Am Dienstag war es so weit: Bundespräsident Alexander Bellen trat vor die Öffentlichkeit und erteilte einen Regierungsbildungsauftrag. Anders als bisher, ging dieser aber nicht an die stimmenstärkste Partei und Wahlsieger FPÖ-Chef Herbert Kickl, sondern Bundeskanzler Karl Nehammer – der Zweitplatzierte – wurde damit beauftragt.
Zusätzlich bat das Staatsoberhaupt Nehammer Sondierungsgespräche mit der SPÖ zu führen und legte damit die Weichen für eine mögliche "große" Koalition – mit eventuellen pinken Zusatz.
Neu wäre so eine große Koalition für Österreich nicht. In Summe regierten ÖVP und SPÖ gemeinsam 44 Jahre. Von 1945 bis 1970 unter ÖVP-Kanzlern, von 1986 bis 2000 und von 2006 bis 2017 mit SPÖ-Kanzlern.
Unter Ex-ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz wandte sich die Volkspartei dann von einem Zweierbündnis mit den Sozialdemokraten ab. Nun soll aber genau das wieder ins Parlament getragen werden. Ob es tatsächlich bei der Zweierkoalition bleibt, ist aber nicht sicher.
Immerhin bilden SPÖ und ÖVP nur eine geringe Mehrheit – die nötige Stabilität fehlt. Ein Dreier-Gestell mit NEOS oder Grüne würde diesen Mandatsüberhang sicherstellen. Ein Bündnis aus drei Parteien hat es in Österreich sogar schon einmal gegeben – liegt aber rund 80 Jahre in der Vergangenheit. 1945 schlossen sich ÖVP, SPÖ und KPÖ zusammen.
In der Zweiten Republik war die häufigste Regierungsvariante eine Koalitionen aus zwei Parteien. Mit Ausnahme der Zeit zwischen 1966 und 1983, als zunächst vier Jahre die ÖVP, dann 13 Jahre die SPÖ allein regierte.
Im Durchschnitt dauerte es 68 Tage bis eine Regierung zustande kam. Die Verhandlungen dürften dieses Mal aber länger andauern. Immerhin steht auch noch die Landtagswahl in der Steiermark bevor, die mögliche Machtverhältnisse zwischen den Parteien verschieben kann.
Darüber hinaus sind schon über drei Wochen seit der Nationalratswahl vergangen – einen Regierungsbildungsauftrag gibt es aber erst seit Dienstag. Die Gespräche starten damit also verspätet.
Zudem müssen sich SPÖ und ÖVP einig werden, und eventuell auch noch einen dritten Partner mit an den Verhandlungstisch holen, was das Finden eines gemeinsamen Konsenses deutlich erschwert.
Die längsten Regierungsverhandlungen gab es 1962. Auch damals sondierten SPÖ und ÖVP, auf einen gemeinsamen Nenner kam man erst nach 129 Tagen. Die aktuelle Regierung, ÖVP und Grüne, verhandelten hingegen nur 82 Tage. Die kürzeste Zeit bis zur Angelobung gab es 1945. Damals stand eine Regierung bestehend aus ÖVP, SPÖ und KPÖ schon nach 25 Tagen.