Politik

Kanzler traf Orban nach Skandalsager – nur 2 Fragen erl

Viktor Orban war am Donnerstag zu Gast bei Bundeskanzler Karl Nehammer in Wien. Zu Mittag hielten sie eine gemeinsame Pressekonferenz.

Nicolas Kubrak
Am Donnerstag fand in Wien eine gemeinsame Pressekonferenz mit Ungarns Viktor Orban und Österreichs Karl Nehammer statt.
Am Donnerstag fand in Wien eine gemeinsame Pressekonferenz mit Ungarns Viktor Orban und Österreichs Karl Nehammer statt.
GEORG HOCHMUTH / APA / picturedesk.com

Der Besuch des ungarischen Premiers in Österreich schlug hohe Wellen. Nachdem er in der Früh im Hotel Bristol in der Wiener Innenstadt eintraf, empfing ihn Karl Nehammer am Vormittag – begleitet von einem Pfeifkonzert und Buhrufen der vor Ort versammelten Demonstranten. Die anschließend für 12.15 Uhr angesetzte Pressekonferenz startete mit etwa 25 Minuten Verspätung.

"Enges Zeitkorsett" – Nur zwei Fragen bei PK erlaubt

Bevor die Pressekonferenz überhaupt begann, hatte das Bundeskanzleramt offenbar schon vorher entschieden, wie die Fragerunde im Anschluss aussehen sollte: Nur zwei Fragen waren erlaubt, eine vom ORF und eine vom ungarischen Staatsfernsehen. Grund dafür war "ein enges Zeitkorsett", wie das Kanzleramt die Entscheidung begründete. Im Netz sorgte diese Idee für Unverständnis: "So schaut die Pressefreiheit in einer illiberalen Demokratie (Anm.: Eine Idee Orbans, (Meinungs)-Freiheit nicht für alle in der Politik geltend zu machen) aus.", "Das ist nur mehr peinlich" oder "Ein Kniefall vor Orban", sind nur einige Beispiele.

"Lieber Viktor" – Nehammer lobt wirtschaftliche Beziehungen

Um zirka 12.40 Uhr traten Nehammer und Orban dann vor die Presse. "Lieber Viktor", begann der Bundeskanzler, Österreich und Ungarn verbinde eine sehr tiefgehende Freundschaft mit viel Vertrauen. Nehammer lobte vor allem die wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder sowie die Zusammenarbeit in der Migrationsfrage. In Österreich habe man 80.000 Ukrainer aufgenommen und 31.000 Asylanträge geprüft, in beiden Aspekten habe die Zusammenarbeit mit Ungarn gut funktioniert. Das Lob kam auch vom ungarischen Premier zurück. "Jeder Ungar fühlt sich in Wien zuhause, jeder Österreicher kann sich auch in Budapest zuhause fühlen", versicherte Orban.

Differenzen gebe es vor allem in der Thematik der Kernenergie. In Ungarn werden laut "Global2000" vier Atomreaktoren an einem Standort betrieben, seit dem Ukraine-Krieg forciert die ungarische Regierung den Ausbau der Atomkraft. Österreich ist dagegen und dies habe Nehammer mit seinem Kollegen am Donnerstag besprochen, so der Bundeskanzler. Auch Orban fand deutliche Worte: "Es ist eine schwierige Frage, ich sehe keine Chance für einen gemeinsamen Standpunkt in dieser Thematik".

"Werde oft missverstanden" – So rechtfertigt Orban seinen Nazi-Sager

In den letzten Tagen geriet der ungarische Premier ins Kreuzfeuer, nachdem er bei einer Rede mit einer Nazi-Anspielung für einen Eklat sorgte. Er sprach über einen neuen Vorschlag der EU-Kommission, laut jenem jedes Land seinen Gasverbrauch verpflichtend um 15 Prozent senken solle. "Ich sehe nicht, wie das erzwungen werden soll, obwohl es dafür deutsches Know-how gibt, von früher, meine ich“, sagte er in offenkundiger Anspielung auf die Gaskammern des Nazi-Regimes.

Karl Nehammer habe, wie von ihm verlangt wurde, diese Thematik mit Orban besprochen, sagte der Kanzler vor den Medienvertretern. "Mir war wichtig, zu betonen, dass wir in Österreich jede Art von Relativierung von Rassismus und Antisemitismus auf das Schärfste verurteilen." Österreich habe hier eine besondere Verantwortung, denn "wir selbst waren Teil des verbrecherischen NS-Regimes", so Nehammer.

Wie erklärte der ungarische Regierungschef seinen fragwürdigen NS-Diskurs? "Es kommt vor, dass ich mich missverständlich formuliere", daher werden seine Reden oft missverstanden. Sein Appell: "Meine Aussagen müssen im kulturellen Kontext verstanden werden." Ungarn sei stolz auf die eigene Antisemitismus-Bekämpfung, es herrsche eine "Zero-Toleranz" und jede antisemitische Tat werde rechtlich verfolgt, so Orban. Er stellte jedoch klar, dass er der einzige Politiker (Anm. in der EU) sei, der offen gegen Zuwanderung sei und der nicht wolle, dass die Migration stärker werde.

"Meine Aussagen müssen im kulturellen Kontext verstanden werden."

Orban: "Sanktionen werden nicht helfen"

Auch der Ukraine-Krieg war Thema bei der Pressekonferenz am Donnerstag, hier gingen die Meinungen der beiden Politiker ebenfalls auseinander. Während Nehammer die Sanktionen gegen Russland lobte ("Es ist die einzige friedliche Form, ohne unmittelbar im Krieg zu sein"), übte Orban scharfe Kritik an Brüssel. "Wir befinden uns alle in einem Auto, das vier platte Reifen hat", stellte er fest. "Die Sanktionen und Waffenlieferungen werden der Ukraine nicht helfen, den Krieg zu gewinnen. Es wird alles noch schlimmer machen", prognostizierte der ungarische Premier. Anschließend hielt er fast schon einen philosophischen Vortrag über die Autoreflexionsproblematik der EU, entschuldigte sich im Nachhinein "für die lange Antwort auf die Frage". Orban betonte aber, dass Ungarn keinen Sonderweg gehen werde, man habe "aber eine Ansicht, die wir auch verteidigen werden", schloss er ab.

"Die Sanktionen brauchen Zeit, bis sie wirken. Die Gefahr ist noch nicht gebannt", konterte Nehammer. Die Ukraine habe das Recht, die Entscheidung zu treffen, wie der Friedensprozess auszusehen hat und wann dieser beginnt. Einen Kritikpunkt äußerte er aber trotzdem: "In der Gas-Thematik muss die EU-Kommission mehr tun, wovon sie spricht", forderte der Kanzler.

1/56
Gehe zur Galerie
    <strong>04.05.2024: AstraZeneca gesteht erstmals schwere Nebenwirkungen ein.</strong> AstraZeneca sieht sich in Großbritannien mit einer Sammelklage konfrontiert. <a data-li-document-ref="120034852" href="https://www.heute.at/s/astrazeneca-gesteht-erstmals-schwere-nebenwirkungen-ein-120034852">In einem Gerichtsdokument gesteht der Konzern schwere Nebenwirkungen ein.</a>
    04.05.2024: AstraZeneca gesteht erstmals schwere Nebenwirkungen ein. AstraZeneca sieht sich in Großbritannien mit einer Sammelklage konfrontiert. In einem Gerichtsdokument gesteht der Konzern schwere Nebenwirkungen ein.
    REUTERS