Politik

Kärntner Politik versinkt noch tiefer im Chaos

Heute Redaktion
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Die Kärntner Politik versinkt seit der politischen Bombe, die der Steuerberater Dietrich Birnbacher gezündet hat, immer mehr im Chaos. Die Regierungskoalition von FPK und ÖVP ist implodiert, die Landesschwarzen sind de facto handlungsunfähig, und die Freiheitlichen blockieren derzeit alles, was ihren Machterhalt gefährden könnte.

Der Wechsel an der Spitze von Uwe zu Kurt Scheuch ändert da gar nichts, außer dass die Gebrüder Scheuch Landeshauptmann Gerhard Dörfler mit ihrer Aktion offensichtlich schwer beschädigt haben. Normale Politik ist ein Begriff, der auf Landesebene schon seit den Zeiten Jörg Haiders nur unter Anführungszeichen verwendet werden konnte. Was sich im südlichsten Bundesland aber jetzt abspielt, dafür fehlen selbst langjährigen politischen Beobachtern die Worte.

Ein Parteiobmann gesteht Korruption, der andere tritt wegen mehrfacher Korruptionsvorwürfe zurück. Und die Freiheitlichen reagieren so, wie sie praktisch immer reagieren: Sie attackieren die Medien, unterstellen so gut wie sämtlichen innenpolitischen Journalisten des Landes pauschal, sie würden eine "Menschenhatz" betreiben und versuchen, die anderen Parteien mit Vorwürfen einzudecken, um von eigenen Problemen abzulenken. Die Mischung aus Arroganz und Wehleidigkeit, mit der Uwe Scheuch seinen Rücktritt begründete, machte Beobachter staunen.

Dörfler klammert sich an die Macht

Josef Martinz und Uwe Scheuch haben nach der Landtagswahl 2009 eine Koalition ausverhandelt, mit deren Hilfe Gerhard Dörfler zum Landeshauptmann von Kärnten gekürt worden ist. Nun sind die beiden Architekten der Zusammenarbeit von der Bühne abgetreten, die Koalition ist geplatzt, doch Dörfler und die seinen klammern sich an die Macht. Er sei ein Landeshauptmann für alle Kärntner, ließ er am Mittwoch wissen und wolle das auch weiter sein. Das wird in der Form wohl aber nicht gehen, denn Dörfler hat es sichtlich wieder nicht geschafft, sich von den Scheuch-Brüdern zu emanzipieren.

Die große Frage ist, wie es jetzt weitergehen soll. Was in einer entwickelten Demokratie nach solchen Umbrüchen eine Selbstverständlichkeit wäre, kommt in Kärnten offenbar für die Freiheitlichen nicht infrage, nämlich sofortige Auflösung des Parlaments und Neuwahlen zum frühest möglichen Zeitpunkt. Spricht man FPKler bis hinauf in höchste Funktionärskreise darauf an, kommt reflexartig die Antwort, man sei ja offenbar ein Parteigänger der SPÖ. Inhaltlich wird argumentiert, dass Wahlen ja nichts ändern würden. Zu Ende durchgedacht, hieße dies freilich nichts anderes, als dass Wahlen eigentlich überhaupt abgeschafft werden sollten.

Passiert ist bisher aber nichts

Neuwahlen sind nach Einschätzung politischer Beobachter unbedingt notwendig, allerdings bei weitem nicht ausreichend, damit Kärnten wieder auf die Beine kommt. Der Proporz müsse sofort abgeschafft werden, eigentlich noch vor den Wahlen, damit nicht in der nächsten Regierung wieder alle vereint an einem Tisch sitzen. Das impliziert aber auch eine Stärkung der Oppositionsrechte im Landtag, die Abschaffung der Heimlichtuerei um den Landesrechnungshof und vieles mehr. Alle diese Forderungen werden von Kommentatoren und Journalisten ebenso seit Jahren gepredigt wie von Politikwissenschaftlern. Passiert ist bisher aber nichts.

Die FPK verweigert de facto jegliche Diskussion darüber, auch wenn sie stets beteuert, gesprächsbereit zu sein. Allerdings wird diese Bereitschaft mit der Bedingung verknüpft, man müsse dann auch über eine Direktwahl des Landeshauptmannes diskutieren. Diese Forderung ist unerfüllbar, weil nicht mit der Bundesverfassung kompatibel - und schon kann man die anderen Parteien der Blockade bezichtigen.

Pressefotografen vor die Tür gesetzt

Was sich in Kärnten durch die Scheuch-Rochade jedenfalls ändern dürfte, das ist der Stil der politischen Auseinandersetzung. Anders als Uwe Scheuch, der sich, wenn er nicht gerade Pressefotografen vor die Tür setzt, um einen verbindlichen Ton bemüht hat, gibt Kurt Scheuch öfter das verbale Raubein. Seine Ausdrucksweise bei Landtagssitzungen ist nach Ansicht vieler Volksvertreter und Beobachter des Plenums nicht selten unwürdig, auch bei seinen Presseaussendungen fällt schon einmal die eine oder andere beleidigende Äußerung.

Ob der neue FPK-Chef diesen Stil auch in der Landesregierung pflegen wird, bleibt abzuwarten. Für Landeshauptmann Dörfler ist die Situation jedenfalls nicht leichter geworden. Der Bonus, den er sich bundesweit mit der Ortstafellösung erarbeitet hat, ist inzwischen verblasst, der Regierungschef wirkt gereizt und dünnhäutig. Mit den ganzen Skandalen will er nichts zu tun haben, was in seiner politischen Funktion als Regierungschef allerdings nur schwer möglich ist, auch wenn ihm niemand eine Involvierung in die Birnbacher-Affäre vorwirft.

Nur bedingt handlungsfähig

Die FPK erscheint daher nur bedingt handlungsfähig, was sich auch an den divergierenden Aussagen zum Wahltermin zeigt. Sprach Uwe Scheuch am Dienstagabend noch von "Frühjahr oder auch schon Spätherbst", meinte Dörfler am Mittwoch, "egal ob in sechs oder neun Wochen oder im Herbst oder im Frühjahr gewählt wird". Kurt Scheuch hat gleich wieder abgebremst und nennt nun wieder das Frühjahr 2013 als Wahltermin.

Ob die FPK den Druck der angekündigten wöchentlichen Sondersitzungen zum Thema Neuwahlen so lange durchhält, wird allgemein bezweifelt. Offen ist aber auch, ob die ÖVP auf die Dauer die Linie von SPÖ und Grünen mitträgt. Die Zweifel nähren sich vor allem an der Tatsache, dass die Landesschwarzen inzwischen eine lange Tradition der Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen aufweisen und der geschäftsführende Parteiobmann Gabriel Obernosterer vorsorglich eine Koalition mit der FPK nicht ausschloss.

Zustände einzementiert

Denn eigentlich kann den Schwarzen eine rasche Neuwahl nicht wirklich nützen, also wird wohl der innerparteiliche Druck auf Obernosterer zunehmen, doch lieber erst im nächsten Jahr zu wählen. Das würde allerdings die Zustände in Kärnten für fast ein Dreivierteljahr einzementieren. Wie immer die Kraftprobe auch ausgeht, politische Normalität dürfte es im südlichsten Bundesland noch lange nicht geben, selbst wenn keine weiteren Affären mehr auffliegen.

Michael Walcher/APA