In einem Blitzgipfel einigte sich die EU auf eine dünne "Sozial-Charta". Das könne nur ein erster Schritt sein", sagt Kanzler Kern und warnt vor einem Scheitern Europas. "Heute" live aus Göteborg.
Ein zartes Büchlein, 20 Seiten dünn, im Format nicht größer als ein Handy. In nur 20 Punkten schrieb die EU heute ihr soziales Gewissen fest. Mehr war nicht drin als dieser Minimalkompromiss. "Immerhin ein Anfang", sagt ÖGB-Chef Erich Foglar, der die letzten Tage das Papier in Göteborg (Schweden) mitverhandelte:
"Wenn Europa seine Menschen nicht schützt und allen eine Perspektive auf Wohlstand gibt, dann wird Europa scheitern, sagte Kanzler Christian Kern (SPÖ), ehe er nach Wien zurückflog. "Man muss schauen, dass niemand zurückbleibt".
20 Punkte schrieb die EU in ihrer "Sozial-Charta" fest, unverbindlich. Wer dagegen verstößt, dem passiert nichts. Etwa:
• Recht auf Zugang zu Bildung, lebenslang.
• Gleichheit der Geschlechter, Gleiche Entlohnung für gleiche Arbeit.
• Gleiche Chancen für alle, unabhängig von Rasse, Geschlecht, Herkunft, Weltanschauung, Religion oder sexueller Orientierung.
• Faire Bezahlung und Arbeitsbedingungen.
• Recht auf Work-life balance.
• Recht auf bestmöglichen Zugang zur medizinischen Versorgung.
• Recht auf eine finanzielle Versorgung im Alter.
Der Wunsch zumindest eines Teiles der Verhandler nun: Die "Sozial-Charta" zu einer der Säulen der EU zu machen, rechtsverbindlich, also einklagbar. Das wird Jahre (Jahrzehnte?) dauern. Kanzler Kern sprach deshalb auch nur "von einem ersten Schritt. Grundsätzlich sehe ich zu wenige Fortschritte, sagt er zu "Heute". "Sozialdemokraten und Gewerkschafter haben jahrzehntelang für verbindliche Standards gekämpft. Den letzten Gipfel dazu gab es vor 20 Jahren. Seither ist wenig passiert".
Geduld haben zu müssen - das ist definitiv eine der Säulen der EU.
Christian Nusser, Göteborg