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"Judgment" ist ein Muss-Thriller auch auf Next-Gen

Schon die Standard-Version von "Judgment" hat für viel Lob, aber auch Aufsehen gesorgt. Auf Next-Gen-Konsolen wird der Thriller endgültig zum Muss.

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    Als Spieler übernimmt man die Rolle von Privatdetektiv Takayuki Yagami. Drei Jahre vor den Geschehnissen in "Judgment" hat dieser seinen alten Job als Anwalt an den Nagel gehängt.
    Als Spieler übernimmt man die Rolle von Privatdetektiv Takayuki Yagami. Drei Jahre vor den Geschehnissen in "Judgment" hat dieser seinen alten Job als Anwalt an den Nagel gehängt.
    Sega

    "Any promotion is good promotion", heißt es im Fachjargon, jede PR ist gute PR. Deshalb dürfte "Judgment" davon profitiert haben, dass ein Schauspieler des Action-Games im Frühling 2019 wegen Kokainbesitzes inhaftiert wurde und Sega vorübergehend den Verkauf des Titels in Japan stoppte. Tatsächlich aber hat das Action-Adventure solche PR nicht nötig. Das Spiel aus dem Hause der "Yakuza"-Macher Ryu Ga Gotoku überzeugt mit einer düsteren Atmosphäre, packenden Charakteren und einer spannenden Story.

    Im direkten Vergleich verläuft die Handlung direkter als bei der "Yakuza"-Reihe und ist auch für Europäer problemlos verständlich. Als Spieler übernimmt man die Rolle von Privatdetektiv Takayuki Yagami. Drei Jahre vor den Geschehnissen in "Judgement" hat dieser seinen alten Job als Anwalt an den Nagel gehängt. Nun gerät er an einen neuen Fall: Er soll Beweise für die Unschuld eines Yakuza-Captains sammeln, der beschuldigt wird, ein Serienmörder zu sein. Der hats auf Yakuza-Mitglieder abgesehen und sticht seinen Opfern per Eispickel die Augen aus.

    Sollte in jeder Bestenliste stehen

    Der Captain scheint zwar unschuldig zu sein, gleichzeitig scheint er aber auch etwas über den Mörder zu verschweigen. Im Laufe ihrer Ermittlungen gerät Yagami nicht nur in einen Krieg zwischen verfeindeten Clans. Er merkt auch, dass ihm immer wieder Steine in den Weg gelegt werden. Es liegt nun an ihm, die Wahrheit ans Licht zu bringen. "Judgment" bietet neben einem erstklassigen Krimi-Gameplay ein durchaus abwechslungsreiches Kampfsystem, das nicht nur Fans von "Yakuza" begeistern wird. Ein Top-Thriller, der es auch ohne Drogenschlagzeilen in jeder Bestenliste stehen sollte.

    Genau wie in "Yakuza" kann man sich auch in "Judgment" verlieren. Denn wer vom linearen Handlungspfad abweicht, findet sich in einem Vergnügungsviertel voller Prügeleien, Nebenmissionen und Minispielen wie Poker und Drohnen-Rennen wieder, die einen stundenlang fesseln. Das tun übrigens auch die ungewöhnlich langen und aufwendigen Videosequenzen. Rund 40 bis 50 Stunden ist man so beschäftigt, bis man am Ende des Abenteuers angelangt ist – wenn man sich nicht zu sehr den vielen Ablenkungen gewidmet hat. Im Vergleich zur "Yakuza"-Serie wird hier übrigens mehr ermittelt statt verprügelt.

    Langsamer Start, rasantes Ende

    Nur langsam kommt "Judgment" wirklich in die Gänge und zeigt erst spät, was es alles zu bieten hat, nämlich dann, wenn sich die Spielwelt öffnet und man freieren Zugang zu allen Örtlichkeiten hat. Geduld ist also gefragt, um wirklich zu erleben, wie großartig das Game ist. Etwas mehr hätte allerdings noch die Ermittlungsarbeit bieten dürfen, denn dabei klickt man sich nur durch Beweise oder Personen, bis man das richtige Puzzle-Stück gefunden hat. So hakt man nach und nach die Anforderungen in einer Liste ab und manövriert sich dann durch Dialoge, was die Handlung vorantreibt.

    Auch die Dialogoptionen, auf Englisch erstklassig vertont und mit deutschen Untertiteln, haben nicht so viel Auswirkungen, wie es uns das Spiel weismachen will, denn allzu oft landet man – egal ob provozierend oder beruhigend – in den unausweichlichen Kämpfen. In den Details aber weiß "Judgment" zu begeistern: Mit Nebenmissionen schafft man sich Freunde, die die Spielfigur dann auf der Straße grüßen und ihn stärken, oder aber man kann beim Herumlungern an belebten Orten Gesprächsfetzen auffangen, die sich dann in Verhören oder Befragungen als nützlich erweisen können.

    Wer Geld braucht, der muss arbeiten

    Was für die Überwachungsarbeit benötigt wird, nämlich Gesundheitsstärkungen und Drohnen, muss aus gesammelten teilen, die in der Spielwelt verstreut liegen, zusammengebastelt werden. Wer dagegen Shoppen gehen will – auch für eine Flirt-Partnerin –, der muss sich das Geld dazu hart mit Arbeit verdienen. Schön: Diese Jobs kommen als Nebenmissionen im Spiel vor und haben kleine Handlungsstränge, was sie nicht zu einer Abarbeitungs-Aufgabe verkommen lässt. Alternativ kann auch versucht werden, hohe Summen in Glücksspiel-Turnieren zu gewinnen. 

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    Auch in Kämpfen zeigen sich Besonderheiten des Spiels, die man so nur von wenigen Action-Games kennt. Typisch ist zwar das Freischalten neuer Fähigkeiten und das Aufleveln der Stärke durch Erfahrungspunkte, neu ist aber etwa die Investition in die Skills. Das Spiel organisiert dies als Art Ideenwettbewerb, bei dem die Hauptfigur Geld in jene Vorhaben steckt, die ihm nützen könnten. Je mehr investiert wird, umso schneller schaltet sich die neue Fähigkeit frei. Außerdem kann Takayuki nicht nur Gesundheit in seinem Lebensbalken verlieren, sondern dieser durch Schüsse und Angriffe geschrumpft werden. Die Figur erleidet also realistischerweise dauerhafte Verletzungen, die von einem Arzt behandelt werden müssen.

    Spuren von Realismus und tolle Kämpfe

    Apropos realistisch: Natürlich überzeichnet das Spiel in japanischer Tradition Handlung, Figuren und Dialoge, dennoch findet sich vieles, das das Spiel von anderen Genre-Vertretern abhebt. So müssen bestimmte Areale über Türen mit jeweils dem richtigen Schlüssel am Schlüsselbund geöffnet werden. Oder aber unser Charakter macht bei Kämpfen zu viel Krawall und wird, ist er nicht schnell genug, von der Polizei in die Zelle geworfen. Auch geprügelt wird nicht blindlings, die Kämpfe erfordern den Einsatz von Taktik, Ausweichen, Abwehr und Konter. Vollends realistisch kann und will "Judgment" aber nicht sein.

    Ja, es gibt viel Kritik, aber umso mehr Lob am Titel. Und weil neben den Kritikern auch die Fans begeistert waren, haben Sega und die Ryu Ga Gotoku Studio "Judgment" nun auch als Art "Remaster" für die Next-Gen-Konsolen PlayStation 5 und Xbox Series X veröffentlicht. Dabei hat sich vor allem grafisch etwas getan: Es gibt es ganz neues Beleuchtungssystem, das vor allem im sowieso bunten Vergnügungsviertel der Spielstadt voll zu tragen kommt. Die Grafik ist zudem gestochen scharf und Animationen laufen mit 60 Bildern pro Sekunde butterweich über den Bildschirm.

    Ein Muss-Thriller auch auf Next-Gen

    Toll umgesetzt wurde auch die Unterstützung des neuen DualSense-Controllers auf der PlayStation 5. Bei Kampf-Treffen wird man nun ordentlich durchgeschüttelt und fühlen sich von uns ausgeteilt weit kraftvoller an. Inhaltlich gibt es alle bislang veröffentlichten DLCs des Originals obendrauf. Ein großer Vorteil zeigt sich in der Next-Gen-Version auch bei den Ladezeiten: Da das Spiel relativ oft Ladebildschirme anzeigt, verkürzt sich die Wartezeit in der neuen Version gewaltig. Die Verbesserungen sind insgesamt zwar nicht bahnbrechend, vor allem die neue Grafik sorgt aber für Begeisterung.

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    Deswegen das Fazit: "Judgment" ist ein Muss-Thriller auch auf Next-Gen. Egal ob Original oder Next-Gen-Remaster-Version: "Judgment" ist ein Pflichtspiel für alle Action-Fans und für "Yakuza"-Kenner sowieso. Das eigentlich lineare Abenteuer lockt wie kaum ein anderes Videospiel abseits der "Yakuza"-Reihe mit tatsächlich lustigen Nebenaufgaben und Minispielen, lässt selbst Sammeltätigkeiten spannend erscheinen und lässt trotz kleiner Makel viel Eigenständiges und Innovatives durchblitzen. Dazu gibt es auch noch stundenlange kinoreife Videosequenzen obendrauf.