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Mutter erfand Dutzende Krankheiten für Olivia (6)

Heute Redaktion
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Kelly Gant wurde am 18. Oktober 2019 in Colorado festgenommen. Die 41-Jährige wird beschuldigt, für den Tod ihrer Tochter Olivia vor zwei Jahren verantwortlich zu sein.
Kelly Gant wurde am 18. Oktober 2019 in Colorado festgenommen. Die 41-Jährige wird beschuldigt, für den Tod ihrer Tochter Olivia vor zwei Jahren verantwortlich zu sein.
Bild: Reuters/Douglas County Colorado Sheriff's Office

Kelly Gant behauptete, ihre kleine Tochter Olivia sei todkrank. Die Mutter bekam die Aufmerksamkeit, die sie sich wünschte. Nun wird sie des Mordes bezichtigt.

Was Kelly Gant nicht alles für ihre kleine Olivia getan hat: Die 41-jährige Mutter aus Colorado hat Spenden gesammelt, um ihrer sechsjährigen Tochter die beste medizinische Behandlung zu bieten und um Olivias letzte Wünsche zu erfüllen. Gant behauptete, Olivia sei unheilbar krank. Vergangenen Freitag, mehr als zwei Jahre nach Olivias Tod, wurde Kelly Gant in einem Hotelzimmer in Glendale, Colorado, festgenommen. Die Mutter ist wegen Mordes, Betrugs und Diebstahls angeklagt.

Der Fall des kleinen Mädchens hatte im Jahr 2015 landesweit für Aufmerksamkeit gesorgt. Kelly Gant hatte erstmals 2011 in ihrem Blog geschildert, wie Olivia mit einer Schädelmissbildung und einer Gefäßfehlbildung im Gehirn zur Welt gekommen war, was zu regelmäßigen Anfällen führte. Auch Olivias älteste Schwester leide an einer Knochenkrankheit, an einer sogenannten Osteomyelitis, schrieb Gant. Um ihren beiden Töchtern zu helfen, habe sie ihren Mann verlassen und sei mit den Kindern von Texas nach Colorado gezogen, wie die "Washington Post" berichtet. Dort könnten beide besser medizinisch betreut werden.

Spenden, um Olivias Wünsche zu erfüllen

2015 sei der Gesundheitszustand ihrer Tochter "hoffnungslos", behauptete die Mutter. Neben einem Tumor traten angeblich beim Mädchen auch Entwicklungsverzögerungen, Autismus, sensorische Verarbeitungsstörungen und eine fokale kortikale Dysplasie auf. Nicht genug damit: Olivia sei kürzlich auch noch mit einer neurogastrointestinalen Enzephalomyopathie diagnostiziert worden. Das Kind habe nicht mehr lange zu leben, so die Mutter.

Gleichzeitig lancierte Kelly Gant einen Spendenaufruf auf GoFundMe, um der Kleinen die Wünsche auf der Bucket List zu erfüllen. Olivia durfte dank der Spenden und der Hilfe der Stiftung Make-a-Wish in einem Polizeiauto mitfahren und von einer Turmleiter der Feuerwehr ein Feuer löschen. Als Disney-Prinzessin verkleidet kämpfte sie gegen Bösewichte.

Ärzte zweifeln an Gants Version der Geschichte

Das Kind starb im Kinderkrankenhaus von Colorado am 20. August 2017, nachdem es Monate zuvor mit der Mutter in zahlreichen TV-Sendungen aufgetreten war. Olivia war bereits im Juli im Krankenhaus eingeliefert worden. Den Ärzten war damals aufgefallen, dass das Kind unterernährt war – ihre Mutter ernährte sie über eine Magensonde.

Nach ihrem Tod hegten über ein Dutzend Mediziner Zweifel an der Version der Mutter. Einer hinterfragte die Diagnose Autismus, da er Olivia als "lebendiges, soziales Kind" erlebt hatte. Ein anderer konnte die Symptome, die die Mutter beschrieben hatte, nicht erkennen.

Kelly Gant ist die einzige, die krank ist

Im 2018 brachte Kelly Gant ihre andere Tochter zum Arzt und erzählte, dass das Mädchen Knochenschmerzen spüre. In der Vergangenheit sei es an Krebs erkrankt gewesen, erzählte Gant. Der Arzt kontaktierte die Ärzte, die in der Krankengeschichte aufgelistet waren. Keiner wusste etwas von diesem Fall.

Letztes Jahr wurde schließlich Olivias Leiche exhumiert. Bei der Autopsie fanden die Forensiker keine Anzeichen der Krankheiten, die die Mutter angegeben hatte. Die Anklageschrift behauptet nun, Gant habe den Tod von Olivia verursacht.

Ermittler stellten mit den Facebook- und Blog-Beiträgen der Mutter die Geschichte zusammen. Sie kamen zum Schuss, dass Kelly Gant am Münchhausen-Stellvertreter-Syndrom leidet, einer psychischen Störung, bei der Mütter körperliche Beschwerden bei ihren Kindern erfinden, um Zuwendung und Mitleid durch Ärzte und - in diesem Fall auch Medien - zu bekommen.