Wien

"Kindergärten trotz Lockdowns bummvoll mit Kindern!"

Eine Wiener Kindergartenpädagogin schlägt Alarm. Trotz Lockdowns sind die Gruppen überfüllt, die Betreuer am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Jochen Dobnik
Teilen
Eine Kindergartenpädagogin schlägt Alarm: "Wir sind am Limit und haben bald einen Nervenzusammenbruch"
Eine Kindergartenpädagogin schlägt Alarm: "Wir sind am Limit und haben bald einen Nervenzusammenbruch"
Liderina / istock

"Da den Eltern überlassen wird, ob sie ihr Kind in den Kindergarten bringen oder nicht - entscheidet sich die Mehrheit dafür, ihr Kind in den Kindergarten zu bringen - auch wenn jene Kinder gar keine Betreuung durch Kindergartenpädagoginnen benötigen würden. Das ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar!", lässt N. (Name der Redaktion bekannt), selbst Kindergartenpädagogin in Wien, ihrem Ärger in einem Schreiben an die "Heute"-Redaktion freien Lauf.

Wenig Verständnis für Lockdown-Eltern

Sie findet kein Verständnis für Eltern, die ihr Kind während eines harten Lockdowns in den Kindergarten bringen, obwohl sie selbst zu Hause sind und ihr Kind selbst betreuen könnten. Auch Türkis-Grün kriegt sein Fett ab. "Die Politik stellt uns auch keine FFP2-Masken wie den Lehrern zur Verfügung und es gibt auch keine Testungen im Kindergarten - denn im Kindergarten gibt es ja kein Corona!", poltert N.

"Doch wie sieht ein Tag im Kindergarten während dem Lockdown aus?!  
Nicht anders als die Tage zu vor!"

"Mittlerweile ist bewiesen, dass sich auch Kinder im Alter von 0-6 Jahren mit dem Coronavirus infizieren können und auch Überträger sind. Darum kann ich es noch weniger verstehen, warum Kindergärten bummvoll mit Kindern sind!"

"So kann es nicht weitergehen!"

Laut Regierung sollten Kontakte vermieden werden und - wenn überhaupt – sollte man nur Kontakt mit einem weiteren Haushalt haben. "Hier treffen täglich 25 Kinderhaushalte und zwei Erwachsenenhaushalte zusammen! Ohne jeglichen Schutz! Keine Maske beim Personal und keine Maske bei den Kindern! Ich brauche kein Rechengenie zu sein, um zu erkennen, dass dies in Kindergärten nicht der Fall ist!", schreibt N.

Diese Logik könne sie ich absolut nicht nachvollziehen und zeige ihr wieder einmal, wie mit der Gesundheit der Pädagoginnen und Assistentinnen umgegangen wird. Für N. ist klar: "Wir Pädagoginnen sind am Limit und haben bald einen Nervenzusammenbruch. So kann es nicht weitergehen!"

Hier ist N.s Schreiben im Originalwortlaut:

"Ich möchte Ihnen mal einen Einblick in den Beruf einer Kindergartenpädagogin geben... oder Elementarpädagogin wie es jetzt so toll heißt! In unserer Berufsbezeichnung sind wir von der "Tante" zur Elementarpädagogin aufgestiegen - aber die Wertschätzung für unseren Beruf ist leider mit den Jahren gesunken!!!!"

"Doch wie sieht ein Tag im Kindergarten während dem Lockdown aus?!  
Nicht anders als die Tage zu vor!"

Da den Eltern überlassen wird, ob sie ihr Kind in den Kindergarten bringen oder nicht - entscheidet sich die Mehrheit dafür, ihr Kind in den Kindergarten zu bringen - auch wenn jene Kinder gar keine Betreuung durch Kindergartenpädagoginnen benötigen würden! Beispielsweise weil sie sich in Karenz befinden oder arbeitslos sind. Ich würde Ihnen gerne eine Antwort darauf geben können, warum diese Eltern so handeln, ich kann es nur leider nicht - es ist für mich absolut nicht nachvollziehbar!"

"Sein Kind während eines harten Lockdowns in den Kindergarten zu bringen, obwohl man selbst zu Hause ist und sein Kind selbst betreuen könnte! Und sogar von der Politik eine 24h Ausgangssperre ausgesprochen wurde! Mittlerweile ist bewiesen, dass sich auch Kinder im Alter von 0-6 Jahren mit dem Coronavirus infizieren können und auch Überträger sind. Darum kann ich es noch weniger verstehen, warum Kindergärten bumm voll mit Kindern sind!"

"Ich arbeite in einem Haus mit rund 120 Kindern!"

"Mein Tag im Kindergarten: Ich beginne meinen Arbeitstag um 7:45 und setze meine Maske im Personalraum, und dann im Stiegenhaus auf und betrete den Gruppenraum der Sammelgruppe! Hier werden jene Kinder zusammen betreut, welche vor 8 Uhr einen Betreuungsplatz benötigen! Ich nehme meine 5-7 Kinder - die sich schon in der Sammelgruppe mit ca. anderen 8-12 Kindern aus anderen Gruppen befunden haben - mit in meinen Gruppenraum!"

"Diese Kinder haben eine noch höhere Wahrscheinlichkeit sich bei anderen Kindern angesteckt zu haben, da diese kunterbunt mit Kindern vom ganzen Haus betreut werden!"

"Angekommen in meinem Gruppenraum nehme ich meine Maske ab! Im Kindergarten wird nämlich empfohlen ohne Maske zu arbeiten, weil die Kinder unsere Mimik und Gestik für die Sprachentwicklung brauchen! Mein Schutz vor dem Virus ist somit dahin!"

"Ich mache alle Fenster auf, denn lüften ist laut Bildungsminister die Lösung! Also lüften wir auch wenn es draußen ein Paar grad über 0 hat! Nach und nach kommen meine Kinder. Diese werden von mir oder meiner Assistentin bei der Garderobentür in Empfang genommen und es wird Ihnen geholfen ihre Herbst- bzw. Winterkleidung und Schuhe auszuziehen! Anschließend müssen die Kinder mit Seife Hände waschen gehen! Die Eltern brauchen außer "Auf Wiedersehen" sagen nichts mehr tun!"

"Um ca. 9 Uhr sind alle Kinder meiner Gruppe anwesend! 25 Kinder!!! (in Wien eine ganz normale Kinderanzahl für eine Pädagogin und eine Assistentin)! Laut Regierung sollen Kontakte vermieden werden - und wenn überhaupt – soll man nur Kontakt mit einem weiteren Haushalt haben!"

"Ich brauche kein Rechengenie zu sein, um zu erkennen, dass dies in Kindergärten nicht der Fall ist!  Hier treffen 25 Kinderhaushalte und zwei Erwachsenenhaushalte täglich zusammen! Ohne jeglichen Schutz! Keine Maske beim Personal und keine Maske bei den Kindern! Selbst wenn ich als Pädagogin eine Maske tragen würde, würde diese mich nicht schützen da 25 Kinder im Alter von 3-6 Jahren keine Maske im Gruppenraum tragen!"

"Ich nehme die Kinder auf den Schoß, wenn sie Trost brauchen, gebe ich ihnen die Hand, wenn sie Hilfe beim Stiegen steigen benötigen, helfe ihnen beim An-Ausziehen von Kleidungstücken, helfe ihnen bei der Sauberkeitsentwicklung, muss teilweise noch Kinder wickeln und putze ihnen ständig die Nase!!! ABER… Beschäftigte im Kindergarten sind ab sofort trotzdem "nur" K2 Personen. Das besagt eine neue Richtlinie. Wenn ein Kind erkrankt, gelten Beschäftigte im Kindergarten nur noch als K2-Kontaktpersonen. Das heißt, sie müssen weiterhin ihren Dienst verrichten, ohne getestet zu werden. Diese Logik kann ich absolut nicht nachvollziehen und zeigt mir wieder einmal mehr, wie mit der Gesundheit der Pädagoginnen und Assistentinnen umgegangen wird!"

"Die Kinder halten keinen 1,5 m Abstand und Niesen und Husten nicht in die Armbeuge, nur um das gleich mal klarzustellen! Wird ein Spielzeug angehustet/ angeniest wird es umgehend von uns gewaschen und desinfiziert, denn so steht es im Hygienehandbuch der Corona-Maßnahmen für Kindergärten!"

"Sie können sich also vorstellen wie oft dies gemacht werden muss obwohl es eigentlich nicht zu meinem Arbeitsaufgaben als Pädagogin zählt, die Bindungsarbeit bleibt somit auf der Strecke! Bei den Mahlzeiten wird nicht mehr auf Selbständigkeit geachtet, was jahrelang verpönt war (den Kindern essen auszuteilen) ... ist jetzt wieder ganz normal und wird sogar vorgeschrieben! Wir decken den Kindern den Tisch und teilen den Kindern das Essen aus, damit sich bloß keine Viren in das Essen "verirren" können!"

"Wir reden aber von denselben Kindern die zuvor alle eng zusammen in den jeweiligen Bereichen zusammen gespielt, und sich gegenseitig angehustet und angeniest haben!!!"

"Diese selben Kinder dürfen ebenfalls nicht zusammen mit mir der Pädagogin einen Morgenkreis mit Liedern, Fingerspielen , Bewegungseinheiten oder Sachgesprächen abhalten. Warum? Na weil sie dann den Mindestabstand von 1,5m im Morgenkreis nicht einhalten können."

"Wir reden aber noch immer von den selben Kindern die zuvor eng zusammen in den unterschiedlichen Bereichen zusammen gespielt , sich angeniest und angehustet haben! Verständlich, oder???"

"Ab 14 Uhr werden die ersten Kinder abgeholt! Natürlich auch hier von mir oder meiner Assistentin schon fix und fertig angezogen den Eltern übergeben. Ab 16 Uhr gibt es wieder eine Sammelgruppe. Hier befinden sich auch wieder alle Kinder vom ganzen Haus, welche noch eine Betreuung nach 16 Uhr benötigen. Auch hier sind Kinder in Betreuung, deren Eltern arbeitslos sind oder sich in Karenz befinden! Logisch? Für mich nicht!!! Schon gar nicht während eines Zweiten Lockdowns! Hier werden die Gruppen also nochmals durchgemischt!"

"Keiner weiß, ob sich von den 120 Kindern in unserem Haus, die wir tagtäglich betreuen, eines mit dem Virus angesteckt hat und/oder Überträger ist! Wenn mein Dienst zu Ende ist kann ich jeden Tag beten und hoffen, dass mich keines der Kinder mit dem Virus angesteckt hat und ich dieses Virus nicht mit nach Hause zu meinem Mann und Kind nehme!"

"Zusätzlich kommt noch hinzu, dass es seit Jahren bei den Pädagoginnen Personalmangel gibt. Es fehlt an zusätzlichem Personal! Gerade wegen Corona fehlen aufgrund von Verdachtsfällen, positiven Covid-19-Fällen und Quarantäneeinhaltungen noch mehr Pädagoginnen und Assistentinnen im Kindergarten! In solchen Fällen ist der Tagesablauf wie oben beschrieben derselbe nur das ich alles ALLEINE und OHNE Hilfe meiner Assistentin zu erledigen habe! Denn es gibt kein zusätzliches Personal!"

"Wir Pädagoginnen und Assistentinnen im Kindergarten bemühen uns - trotz allem - den Kindern einen sicheren und geregelten Tagesablauf zu geben! Die Anerkennung und Wertschätzung der Politik dafür ist gleich Null! Im Gegenteil - sie erlauben allen Eltern ihre Kinder in den Kindergarten zu bringen obgleich berufstätig oder nicht! Und hier liegt der große Fehler!!"

"Hier könnte man die Gruppe verkleinern gerade während dem Lockdown!!! Sind wir doch ehrlich: Kein Kind wird einen psychischen Schaden erleiden, wenn es drei Wochen ohne seine Kindergartenfreunde auskommen muss und dafür aber die Zeit mit Mama und Papa bzw. Geschwister verbringen darf!"

"Die Politik stellt uns auch keine FFP2-Masken wie den Lehrern zur Verfügung und es gibt auch keine Testungen im Kindergarten.... denn im Kindergarten gibt es ja kein Corona!"

"Ich kann nur so viel sagen: 'Wir Pädagoginnen sind am Limit und haben bald einen Nervenzusammenbruch. So kann es nicht weitergehen!'
·         keine Wertschätzung der Politik und teilweise der Eltern
·         Schlechte Bezahlung  
·         Die Anforderungen und Aufgabengebiete einer Pädagogin werden immer mehr
·         Zu viele Kinder in den einzelnen Gruppen
·         Zu wenig Personal

"Wenn sich nicht bald etwas ändert, wird kein Schüler oder Absolvent der BAfEP (Bildungsanstalt für Elementarpädagogik) in diesen Beruf einsteigen wollen. Und wir - die diesen Beruf schon jahrelang ausüben - werden uns anderweitig umschulen lassen. Denn unter diesen Rahmenbedingungen will keiner mehr diesen Beruf ausüben und täglich seinen Dienst antreten! Bald stehen wir vor leeren Gruppenzimmern, aber nur weil es kein Kindergartenpersonal mehr gibt!!!!"

1/63
Gehe zur Galerie
    <strong>25.04.2024: Kein Auto, kein Haus – so lebt René Benko.</strong> Erstmals seit der Signa-Pleite zeigte sich Unternehmer René Benko der Öffentlichkeit. Der Tiroler erschien am Mittwoch in Innsbruck vor Gericht. <a data-li-document-ref="120033251" href="https://www.heute.at/s/kein-auto-kein-haus-so-lebt-rene-benko-120033251">Die Details &gt;&gt;&gt;</a><a data-li-document-ref="120033229" href="https://www.heute.at/s/jetzt-droht-beliebtem-lebensmittel-das-bittere-aus-120033229"></a>
    25.04.2024: Kein Auto, kein Haus – so lebt René Benko. Erstmals seit der Signa-Pleite zeigte sich Unternehmer René Benko der Öffentlichkeit. Der Tiroler erschien am Mittwoch in Innsbruck vor Gericht. Die Details >>>
    EXPA / APA / picturedesk.com