Politik

Warum Kurz-Prozess mit einer Art "Doorstep" startet

Putin in Peking, Biden in Israel, Kurz vor Gericht. Österreich und die Welt haben am Mittwoch unterschiedliche Drehmomente.

Christian Nusser
Wissen, was ist – eine Kolumne von Dr. Christian Nusser
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Helmut Graf, Grafik "Heute"

Kurz im SUV Es wird alles ein bisschen so sein wie früher, in der guten oder schlechten alten Zeit, alles eine Frage der Sichtweise. Irgendwann um 9 Uhr herum lässt sich Sebastian Kurz heute, Mittwoch, in seinem schwarzen BMW 5 in die Nähe des Wiener Landesgerichts chauffieren. Die letzten Meter muss er zu Fuß gehen – Baustelle. Eine Traube aus Reportern, Fotografen, Kameraleuten wird ihn zum Vordereingang begleiten. Little Hollywood in Wien-Josefstadt.

Kurzes Statement Was andere beklemmt, wirkt auf Kurz wie eine Familienpackung Red Bull. Auf den Stufen hinauf zum Großen Schwurgerichtssaal befindet sich ein kleiner Vorsprung. Auf dieser Art Podium wird Kurz die Gelegenheit beim zurückgekämmten Schopf packen und sich erklären. Nicken, lächeln, seiner unbändigen Zuversicht auf einen Freispruch Ausdruck verleihen, selbstverständlich unter Wahrung der Autorität des Gerichts. Kamerateams wurden gestern auf die Örtlichkeit des Moments aufmerksam gemacht. "Doorstep" nannte man den Vorgang in der Zeit, als Kurz noch Bundeskanzler der Republik war. In der guten oder schlechten alten Zeit.

Neben-Hauptperson Um 9.30 Uhr beginnt das Verfahren. 739 Tage nach dem Seitwärts-Rücktritt und 679 Tage nach dem Ausscheiden aus dem Nationalrat und damit aus der Politik, wird Kurz der Prozess gemacht. Er ist nicht die zentrale Figur, hauptangeklagt ist Bettina Glatz-Kremsner, Ex-Managerin der Casinos Austria AG, aber natürlich trotzdem. Hier sitzt nicht allein ein gewesener Politiker auf der Anklagebank, sondern ein System, das er erschaffen hat und das System ihn.

"Nein" oder "na", das entscheidet Prozess

150 Personen passen in den Großen Schwurgerichtssaal, die Akkreditierungen gingen weg wie neuerdings Länderspielkarten. 83 Journalisten berichten, es handelt sich um ein lokales Ereignis von zumindest Europageltung. Auf der Anklagebank sitzt neben Glatz-Kremsner auch Bernhard Bonelli, früher Kabinettschef im Kanzleramt. Die beiden müssen sich ihre Anwälte selbst bezahlen, dem Ex-Kanzler springt die Partei bei. Zweiklassen-Medizin gibt es nicht nur in der Medizin.

24. Juni 2020, Kurz ist als Auskunftsperson in den U-Ausschuss geladen. Es geht um die Bestellung von Thomas Schmid zum Alleinvorstand der Staatsholding ÖBAG. Kurz soll seine Rolle dabei heruntergespielt haben. "Nein" oder "na", beantwortet er die Frage, ob er mit Schmid darüber gesprochen habe. Die Deutung des Wortes auf dem Protokoll-Tonband wird in den kommenden Wochen entscheidend sein.

Keine Beichte… Kurz könnte sich auf "Aussagenotstand" berufen, also zugeben, dass er, aus einer Notlage heraus, gelogen hat, "um von sich oder einem Angehörigen Schande oder die Gefahr strafrechtlicher Verfolgung oder eines unmittelbaren und bedeutenden vermögensrechtlichen Nachteils abzuwenden", wie es im Strafgesetzbuch steht. Dann käme es zum Blitzfreispruch, aber an Kurz würde der Vorwurf der Lüge lebenslang kleben bleiben. Niemand rechnet mit seiner Beichte.

… auch nicht vor Weihnachten Die Anklage wegen Falschaussage ist 108 Seiten dick, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) hat 21 Zeuginnen und Zeugen beantragt, die Verteidiger Otto Dietrich und Werner Suppan pokern noch. Auf Michael Radasztics, erst seit Jahresbeginn Richter, vorher 15 Jahre Staatsanwalt, warten viele Verhandlungstage, wohl über Weihnachten hinaus. Am Krippenspiel beteiligt sich heuer in Österreich ein ganz neuer Personenkreis.

Keine Flüchtlinge Abseits des lokalen Weltereignisses sucht die Erde ihre neue Achse. US-Präsident Joe Biden reist heute, Mittwoch, nach Israel, eine heikle Mission. Nicht allein, weil Dienstagabend ein Spital in Gaza von einer Rakete getroffen wurde, es Dutzende Tote geben soll. Die Terrorgruppe Hamas beschuldigt Israel, es dürfte allerdings die Terrororganisation Islamischer Dschihad dafür verantwortlich sein. Amerikas Unterstützung des Verbündeten ist ungebrochen, aber im "60 Minutes"-Interview auf CBS betonte Biden nun mehrfach, dass der Schutz von Zivilisten im Gazastreifen gesichert sein müsse, eine neue Tonalität. Der Konflikt ist nun auch Thema im US-Wahlkampf. Alle relevanten Kandidaten der Republikaner haben sich darauf verständigt, keine palästinensischen Flüchtlinge in die USA zu lassen.

Orban schert aus Russlands Präsident Wladimir Putin ist seit Dienstag in China, traf zum "Projekt Neue Seidenstraße" Staatspräsident Xi Jinping – und Ungarns Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Die Außenpolitik der EU tritt wieder einmal geschlossen auf wie ein Käsebrot.

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