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KAV baut Wiener Kinder- und Jugendpsychiatrie aus

Heute Redaktion
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Der Wiener Krankenanstaltenverbund erweitert seine Kapazitäten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. (Symbolbild)
Der Wiener Krankenanstaltenverbund erweitert seine Kapazitäten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. (Symbolbild)
Bild: iStock

Der Wiener Krankenanstaltenverbund erhöht seine Kapazitäten in der Kinder- und Jugendpsychiatrie um 40 Prozent. Bis Ende des Jahres soll es 124 Behandlungsplätze geben.

Lange galt die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung in Wien als Stiefkind. Das soll sich nun laut dem Wiener Krankenanstaltenverbund mit einem "dynamischen Aufbauprozess" ändern.

"Mit der Eröffnung des Krankenhaus Nord – Klinik Floridsdorf stehen im KAV mit Stand Juni nun insgesamt 79 Betten, sowie 14 tagesklinische Plätze für die kinder- und jugendpsychiatrische Versorgung zur Verfügung. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das einen Zuwachs um rund 40 Prozent im stationären und sogar 75 Prozent im tagesklinischen Bereich", erklärte KAV-Generaldirektorin Evelyn Kölldorfer-Leitgeb am Mittwochabend vor Journalisten.

Dieser Ausbau soll noch weiter gehen, bis Ende dieses Jahres sollen insgesamt 124 kinder- und jugendpsychiatrische Behandlungsplätze zur Verfügung stehen.

20 Prozent der Kinder und Jugendlichen mit "Auffälligkeiten"



Die Kinder- und Jugendpsychiatrie sei ein Fach mit zunehmender Bedeutung, betonte Ralf Gößler, Vorstand der Kinder- und Jugendpsychiatrie im Krankenhaus Nord-Klinik Floridsdorf. Insgesamt wiesen knapp 20 Prozent aller Kinder und Jugendlichen psychische Auffälligkeiten auf, bei einem Teil davon bestehe psychiatrischer bzw. psychologischer und/oder psychotherapeutischer Behandlungsbedarf, so der Experte.

Um für die jungen Patientinnen und Patienten optimale Voraussetzungen zur Genesung zu schaffen, seien in den vergangenen zwölf Monaten zahlreiche Maßnahmen im Rahmen des Psychiatrischen und Psychosomatischen Versorgungsplans Wien 2030 (PPV) gesetzt worden.

So eröffnete im Krankenhaus Hietzing im Sommer 2018 die Station 2A. Der Fokus liegt hier auf Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Die Station verfügt über 15 stationäre Plätze, darunter vier Akutbetten. "Hier wurde sichergestellt, dass keine Versorgung von Jugendlichen an erwachsenenpsychiatrischen Standorten erfolgen muss", so der KAV. Im Jänner 2019 folgte am selben Standort die nächste Erweiterung: am Rosenhügel wurden acht zusätzliche Betten für Kinder und Jugendpsychiatrie geschaffen. Bis Ende 2019 folgen weitere sieben Betten.

Ausbau der Kapazitäten im AKH läuft

Im März starteten zudem die Arbeiten für den Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie im AKH, die bis Frühjahr 2020 abgeschlossen werden. Dort soll es 30 stationäre Betten und zehn Betten für die tagesklinische Betreuung geben. Die Bettenkapazität wird um vier Betten erhöht und die räumlichen Strukturen den Anforderungen moderner Kinder- und Jugendpsychiatrie angepasst.

KAV und PSD weiten stationäre und ambulante Angebote aus



Seit Eröffnung des Krankenhaus Nord-Klinik Floridsdorf gibt es hier eine kinder- und jugendpsychiatrische Ambulanz mit Tagesklinik. Im Herbst sollen zusätzliche stationäre Kapazitäten geschaffen werden, im Endausbau stehen dann 24 kinder- und jugendpsychiatrische Behandlungsplätze zur Verfügung. KAV-weit wird es bis Jahresende 124 kinder- und jugendpsychiatrische Behandlungsplätze geben.

Bis 2030 sieht der Psychiatrische und Psychosomatische Versorgungsplan Wien ein stationäres Kinder- und Jugendpsychiatrisches Angebot in jeder der drei Versorgungsregionen vor. Zwei Stationen stehen bereits ab Herbst 2019 zur Verfügung. Das sind die Kinder- und Jugendpsychiatrie im Krankenhaus Hietzing und jene im Krankenhaus Nord-Klinik Floridsdorf. Die Dritte befindet sich in Planung und soll im Kaiser Franz Josef-Spital eröffnet werden. Ergänzt wird das stationäre Angebot künftig von mindestens zwei Ambulatorien pro Region.

Ebenfalls noch 2019 werden die Psychosozialen Dienste in Wien ihr zweites Kinder- und Jugendpsychiatrisches Ambulatorium mit Tagesklinik eröffnen.

Bessere Ausbildung in Kinder- und Jugendpsychiatrie gefordert

Bauliche Maßnahmen seien zwar wichtig, aber nur ein Teil der Ausweitung von kinder- und jugendpsychiatrischen Angeboten, betonte der KAV. Der andere Teil und die wahrscheinlich größere Herausforderung bilde die Rekrutierung von Expertinnen und Experten. "Die Kinder- und Jugendpsychiatrie gehört zu den von der Ärztekammer definierten Mangelfächern", erklärt Michael Binder, Medizinischer Direktor im KAV.

Das bedeute, dass in Österreich und in weiten Teilen Europas zu wenig Kinder- und Jugendpsychiater vorhanden sind. "Die Rekrutierung dieser Ärztinnen und Ärzte ist demnach schwieriger wie in anderen Fächern", so Binder.

Das bestätigte auch Ewald Lochner, Koordinator für Psychiatrie, Sucht- und Drogenfragen der Stadt Wien und kaufmännischer Leiter der Psychosozialen Dienste in Wien: "Für unsere ambitionierten Ausbaupläne im Bereich der psychischen Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen brauchen wir ausreichend qualifiziertes Personal. Der Engpass bei den Fachärzten ist österreichweit und in ganz Europa spürbar. Änderungen in den Ausbildungsregeln könnten hier Abhilfe schaffen."

Alleine im Krankenhaus Nord fehlten momentan drei Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Sie sollen nun rekrutiert werden, um im Herbst die Station wie geplant in Betrieb nehmen zu können.

Um den weiteren Ausbau der Kinder- und Jugendpsychiatrie nicht zu gefährden, müsse der Mangel an Fachärztinnen und Fachärzten behoben werden. "Das kann über den Ausbildungsschlüssel gelingen", erklärt Primar Ralf Gößler. Nach dem derzeitigen Ausbildungsschlüssel dürfe der Vorstand einer Abteilung drei Kinder- und Jugendpsychiater in Ausbildung betreuen, jeder weitere Facharzt aber jeweils nur einen Arzt in Ausbildung. "Es gibt genug junge Menschen, die an der Ausbildung interessiert sind. Daher wollen wir auf einen Schlüssel von eins zu vier kommen - wie in Deutschland", so Gößler. So ließe sich bis 2030 die Zahl der Kinder- und Jugendpsychiater in Wien verdoppeln, von derzeit rund 70 auf 140. Dazu brauche man aber die Ärztekammer und das Gesundheitsministerium als Partner, wurde betont. (lok)