.
Legendär ist auch, wie Bercow den damaligen Außenminister Boris Johnson minutenlang heruntermachte, weil dieser eine Abgeordnete mit dem Titel ihres Mannes angesprochen hatte ("I'm not having it in this chamber!"). Oder Ex-Premier David Cameron, weil dieser einen Abgeordneten als Schummler bezeichnet hatte. Das sei "frankly unparliamentary", schimpfte der Sprecher, der ein exzellenter Tennis-Spieler ist.
In seiner fast zehnjährigen Amtszeit hat der 1997 als Konservativer ins Parlament gekommene Politiker aber auch ein überfälliges Reformprogramm angestoßen. Minister müssen sich viel häufiger als früher für ihre Entscheidungen im Parlament rechtfertigen.
Pikanterweise ist Bercow ein EU-Fan. Auf dem Auto, mit dem er ins Parlament kommt, pickt ein Sticker mit dem Slogan "Brexit ist Schwachsinn" ("Bollocks to Brexit"). Wütende Konservative zogen deshalb über Bercow her. Der Sprecher bügelte seine Kritiker elegant ab: Bei dem Fahrzeug handle es sich "um das Auto meiner Frau. Und er wird doch nicht behaupten wollen, die Frau sei lediglich Anhängsel des Mannes?" Der bekennende Feminist hat drei Kinder mit seiner Frau Sally. (GP)