Österreich

Kindergarten-Verein geht gerichtlich gegen Stadt vor

Heute Redaktion
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Tina Hach (M.) und Helga Plachenka (r.) kämpfen ums Überleben des Kindergartens "Bärli Brumm Brumm".
Tina Hach (M.) und Helga Plachenka (r.) kämpfen ums Überleben des Kindergartens "Bärli Brumm Brumm".
Bild: Denise Auer

Im November widerrief die Stadt die Betriebsbewilligung für den Kindergarten "Bärli Brumm Brumm". Ende Jänner hat der Verein Beschwerde beim Wiener Verwaltungsgericht eingereicht.

Vor 46 Jahren gründete Helga Plachenka (74) die multikulturelle Kindergruppe "Bärli Brumm Brumm" in Hernals. In dem Kindergarten und Hort werden derzeit rund 60 Kinder betreut: "Jahrzehntelang haben wir alles gut gemacht, und auf einmal passt es nicht mehr", ist Plachenka verärgert.

Denn geht es nach der MA 10 (Wiener Kindergärten) sind die 74-Jährige und ihre Tochter Tina Hach (45) – sie war Obfrau des Kindergarten-Vereins und ist nun Schriftführerin – "nicht geeignet, die bestmögliche körperliche und seelisch-geistige Entwicklung der Kinder zu gewährleisten."

Joghurtbecher ohne Ablaufdatum bemängelt

Im Juni 2018 stoppte die Stadt die monatlichen Förderzahlungen in Höhe von 18.000 Euro (heute.at berichtete). "Der Wiener Bildungsplan wird nicht eingehalten und es gibt gravierende Mängel in Bezug auf Sicherheit und Hygiene", begründete die MA 10 die Entscheidung.

Bemängelt wurden etwa Joghurtbecher ohne ersichtliches Ablaufdatum und eine offene Wurstaufschnitt-Verpackung ohne vermerktes Öffnungsdatum im Kühlschrank. Aber auch eine schadhafte Puppenküche und teils mangelhaftes Spiel- und Beschäftigungsmaterial, bei dem der Aufforderungscharakter fehlte. Plachenka dazu: "Bei jeder Begehung wurde etwas anderes beanstandet, wir haben die Mängel danach immer behoben."

Beschwerde gegen Widerruf der Betriebsbewilligung

Doch es blieb nicht nur beim Förderstopp: Im November widerrief die Stadt auch die Betriebsbewilligung. Plachenka will nicht freiwillig das Handtuch werfen, obwohl das finanzielle Überleben der Kindergruppe ohne Förderungen kaum möglich ist. Der Verein legte daher am 28. Jänner Beschwerde beim Wiener Verwaltungsgericht gegen den Widerruf der Betriebsbewilligung ein: "Unsere Anwältin, Frau Fessl, wollte am nächsten Tag Akteneinsicht, die ihr aber verwehrt wurde. Und es hieß plötzlich: Die für den Fall zuständige Richterin ist krank – mindestens einen Monat lang. Ein komischer Zufall, oder?", findet Plachenka.

"Es entsteht der Eindruck, dass hier auf Zeit gespielt wird. Denn unter Umständen erledigt sich die Causa von selbst, wenn der Verein insolvent wird", erklärt Silvia Fessl von der Kanzlei Wolf Theiss.

Wiener Bildungsplan ist rechtswidrig

Über 20 Seiten umfasst die Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Der Kernpunkt darin: Der Wiener Bildungsplan ist rechtswidrig. Denn: "Da der Bildungsplan weder Gesetz noch Verordnung darstellt, ist er als bloßer Erlass der MA 10 zu qualifizieren, welche aber entsprechend der Judikatur des VwGH gerade keine maßgebende Rechtsquellen darstellen."

Ein weiterer Grund: Der Bildungsplan sei – wohl auch bewusst – derart allgemein programmatisch formuliert, dass der Rechtsunterworfene sein Verhalten gerade nicht danach richten kann, das heißt: "Der Bildungsplan ist äußerst dehnbar. Wenn Sie als Behörde einen Grund finden wollen, einem Kindergarten die Bewilligung zu widerrufen, dann finden Sie einen", meint Fessl. Die Rechtsanwältin führt daher in den Anregungen an das Verwaltungsgericht an, das Wiener Kindergartengesetz (WKGG) zu prüfen und den Wiener Bildungsplan aufgrund seiner Gesetzeswidrigkeit aufzuheben.

Innerhalb von sechs Monaten muss das Verwaltungsgericht eine Entscheidung treffen, bis dahin darf der Kindergarten weiter geöffnet sein – sofern es die Betreiber finanziell schaffen.

Seit 2017 mussten 122 Einrichtungen schließen

Muss der Verein "Bärli Brumm Brumm" Insolvenz anmelden, steht er nicht allein da: Seit Jahresbeginn 2017 bis Ende 2018 mussten insgesamt 122 Einrichtungen schließen. "Waren es 2017 noch 86 Einrichtungen, ist die Zahl im Jahr 2018 auf 36 gesunken: Es zeigt sich, dass durch die neuen Vorgaben und Kontrollen viele möglicherweise problematische Einrichtungen bereits in den Vorjahren geschlossen haben oder erst gar nicht an den Start gehen. Dadurch fiel die Zahl der Schließungen 2018 bereits niedriger aus", heißt es aus dem Büro von Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SP).

Wer dem Verein "Bärli Brumm Brumm" helfen möchte: Mail an [email protected]