Niederösterreich

Kein Arzt! Toter Mann muss 9 Stunden am Esstisch sitzen

Eine ehemalige Lehrerin verlor ihren Mann, musste dann neun Stunden auf die Totenbeschau warten. "Das war zu lange", prangert die Witwe an.

Toter Ehemann saß 9 Stunden im Lehnstuhl am Esstisch. Witwe Eveline L. (71): "Es war makaber"
Toter Ehemann saß 9 Stunden im Lehnstuhl am Esstisch. Witwe Eveline L. (71): "Es war makaber"
istock, privat

"Es war einfach eine makabere Situation", erinnert sich Eveline L. (71) aus Niederösterreich mit Schaudern an jenen tragischen April-Tag zurück.

Tod im Lehnstuhl am Esstisch

Beim Zeitunglesen am frühen Morgen war ihr Ehemann (75) im Lehnstuhl am Esstisch zusammengesackt. Der herbeigeeilte Notarzt konnte nur noch den Tod des 75-Jährigen feststellen. Die Bestattung war informiert, musste aber die Totenbeschau durch die zuständige Gemeindeärztin abwarten.

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    Toter Ehemann saß 9 Stunden im Lehnstuhl am Esstisch.
    Toter Ehemann saß 9 Stunden im Lehnstuhl am Esstisch.
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    Mittlerweile versammelte sich die Familie um den Toten: "Es ist schon gut, sich zu verabschieden, aber neun Stunden sind zu lang", meint die Witwe. Es war stickig und die Bestatter empfahlen daher, die Fenster zu öffnen.

    Am Nachmittag traf schließlich die zuständige Medizinerin, die fünf Minuten entfernt ihre Ordination betreibt, ein. "Ich musste mich um Patienten kümmern und akute medizinische Fälle versorgen und war zudem Urlaubsvertretung für einen Kollegen. Und: Man darf eine Totenbeschau erst nach vier Stunden durchführen, erst dann sind eindeutige Todeszeichen feststellbar. Wir Ärzte bemühen uns, alles so schnell wie möglich zu machen, aber es gilt abzuwägen, was wichtiger ist", so die Ärztin. Die Witwe indes bleibt dabei: "Die Beschau dauerte in Summe zehn Minuten, das hätte man einschieben können."

    "Gesetzgeber gefordert"

    Der Bürgermeister meint auf Nachfrage dazu: "Man findet immer weniger Ärzte, die diesen Job machen." Auch der Bestatter sagt: "Die Wartezeiten sind oft sehr lange, gerade in Urlaubszeiten. Eine bessere Absprache der Ärzte wäre wünschenswert. Vielleicht sollte die Befugnis der Totenbeschau nicht nur auf die Gemeindeärzte beschränkt sein, sondern auch anderen Ärzten übertragen werden können." Der Ortschef und die Medizinerin sehen auch den Gesetzgeber gefordert, bessere Rahmenbedingungen für Ärzte zu schaffen.

    Aus dem zuständigen Büro der Gesundheitslandesrätin, Ulrike Königsberger-Ludwig, heißt es dazu: "Das nö. Bestattungsgesetz (siehe Bilderserie oben) wurde 2020 novelliert. Die Zuständigkeit für Todesfälle liegt grundsätzlich bei der Gemeinde."