"Gefahr für Jugendliche"

Kennzeichnungspflicht für KI-Fakefotos soll kommen

Die Schönheitsideale in sozialen Netzwerken setzen die Jugend immer mehr unter Druck. Jetzt soll politisch etwas dagegen passieren.

Robert Zwickelsdorfer
Kennzeichnungspflicht für KI-Fakefotos soll kommen
Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) stellte eine Internet-Studie vor.
BKA/ Dunker

Jugend-Staatssekretärin Claudia Plakolm (ÖVP) ist gestern komplett ungeschminkt zur Präsentation der Studie "Schönheitsideale im Internet" erschienen – ein bewusst gesetztes Statement gegen die Flut bearbeiteter Bilder und den Trend zu KI-Fotos von Menschen, die gar nicht existieren. Denn gerade diese Bilder haben massive Auswirkungen auf das eigene Schönheitsempfinden von Jugendlichen. Das zeigt die Studie der Initiative Saferinternet.at mit dem Jugendstaatssekretariat (400 Befragte zwischen elf und 17 Jahren und vier vertiefende Fokusgruppen mit insgesamt 56 Schülerinnen und Schülern). Das sind die Details:

Schönheitsideale im Internet

  • 71 % meinen, dass man sich aufgrund sozialer Netzwerke mit anderen vergleicht.
  • 65 % sehen einen Zusammenhang zwischen Inhalten in sozialen Netzwerken und dem eigenen Schönheitsempfinden.
  • 59 % achten darauf, auf Bildern gut auszusehen.
  • 54 % achten bei Selfies auf das Licht, die Posen und den Handywinkel.
  • 53 % haben wegen sozialer Netzwerke schon einmal etwas an ihrem Aussehen verändert.
  • 51 % achten auf ihre Figur.
  • 41 % bearbeiten ihre Bilder, zum Beispiel mit Filtern.
  • 34 % ist es wichtig, sich sexy darzustellen.
  • 33 % finden sich mit Bildbearbeitungsfilter schöner.
  • Und immerhin 28 % haben schon einmal über eine Schönheits-Operation nachgedacht.

Die Studienautorinnen und -autoren haben aber auch das Thema Influencer und Content-Creatoren unter die Lupe genommen – mit spannenden Ergebnissen:

Influencer und Jugendliche

  • 84 % der befragten Jugendlichen folgen Influencern in sozialen Netzwerken.
  • 74 % glauben, dass Fitness-Influencer einen Einfluss auf Kinder und Jugendliche haben.
  • 53 % haben schon einmal von Influencern empfohlene Produkte gekauft.

In einer Lebensphase, in der die eigene Identität noch nicht gefestigt ist und Selbstwertgefühle oft nur schwach ausgeprägt sind, können realitätsferne Ansprüche an das Aussehen eine große Belastung darstellen, betonten die Studienautoren. Staatssekretärin Plakolm wiederum fordert "mehr Realität statt Fake-Fotos in den sozialen Medien, um das Selbstbewusstsein junger Menschen zu stärken. Ob Pickel, Cellulite oder Speck an den Hüften – alle sind gefordert, ehrlicher mit dem eigenen Aussehen umzugehen".

"KI-Bilder halte ich für eine Gefahr"

Aktuell würden nicht nur bearbeitete Bilder das Internet fluten, sondern auch von Künstlicher Intelligenz hergestellte Fotos junger Menschen. "KI-Bilder von Menschen, die nicht einmal existieren, halte ich für eine Gefahr, wenn wir über Schönheitsideale junger Menschen reden", so Plakolm weiter. Diese Bilder würden eine Realität vorgaukeln, die es gar nicht gibt. Plakolm will sich daher für eine EU-weite Kennzeichnungspflicht von KI-Fotos von Fake-Menschen in sozialen Medien starkmachen: "Wer so ein KI-generiertes Foto sieht, muss leicht erkennen können, dass es keine Realität, sondern Fake ist."

Die Studie zeigt aber auch, dass Jugendliche im Netz nicht nur mit unrealistischen Schönheitsidealen zu kämpfen haben, sondern auch befürchten müssen, Beleidigungen bezüglich ihres Aussehens ausgesetzt zu sein. 74 Prozent haben eine solche Situation schon einmal beobachtet. Vor allem Mädchen (84 %) berichten von abwertenden Äußerungen im Internet und in sozialen Netzwerken. Vielleicht spielen auch deshalb Avatare in der digitalen Welt eine zunehmend wichtigere Rolle. Immerhin gibt fast ein Drittel (30 %) an, ein solcher Avatar sollte möglichst gut aussehen.

Verschiedene Gegenstrategien

Jugendliche nennen unterschiedliche Strategien, um sich von Schönheitsidealen im Internet nicht negativ beeinflussen zu lassen. Dazu zählt zum einen die Beschäftigung mit der Selbstwahrnehmung: Als hilfreich wird empfunden, an der Selbstakzeptanz zu arbeiten (67 %), aktiv zu versuchen, sich nicht unter Druck setzen zu lassen (60 %) und zu hinterfragen, warum die konsumierten Inhalte einen selbst stressen oder Druck erzeugen (55 %). Von den Jugendlichen in den Fokusgruppen wurde als weitere Möglichkeit ein "Reality Check" genannt – also "rausgehen und schauen, wie die Leute wirklich sind". Dadurch werde einem die Diskrepanz zwischen der verzerrten Online-Darstellung von Menschen und deren tatsächlichem Aussehen bewusst.

Als weitere Strategie nennen die Jugendlichen einen bewussten Umgang mit sozialen Netzwerken. Dazu zählt vor allem, weniger Zeit in sozialen Netzwerken zu verbringen (63 %), Social-Media-Pausen einzulegen (60 %) und gezielt solchen Influencerinnen und Influencern oder Inhalten zu folgen, die einem gut tun (60 %). Auch gegenseitige Unterstützung wird als relevant empfunden: Sich im Freundeskreis immer wieder Komplimente zum Aussehen zu machen finden 59 Prozent hilfreich, während 38 Prozent dafür plädieren, sich gemeinsam über stressige Inhalte lustig zu machen und darüber zu lachen.

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    Auch wenn sich die Jugendlichen dieser Strategien bewusst sind, können sie diese in der Praxis zum Teil nur schwer umsetzen. Während beispielsweise 63 Prozent der Jugendlichen in der Umfrage angeben, dass weniger Zeit in sozialen Netzwerken eine gute Vorgehensweise wäre, zeigte sich im Rahmen der Fokusgruppen, dass sie sich der Sogwirkung von Online-Angeboten oft nur schwer entziehen können.

    Vor allem Eltern sind gefordert

    Um Jugendliche bei einem kritischen Umgang mit Schönheitsidealen im Internet und bei der Entwicklung eines gesunden körperbezogenen Selbstbildes zu unterstützen, sind neben Lehrenden und Onlineplattformen vor allem Eltern gefordert. 57 Prozent der Befragten sind dieser Ansicht. "Eltern spielen eine Schlüsselrolle dabei, Jugendliche im Umgang mit Schönheitsidealen im Internet zu unterstützen und ein gesundes, körperbezogenes Selbstbild zu fördern", erklärt Barbara Buchegger, pädagogische Leiterin von Saferinternet.at. "Die Jugendlichen selbst sehen die Familie als entscheidenden Ort der Aufklärung und betonen, dass der Umgang mit diesen Idealen primär von den Eltern erlernt werden sollte."

    Allerdings verfügen die Eltern oft selbst nicht über ausreichend Medienkompetenz. Sie benötigen nach Meinung der Jugendlichen ebenfalls Unterstützung, damit sie ihre Kinder bei der kompetenten Mediennutzung begleiten können. Den Schulen fällt dabei die Schlüsselrolle zu, auch die Eltern zu erreichen und ihnen Aufklärungsmaterial anzubieten. Gleichzeitig wird die Schule von 47 Prozent auch als wichtiger Ort gesehen, um die Jugendlichen direkt anzusprechen. Möglichkeiten, den Umgang mit Schönheitsidealen im Unterricht zu thematisieren, sehen die Jugendlichen viele. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema anzuregen und die Medienkompetenz junger Menschen zu fördern, ist demnach eine entscheidende Aufgabe der Lehrenden.

    Wer so ein KI-generiertes Foto sieht, muss leicht erkennen können, dass es keine Realität, sondern Fake ist.
    Claudia Plakolm
    Jugend-Staatssekretärin (ÖVP)

    Aber auch die Plattformbetreiber sind gefordert, ein möglichst vielfältiges Angebot für die Nutzer und Nutzerinnen zu schaffen.  Die Jugendlichen sehen hier aber auch Verbesserungspotential:  So würden sich 63 Prozent der befragten Jugendlichen wünschen, dass bearbeitete Bilder gekennzeichnet werden – eine Bestätigung für Plakolms Forderung nach einer derartigen Kennzeichnungspflicht.

    bob
    Akt.