Österreich

Kinderschänder bekam 12 Jahre: Aber kein Tag Haft

Heute Redaktion
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Am 15. November 2016 wurde ein Rentner in Wien zu zwölf Jahren Haft verurteilt, weil er seine drei Neffen Hunderte Male sexuell missbraucht hatte. In Strafhaft saß er noch keinen Tag.

Ausnützen eines kränkelnden Justizapparates oder Milde mit einem kranken und somit harmlosen Mann? Die Geschichte selbst sorgt jedenfalls für kalte Schauer: Ein pensionierter Wiener missbrauchte in den 1980er und 1990er Jahren Hunderte Male seine drei Neffen. Bereits im November 2016 wurde der damals 75-Jährige deshalb zu zwölf Jahren Haft und einem Schmerzensgeld von 214.000 Euro am Wiener Landesgericht verurteilt ("Heute" berichtete).

Die mittlerweile erwachsenen Opfer hatten in ihrer Kindheit viel Zeit mit ihrem Onkel verbracht - sie übernachteten immer wieder bei ihm im Haus und urlaubten zusammen. Der Schein des "netten Familienlebens" trügte, denn hinter geschlossenen Türen soll es zu Hunderten Übergriffen gekommen sein. Der Mann war nicht, wie alle glaubten, der nette Onkel, sondern ein "Teufel, der sich Kinderseelen gekauft hat", so der Richter am Oberlandesgericht, der das Urteil von der damaligen Schöffensenatsvorsitzenden Nina Steindl bestätigte.

Der Fall war ins Rollen gekommen, als eines der Opfer, der älteste Neffe, seinen Onkel 2003 anzeigte. Vor Gericht gaben alle drei Missbrauchsopfer an, von ihrem wohlhabenden Verwandten Geld für die sexuellen Handlungen bekommen zu haben. Ein Gutachten bescheinigte den Opfern schwere psychologische Folgen.

2016 legte der damals 75-jährige Mann beim Prozess ein Teilgeständnis ab. Er gab zu, mit den Buben sexuelle Handlungen durchgeführt zu haben, erkannte damit die Privatbeteiligtenforderung (Schmerzensgeld) der drei Kläger über 214.000 Euro an, wollte aber noch gegen die Höhe der verhängten Haftstrafe von zwölf Jahren Berufung einlegen.

Kinderschänder immer noch auf freiem Fuß

Nun, knapp zweieinhalb Jahre nach der Schuldsprechung, meldet sich eines der Opfer bei der "Heute"-Redaktion und behauptet: "Mein Onkel ist trotz Verurteilung immer noch auf freiem Fuß, obwohl ein Gutachten die Hafttauglichkeit bescheinigt. Ich habe ihn voriges Wochenende in einem Biergarten im Wiener Prater gesehen."

Tatsächlich hätte der verurteilte Verwandte die zwölf Jahre lange Haft antreten sollen. Das bescheinigt sogar ein Gutachten aus dem Jahr 2016 (siehe Fotoshow oben). Doch er ist noch immer nicht hinter Gitter. Sein Gesundheitszustand hätte dies nicht zugelassen, heißt es in einem "Kurier"-Bericht aus dem Jahr 2017.

Haftuntauglich

Fakt ist: Der mittlerweile 78-Jährige ist auf freiem Fuß, hat noch keinen Tag in Strafhaft gesessen. Denn: Der Rentner ist vollzugsuntauglich. Das bestätigte schließlich auch Christina Salzborn, Leiterin der Medienstelle des Landesgerichtes Wien: "Im gegenständlichen Fall besteht nach § 5 StVG (Anm.: Strafvollzugsgesetz) ein Aufschub des Strafvollzuges wegen Vollzugsuntauglichkeit. Nähere Angaben sind aufgrund des Umstandes, dass es sich um den höchstpersönlichen Lebensbereich handelt, nicht möglich."

Ein renommierter Jurist erklärt: "In der Strafhaft gelten andere Spielregeln als in der Untersuchungshaft. Das heißt aber nicht, dass der verurteilte Straftäter dann für immer haftuntauglich ist. In einem weiteren Gutachten könnte er dann theoretisch hafttauglich sein. Nur je älter und kränklicher die Person, desto unwahrscheinlicher."

M. Zdziarski, J. Lielacher (zdz, frp, lie)