Österreich

Kiga-Skandal: Vereinschefin hat Riesen-Villa in Serbien

Der Stadtrechnungshof deckte einen Skandal im Kindergarten "Minibambini" auf. Eine Ex-Mitarbeiterin meldete die Missstände bereits 2021.

Christine Ziechert
Eine Ex-Mitarbeiterin von "Minibambini" informierte die Behörden bereits 2021 über die Missstände.
Eine Ex-Mitarbeiterin von "Minibambini" informierte die Behörden bereits 2021 über die Missstände.
Helmut Graf/zVg

Luxus-Autos für Privatzwecke, Catering, das von Bau-Scheinfirmen geliefert wurde und Parkstrafen, die aus der Vereinskasse bezahlt wurden. Wie "Heute" berichtete, deckte der Stadtrechnungshof nun einen veritablen Finanzskandal rund um den Privat-Kindergarten "Minibambini" auf. Die Stadt leitete den Prüfbericht an die Staatsanwaltschaft weiter, die Ermittlungen laufen.

Überraschend dürfte der Bericht für die Verantwortlichen allerdings nicht gewesen sein: Denn bereits im März 2021 meldete die ehemalige Mitarbeiterin, Anna P. (Name geändert), anonym Missstände an die MA 11: "Ich berichtete davon, dass Phantom-Kinder auf den Anwesenheitslisten geführt werden, die ich nie gesehen habe. Trotzdem wurde dafür die Förderung kassiert. Das Personal hat öfters darauf hingewiesen – es wurde aber gefordert, diese Kinder als anwesend zu führen", erzählt die Wienerin im "Heute"-Gespräch. Anna P. telefonierte damals sogar mit der damaligen MA-10-Chefin: "Sie erklärte mir, dass eine Kontrolle der Anwesenheitslisten aus datenschutzrechtlichen Gründen schwer möglich sei. Das sei ihnen zu mühsam und man könne das nicht nachkontrollieren."

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    Instagram, privat
    "Es wurde von uns verlangt, Unterschriften von Eltern für Betreuungsverträge zu fälschen" – ehemalige Mitarbeiterin von "Minibambini"

    Ein weiterer Vorwurf der Ex-Mitarbeiterin: "Es wurde von uns verlangt, Unterschriften von Eltern für Betreuungsverträge zu fälschen. Ich selbst habe es nicht gemacht, da ich mich nicht strafbar machen wollte", meint die Ex-Mitarbeiterin. Auf das Essen im Kindergarten angesprochen, erzählt Anna P.: "Das Essen wurde nie von einem Catering geliefert. Jeden Tag musste um 5 Uhr Früh eine Assistentin anrücken und kochen – es wird sogar damit auf der Homepage geworben. Die Qualität des Essens war zudem sehr schlecht und meist gab es zu wenig, etwa 30 Fischstäbchen für 20 Kinder." 

    Zehn Standorte des Vereins wurden von der Stadt Wien gefördert – von 2019 bis 2021 flossen rund 14,3 Millionen Euro. Doch die Mittel dürften auch für private Zwecke eingesetzt worden sein: "Mercedes, BMW und Porsche wurden als Privatautos verwendet, die neuesten Luxus-Handtaschen getragen. Die Obfrau soll zudem ein Riesen-Anwesen in Serbien besitzen, das wie ein Thermen-Ressort aussieht", erklärt die Wienerin.

    Auf den Anwesenheitslisten wurden Phantom-Kinder geführt.
    Auf den Anwesenheitslisten wurden Phantom-Kinder geführt.
    zVg

    Mitarbeiter arbeiteten Vollzeit, waren aber nur Teilzeit angemeldet

    Auch beim Personal zeigten sich die Betreiber nicht zimperlich: "Viele Mitarbeiter wandten sich an die Arbeiterkammer und die Finanzpolizei, weil sie durch den Steuerausgleich darauf gekommen sind, dass sie nur Teilzeit angemeldet waren, obwohl sie einen Vollzeitvertrag unterschrieben hatten und auch Vollzeit gearbeitet haben. Den Mitarbeitern wurde daraufhin mit Geldrückzahlungen und Urlaubsstreichungen gedroht oder sie wurden mit Geld bestochen. So wurden sie genötigt, nachträglich Unterschriften für eine Teilzeit-Anstellung abzugeben. Ich weiß von mindestens zwei ehemaligen Mitarbeiterinnen, die Anzeige bei der Polizei erstattet haben", berichtet Anna P.

    Auch die Zahlungsgebarung des Vereins wird nicht nur vom Stadtrechnungshof als ungewöhnlich bezeichnet: "Es wurde immer alles bar kassiert. Die Kinder hatten die Beträge in Kuverts mit, das wurde einmal pro Monat eingesammelt", so die Wienerin. Laut Stadtrechnungshof wurden auch Rechnungen in der Höhe von insgesamt 2,7 Millionen Euro und Parkstrafen aus der Vereinskassa bezahlt. 

    "Wenn es Renovierungsarbeiten an einem neuen Standort gab, wurden die Assistentinnen abgezogen und für diese Arbeiten, etwa zum Ausmalen, eingeteilt" – ehemalige Mitarbeiterin von "Minibambini"

    Zudem wurde laut Anna P. teilweise Personal angeführt, welches dort nicht beschäftigt war. Zeugnisse von ehemaligen Mitarbeitern sollen kopiert und gefälscht worden sein, damit Assistentinnen als Pädagoginnen ausgegeben werden konnten. Assistentinnen wurden auch "zweckentfremdet": "Wenn es Renovierungsarbeiten an einem neuen Standort gab, wurden die Assistentinnen abgezogen und für diese Arbeiten, etwa zum Ausmalen, eingeteilt. Sie haben dort teilweise bis Mitternacht gearbeitet."

    Nachdem Anna P. die Missstände im März 2021 bei der MA 11 gemeldet hatte, wurde ihre Nachricht "1:1 an die Vereinsobfrau weitergeleitet": "Obwohl ich die Beschwerde anonym verfasst hatte, fanden die Betreiber schnell heraus, dass ich es war. Im März ging ich in den Krankenstand, im Mai wurde ich dann gekündigt. Es handelt sich hier um einen riesigen Familien-Clan, der die österreichische Bürokratie ausnutzt und immer wieder damit durchkommt. Auch vor Drohungen wird nicht zurückgeschreckt."

    Die Mitarbeiter sollen gezwungen worden sein, Unterschriften auf Betreuungsverträgen zu fälschen.
    Die Mitarbeiter sollen gezwungen worden sein, Unterschriften auf Betreuungsverträgen zu fälschen.
    zVg

    Verein wurde 2021 von der Stadt überprüft

    Auch "Heute" fragte 2021 im Büro von Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr (Neos) nach und erhielt damals folgende Antwort: "Die Vorwürfe wurden zum Anlass genommen, eine sofortige Überprüfung der Trägerorganisation seitens der Stadt Wien einzuleiten. Im Rahmen der Kontrolle wurden Mängel festgestellt. Die Trägerorganisation wurde von der MA 10 aufgefordert, die festgestellten Mängel im Bereich der Mitarbeiter-Entlohnung und beim Personaleinsatz unverzüglich zu bereinigen. Eine weitere Überprüfung ergab, dass dies innerhalb der gesetzten Frist geschehen ist. Es handelte sich um sanierbare Mängel, die keine unmittelbare Veranlassung zu härteren Konsequenzen gegeben hätten."

    In Bezug auf die Fördergelder hieß es: "Die generelle Überprüfung der Verwendung der Fördermittel erfolgt standardisiert durch monatliche Leistungsnachweise, durch die Jahresabrechnung und bei Anlassfällen. Eine anonyme Beschwerde stellt einen solchen Anlassfall dar, das heißt, dass hier auch über die behaupteten Vorwürfe hinaus Überprüfungen stattfinden." Wie umfassend diese stattgefunden haben, wurde allerdings nicht bekannt gegeben.

    "Der Verein hat immer korrekt gehandelt. Einzig vier Rechnungen wurden nicht ordnungsgemäß verrechnet, dazu stehe ich auch" – Vereinsobfrau Vesna Jezdimirovic

    "Heute" bat zudem Vereinsobfrau Vesna Jezdimirovic um eine Stellungnahme: "Der Verein hat immer korrekt gehandelt. Einzig vier Rechnungen wurden nicht ordnungsgemäß verrechnet, dazu stehe ich auch. Leider haben wir nicht alle Unterlagen an den Stadtrechnungshof geschickt, das holen wir derzeit nach. Unser Rechtsanwalt, Werner Suppan, bereitet derzeit eine ausführliche Erklärung vor."

    Angesprochen auf die Vorwürfe der Ex-Mitarbeiterin erklärt Jezdimirovic: "Dies wurde bereits von der MA 10 und der MA 11 2021 untersucht. Die Vorwürfe wurden damals von allen Behörden entkräftet. Es gab zudem immer wieder Prüfungen." 

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