Wintersport

Kirchgasser: "Ich konnte nicht aufhören, zu weinen"

Michaela Kirchgasser ist Ski-Heldin und Dancing-Stars-Siegerin. Im "Heute"-Talk spricht sie über die ÖSV-Krise, Freundin Veith und Tränen als Mama. 

Martin Huber
Michaela Kirchgasser: ",Bist wieder vier Tage deppert' hat es bei uns geheißen."
Michaela Kirchgasser: ",Bist wieder vier Tage deppert' hat es bei uns geheißen."
Thomas Ramstorfer / First Look / picturedesk.com

Keine WM-Goldmedaille! Österreich ist nicht mehr die Ski-Nation Nummer 1. Warum?

"Wenn man so wie heuer bei den Damen vor der Saison alles auswechselt, dann ist es logisch, dass nichts mehr greift. Für die Mädels war das verheerend und schade. Es ist aber nicht neu, dass ÖSV-Trainer und damit Know-how ins Ausland gehen. Ich glaube, wir kriegen eine Rechnung präsentiert. Aber nicht vergessen: Auch die Schweiz hat vor zehn, 15 Jahren ein ziemliches Loch gehabt und ist jetzt so stark wie fast noch nie. Ich hoffe, unser Loch dauert nicht so lange."

Ist der ÖSV zu sehr "Wellness-Oase", wie Patrick Ortlieb anprangerte?

"Ich kann es nicht nachvollziehen, dass der Herr Ortlieb einen Sauhaufen übernommen hat. Wenn er etwas übernimmt, dann wird er sich das ja vorher überlegt haben, ob er das tut oder nicht. Und es betrifft ja auch seine eigene Tochter. Ist die in einer Wellness-Oase? So giftige Pfeile über die Medien während der Saison in die Mannschaft zu setzen, finde ich unpassend. Zeitpunkt und Wortwahl waren schlecht. Ich glaube, er hätte es als Athlet auch nicht gerne gehabt, nach einigen Wochen so einen Druck zu kriegen von der ÖSV-Spitze."

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    Das machen die Ex-ÖSV-Stars heute. Österreichs größte Ski-Legenden im Ruhestand.
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    ORF-Experte Hans Knauß stärkte Ortlieb in "Heute" den Rücken: "Der ÖSV ist zu aufgeblasen", meinte Knauß. Richtig?

    "Das Grundübel des ÖSV ist, dass er zu groß ist. Wenn der Hans davon redet, dass sie sich beim Training in Läufen niedergeprügelt haben, dann mag das so sein. Aber im ÖSV fahren dann eben nicht 15 durch einen Lauf, sondern 25. Dann wird die Piste zum Faktor und als Fahrer kannst du nicht mehr Ski und Material testen. Darum gibt es auch gute Gründe, die Gruppen klein zu halten. Aber die Probleme liegen im Detail."

    "Die Eltern werden vom ÖSV finanziert, sie hindern aber die Trainer an der Arbeit"

    Wo denn genau?

    "Ein Beispiel: In den letzten fünf Jahren hat man beim ÖSV die Türen aufgemacht, dass familiäre Unterstützung bei den Rennen dabei sein darf. Das halte ich persönlich für schlecht, weil es viele Läuferinnen hemmt. Der emotionale Filter funktioniert dann nicht. Wenn ein Vater oder eine Mutter mit dabei sind und etwas sagen, wirkt das anders als von einem Trainer. Das hörst du als Fahrer einfach anders, nimmst es anders wahr. Es gibt Fälle, wo Elternteile die Läuferinnen hindern und schwächen. Die Eltern werden vom ÖSV finanziert, sie hindern aber die Trainer an der Arbeit und sind ein Stressfaktor. Manche Läuferin ist einfach besser, wenn die Eltern nicht dabei sind. Und ist einmal eine schlechte Stimmung drinnen, kriegst du die nicht leicht raus."

    Michaela Kirchgasser gewann als Skifahrerin drei Weltmeister-Titel mit der Mannschaft. 2013 in Schladming holte sie bei der Heim-WM Silber im Slalom. Sie gewann drei Weltcuprennen. Nach der aktiven Karriere gewann die Salzburgerin die beliebte ORF-Unterhaltungsshow "Dancing Stars". Heute ist die 37-Jährige Mutter von Sohn Fabio und gefragte Werbefigur für Marken wie Milka. 
    Michaela Kirchgasser gewann als Skifahrerin drei Weltmeister-Titel mit der Mannschaft. 2013 in Schladming holte sie bei der Heim-WM Silber im Slalom. Sie gewann drei Weltcuprennen. Nach der aktiven Karriere gewann die Salzburgerin die beliebte ORF-Unterhaltungsshow "Dancing Stars". Heute ist die 37-Jährige Mutter von Sohn Fabio und gefragte Werbefigur für Marken wie Milka. 
    GEPA

    Mit Roswitha Stadlober ist seit dieser Saison eine Frau die Chefin im ÖSV. Was hat sie bewegt?

    "Die Roswitha hat gesagt, wer Sportchef und wer Damen-Chef wird. Sie hat mit der Krise meiner Meinung nach nicht so viel zu tun, muss aber medial viele Feuer löschen. Sie hatte es von Anfang an schwierig. Der ÖSV war und ist immer noch männerlastig. Im Präsidium schaden weibliche Gedanken aber nicht. Man muss sie halt auch umsetzen können. Die Frage ist, ob sie das darf."

    "Als Frau musst du dich immer doppelt beweisen oder doppelt erklären"

    Stadlober meinte zuletzt, sie werde als Frau genauer beobachtet: Sie kriege Mails für ihr Outfit. Haben Sie das auch erlebt?

    "Ja. Als Frau musst du dich immer doppelt beweisen oder doppelt erklären. Es wird besser, aber es geht sicher noch besser. Das mit dem doppelt beweisen, war für mich ganz normal. Bei den Männern ging viel, was bei uns nicht ging."

    Stadlober wird natürlich verglichen mit der Ära Schröcksnadel: War es früher besser?

    "Zu meiner Zeit hat es genauso Fehler und Probleme gegeben. Die sind aber immer intern behandelt worden. Das war heuer nicht so. Darum finde ich die Attacke von Ortlieb unter der Gürtellinie und schlecht. Ich war immer sehr emotional. War irgendwo eine negative Stimmung drin, habe ich mich betroffen gefühlt. Dann bist du in keiner Komfortzone, dass du als Läuferin aus dir herausgehen kannst."

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      Zeitreise: Die besten Bilder von Michi Kirchgasser
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      GEPA

      Apropos Komfortzone: Marcel Hirscher meinte nach der Karriere, dass er sich frei fühlt. Sie jetzt auch?

      "Mein Gedanke war: Endlich keine OP. Endlich tut nichts mehr weh. Das Skifahren ging mir ab, das tat schon weh. Auch das erste Rennen vor dem Fernseher hat mir weh getan. Aber ich habe die letzten Jahre immer funktionieren müssen. Jedes Jahr habe ich nach der Saison operieren gehen müssen – neun Jahre lang. Dann Therapie, Therapie, Therapie. Ich habe immer später in der Saison mit dem Skifahren begonnen, hatte nie eine Vorbereitung nach Plan. Das war das Mühsame."

      Sie sind jetzt Mutter vom vier Monate alten Fabio. Wie hat sich Ihr Leben verändert?

      "Ich habe viel erleben dürfen, aber der schönste Abschnitt in meinem Leben ist jetzt mit Fabio. Er ist ein unglaublich liebes, aber auch ein einstiegsfreundliches Baby für uns Eltern. Er ist brav und tut uns extrem schön. Ich bin glücklich wie nie."

      Fädeln Sie als Mutter auch einmal ein?

      "Der Fabio ist vier Monate alt – und ich bin eigentlich permanent auf Wolke sieben. Außer am ersten Tag daheim, dem vierten Tag nach der Geburt, da haben mich die Hormone übermannt. Ich habe Frühstück gemacht, habe in den Stubenwagen reingeschaut und einfach zu weinen begonnen. Ich konnte nicht aufhören, obwohl alles gepasst hat. Es war eine neue Form von Hormonen, die ich noch nie so gespürt habe. Ich habe dann meine Mutter angerufen, die gekommen ist. Wir haben dann geredet und es ist besser geworden. Es hat mir gezeigt, dass ich nicht alles unter Kontrolle habe ab sofort."

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        So schnitten die ÖSV-Stars bei der Ski-WM ab
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        GEPA

        Was bleibt für Sie vom Leben im Ski-Zirkus? Echte Freundschaften?

        "Ja, definitiv die Veith Anna. Wir fahren wieder gemeinsam auf Urlaub. Wir versuchen, dass wir uns wöchentlich treffen. Telefonieren tun wir auf jeden Fall wöchentlich. In stressigen Zeiten sehen wir uns alle zwei, drei Wochen. Wir haben einen guten Kontakt, das freut mich sehr. Auch mit der Hosp Nici habe ich noch viel Kontakt, wir golfen gerne. Und auch mit der Obermoser Gitti bin ich noch unterwegs."

        Werden Sie bei Ski-Kinderrennen im Zielraum mit Anna Veith stehen und die Zeiten der Kinder vergleichen?

        "Völlig ausgeschlossen ist das nicht. Ob wir die Zeiten vergleichen, wird davon abhängen, wie ehrgeizig wir zwei dann sind. Ich würde jetzt gerne sagen, dass mir das dann wurscht ist, aber ich kann es nicht sicher sagen (lacht). Da müsste ich lügen. Wenn der Fabio den Ski-Weg einschlägt, werde ich ihn unterstützen. Ich weiß, dass es ein harter Weg ist. Wenn er ihn nicht geht, ist es mir wahrscheinlich auch gleich.“

        Mikaela Shiffrin stößt im Ski-Rennsport in neue Dimensionen vor. Sie setzt aber auch Themen, sprach zuletzt im ORF ihre Menstruation an. Richtig und wichtig?

        "Ja. Für junge Sportlerinnen ist es wichtig, dass man die Scheu verliert, mit dem Trainer zu reden, wenn man Regelschmerzen hat. Eine 14-Jährige geht nicht einfach so zum Trainer und sagt: ,Ich kann heute nicht trainieren, mir tut alles weh.' Da ist eine Hemmschwelle da. Der Versprecher vom ORF-Kommentator Brunner Peter war zunächst lächerlich. Im Nachhinein ist es gut, dass er passiert ist. Sonst wäre das nie diskutiert worden."

        ",Bist wieder vier Tage deppert' hat es bei uns geheißen"

        Wie war das zu Ihrer Zeit?

        ",Bist wieder vier Tage deppert' hat es bei uns geheißen. Es war ein Tabu. Leider. Im Spitzensport tut man so viel im mentalen Bereich oder beim Material, um die Beste zu sein. Und beim Wesentlichsten, dem Körper, wird immer noch weggeschaut. Dabei gibt es mittlerweile sportwissenschaftliche Erfahrungswerte um den Zyklus, wann man wie trainieren soll, wann Krafttraining am besten ist. Da gibt es noch so viel Potential. Es ist faszinierend, was der weibliche Körper alles kann. Ich habe das jetzt als Mutter am eigenen Leib erfahren dürfen. Das sollte und darf kein Tabu-Thema mehr sein."

        Hätte es in Ihrer Karriere etwas ändern können?

        "Ich habe gegen Ende meiner Karriere eine Hormonbestimmung gemacht wegen den Verhütungsmitteln. Es wurde dabei bestimmt, wie die sich auf meinen Körper auswirken. Da kam heraus, dass sich bei mir das schlecht auf den Knorpel auswirkt. Ich hatte meine ganze Karriere immer Knorpelprobleme. Für mich kam die Info leider zu spät. Wenn ich das gewusst hätte, nehme ich etwas anderes und wäre der Knorpel nicht das Problem. Was mir da alles erspart geblieben wäre."

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          Das sind die Ski-Weltmeister von Courchevel/Meribel
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          GEPA, Montage "Heute"