Filmfest Cannes: Am Donnerstag jubelten die Fans keinem Film-, sondern einem Rockstar zu. Iggy Pop kam zur Premiere der Doku "Gimme Danger", die Jim Jarmusch über ihn gedreht hat. Für Jarmusch war der laute Musikfilm, der außer Konkurrenz lief, gleich der zweite Auftritt beim Festival. Mit der sehr leisen Film-Elegie "Paterson" ist der Kult-Regisseur auch im Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten.
: Am Donnerstag jubelten die Fans keinem Film-, sondern einem Rockstar zu. Iggy Pop kam zur Premiere der Doku "Gimme Danger", die Jim Jarmusch über ihn gedreht hat. Für Jarmusch war der laute Musikfilm, der außer Konkurrenz lief, gleich der zweite Auftritt beim Festival. Mit der sehr leisen Film-Elegie "Paterson" ist der Kult-Regisseur auch im Wettbewerb um die Goldene Palme vertreten.
Gimme Danger. Iggy Pop und die Stooges: Für Jim Jarmusch sind diese Wegbereiter von Punk und Alternative Rock die beste Rockband der Welt. Das teilt er den Zuschauern gleich zu Beginn von „Gimme Danger“ mit. Bei seinem Filmporträt des heute 69jährigen Iggy Pop (der eigentlich James Newell Osterberg heißt) hat es sich Jarmusch allerdings sehr leicht gemacht.
Der Regisseur setzt Iggy Pop auf einen Sessel - und er lässt ihn erzählen. Chronologisch. Vom Beginn der Stooges um 1967 bis ins neue Millenium. Iggy Pops Berichte werden durch Bühnen-Clips der Band unterbrochen und gelegentlich auch durch Statements der anderen Stooges-Musiker (so weit sie noch leben) oder weiterer Wegbegleiter.
Da Jim Jarmusch darauf verzichtet, dem Film durch Themenwechsel und andere Überraschungsmomente seinen Stempel aufzudrücken, liegt es einzig an Iggy Pop, wie spannend die Erzählungen wirken. Manchmal ist das sehr witzig, etwa dann, denn wenn der Star von seinem ersten Absprung als Stagediver berichtet: "Die Leute fingen mich nicht auf, sondern sie wichen zurück. Ich stürzte auf den Boden. Das kostete mich einen Vorderzahn."
Doch solche Pointen sind selten. Iggy Pops Geschichten über Sex & Drugs & Rock'n'Roll folgen dem schlichten Motto: erst geschah das und danach geschah das. Natürlich sind die Berichte für Rockfans interessant. Filmisch wirkt "Gimme Danger" aber wie eine routiniert abgespulte Arbeit, die mit möglichst geringem Aufwand abgeschlossen werden sollte. Vergleicht man den Iggy-Pop-Film mit tollen neuen Musik-Dokus wie ) oder "Janis" (über Janis Joplin ) so schaut Jim Jarmuschs Werk sehr bescheiden aus.
) namens Paterson dabei zu, wie er durch die Kleinstadt Paterson gondelt. In seiner freien Zeit schreibt der Mann Lyrik oder er genießt die zuckersüße Zweisamkeit mit seiner zuckersüßen Freundin Laura (Golshifteh Farahani).
Es vergehen 75 Minuten, bis in "Paterson" zum ersten Mal etwas passiert (dem Bus stirbt der Motor ab). Jim Jarmusch bricht ganz bewusst die wichtigste Grundregel der Filmdramaturgie, die da lautet, Konflikt ist Drama. Seine vor Harmonie nur so bebende Alltags- und Lyrik-Elegie mag feinsinnige Betrachter als besinnliches Film-Feuilleton begeistern. Für alle anderen liefert "Paterson" nur pure Langeweile.
nur knapp die Goldene Palme verfehlte, schickte diesmal die Familientragödie "It’s Only The End Of The World" ins Rennen - einen Film, der vor Hysterie, Pathos und Kitsch nur so kracht.
Das Drama handelt von einem Mann, der nach zwölf Jahren Abwesenheit erstmals zu seiner Mutter und seinen Geschwistern zurückkehrt. Er will sich verabschieden, denn er ist unheilbar krank. Doch daheim gerät er in eine so heillos zerstrittene Familie, dass er gar nicht wirklich zu Wort kommt. Alle sind nur damit beschäftigt, brüllend und keifend ihr eigenes Elend zu verkünden.
Dolan holte einen tollen Cast vor die Kamera, dem Stars wie Marion Cotillard und Léa Seydoux, Vincent Cassel und Gaspard Ulliel angehören. Die Elite-Mimen bringen den Zuschauer allerdings nicht durch subtiles Spiel zum Staunen, sondern höchstens dadurch, dass sie ihre Texte den ganzen Film lang in höchster Lautstärke heraushauen.
Die absurdeste Idee von Xavier Dolan ist es, eine Kuckucksuhr als Running Gag zu verwenden - sie soll wohl das Ablaufen der Lebensuhr versinnbildlichen. Wenn aber zu Filmschluss der Kuckuck davonfliegt, anstatt die Stunde anzusagen, und nach ausgiebigem Geflatter scheintot auf dem Teppich liegt - dann ist die Grenze vom überschmalzten Drama zur unfreiwilligen Satire weit überschritten. Die Publikumsreaktion: Ein bisschen Beifall - und vernehmliche Buhs.
Gunther Baumann, Cannes
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