Welt

Juncker muss gehen, aber wer folgt ihm nach?

In Brüssel geht es heute um die Juncker-Nachfolge. Drei Kandidaten wollen den Job, das Rennen ist völlig offen.

Heute Redaktion
Teilen
Picture

Als am Montag das Ergebnis der Europawahl endgültig feststand, begannen im Europaparlament die Verhandlungen um die Nachfolge des scheidenden EU-Kommissionschefs Jean-Claude Juncker. Der Luxemburger hatte den Job seit 2014.

Koalitionen, wie man sie im österreichischen Parlament kennt, gibt es im Europaparlament nicht. Es hat aber immer Absprachen zwischen den pro-europäischen Fraktionen gegeben, wenn es um politische Inhalte und die Besetzung von Posten ging. Am wichtigsten ist der Top-Job an der Spitze der EU-Kommission, der für fünf Jahre nominiert wird, sowie der des Parlamentspräsidenten, der für zweieinhalb Jahre gewählt wird. Auch um den Chefsessel in der Europäischen Zentralbank wird bereits gerangelt.

Bisher war es üblich, dass die stärkste Fraktion im 751 Sitze zählenden EU-Parlament den Kommissionschef stellt. Doch das gilt offenbar nicht mehr. Erstmals seit 1979 verfügen Sozial- und Christdemokraten über keine absolute Mehrheit im Europaparlament. Die Mehrheit von 376 Sitzen wird nur erreicht, wenn mindestens drei pro-europäische Fraktionen an einem Strang ziehen. Also sind Liberale und Grüne heftig umworben.

Die liberale Margrethe Vestager

Zu denen, die sich unmittelbar nach Bekanntgabe der ersten Europawahl-Ergebnisse schon am Sonntag beim Rennen um den EU-Chefposten in Stellung brachten, gehört die Dänin Margrethe Vestager. Die EU-Wettbewerbskommissarin hatte sich mit Verfahren gegen US-Konzerne wie Google oder Apple einen Namen gemacht. Ihre Wahl sei allerdings eine „knifflige Angelegenheit", meinte die Pfarrerstochter aus Westjütland.

Der christlich-soziale Manfred Weber

Auch Manfred Weber, Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), hat bereits seinen Anspruch angemeldet. Er weiß, dass er es nicht leicht haben wird: "Ich habe kein Gefühl des Sieges", sagte Weber nach der Wahl. Kein Wunder: Die deutsche CDU/CSU bekam bei der Wahl eine ordentliche Abreibung verpasst. Aber: Die EVP sei stärkste Kraft geworden, er sei Garant für "Stabilität".

Der sozialdemokratische Frans Timmermans

Der Niederländer Frans Timmermans, der mit den Europäischen Sozialdemokraten ebenfalls herbe Verluste einstecken musste, strebt ebenfalls den Job als Kommissions-Chef an. Er kündigte "eine Koalition der Progressiven" an, die sich auf ein Programm zu Klimaschutz, sozialer Gerechtigkeit und fairen Steuern einigen soll.

Natürlich haben auch die Staats- und Regierungschefs der EU ein Wörtchen mitzureden. Sie treffen einander heute Abend in Brüssel zum informellen Abendessen und wollen erste Weichen für die Personalauswahl stellen.

Macron zieht die Fäden

Besonders Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron wirft seine Netze aus. Er sprach mit den Kollegen aus Polen, Ungarn, der Slowakei und Tschechien, mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel und Ratspräsident Donald Tusk. Macron versucht, auf Regierungsebene eine sozial-liberal-grüne Allianz gegen Weber und die EVP zu schmieden. Als Macrons Favoritin für den Posten an der Kommissionsspitze galt lange Zeit die Liberale Margrethe Vestager. Zuletzt aber hatte er auffällig Michel Barnier gelobt, den Chefverhandler der EU für den Brexit, einen Konservativen.

Manfred Weber hat noch ein Handicap zu tragen: Er verlor mit Sebastian Kurz einen seiner stärksten Unterstützer. Der ist nicht mehr Regierungschef.

(red)