Politik

Kickl ist kein Dämon mehr – kann er SO Wahl gewinnen?

Zeugnis für Österreichs Politiker: Warum Kickl als "Volkskanzler" punktet, die SPÖ nicht vom Fleck kommt – und Türkis-Grün dringend nachsitzen sollte. 

Clemens Oistric
Ein <em>"Heute"</em>-Kommentar von Clemens Oistric
Ein "Heute"-Kommentar von Clemens Oistric
Denise Auer, Grafik "Heute"

Die blaue Welle. In der beginnenden Urlaubssaison liegt sie nun vor Hunderttausenden Österreichern – Abtauchen am Meer, Pool oder im Freibad. Aber steht sie Österreich auch politisch bevor? Gut möglich. Das Polit-Zeugnis von "Heute" hat es zum Schulschluss 2023 in sich – und ist vor allem für die Regierung eine schallende Ohrfeige:

➤ Die FPÖ liegt in der Sonntagsfrage mit stabilen 30 Prozent schon sieben Punkte vor der Babler-SPÖ. Die ÖVP wird aktuell nur noch auf 21 Prozent hochgeschätzt.

➤ Nicht einmal ein Drittel (!) der Österreicher steht noch hinter Türkis-Grün. Die heillos zerstrittene Koalition kommt zusammen lediglich auf 31 Prozent Zustimmung.

➤ Herbert Kickl ist kein innenpolitischer Dämon mehr. Erstmals in der Geschichte liegt er bei der "Heute"-Kanzlerfrage in Front. Heißt: 21 Prozent würden ihn direkt ins Kanzleramt wählen, wenn sie dies könnten. Bei Karl Nehammer würden dies 19 Prozent tun. Andreas Babler liegt bei trostlosen 14 Prozent – gleich schlecht wie Amtsvorgängerin Rendi-Wagner.

Ist Herbert Kickl noch zu stoppen? Aus heutiger Sicht schwer vorstellbar. Die Unzufriedenheit mit der Regierung hat ein nie dagewesenes Ausmaß angenommen. Statt wirksamer Teuerungshilfen – etwa einer Mietpreisbremse – richtet sich Türkis-Grün via Medien wechselseitig Bosheiten aus und belastet die Österreicher in Zeiten einer Rekordteuerung sogar noch weiter. Die Gewessler-Spritsteuer macht das Tanken teurer. Ab morgen kürzt die öko-soziale (?!) Regierung das Pendlerpauschale. Und für den ORF, den ein Drittel der Österreicher nicht vermissen würde, müssen ab Jänner auch all jene Menschen 184 Euro berappen, die ihn gar nicht sehen wollen. Noch vor dem Sommer will Susanne Raab ihr uninspiriertes ORF-Gesetz mit Regierungsmehrheit im Parlament beschließen.

Als "Volkskanzler" auf Platz 1

Herbert Kickl ist indes zum überzeugendsten Angebot für alle Frustrierten geworden – eine Art "letzte Hoffnung". Längst sind es nicht mehr Rechts-Rechte, Ausländerhasser und Ewiggestrige, die mit ihm liebäugeln. Der FPÖ-Obmann ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen; er punktet laut neuer "Unique Research"-Daten bei Jungen, ehemaligen Kurz-Wählern und Menschen im Haupterwerbsalter. Galt der rabiate Kickl lange als bremsendes Element für die Blauen, ist diese These nicht mehr länger haltbar. Sein – zugegeben – grenzwertiges Wording, der neue "Volkskanzler" werden zu wollen, funktioniert bei den Wählern und brachte ihm nun die Pole-Position im Kanzler-Ranking.

Die SPÖ kann ihm unter ihrem neuen Partei-Obmann Andreas Babler bisher wenig entgegensetzen und schwächelt vor allem bei Jungen. Sein extrem linker Kurs (etwa in der Migrationsfrage) ist in Österreich schlichtweg nicht mehrheitsfähig; ebenso wie aus der Zeit gefallene Marxismus-Ansagen oder noch mehr Steuern. Die Debatte stärkt vielmehr die KPÖ, die – Stand heute – mit 5 Prozent erstmals seit Jahrzehnten wieder den Einzug in den Nationalrat schaffen könnte. Mit einem Sozialfighter wie Kay-Michael Dankl in Salzburg als Spitzenkandidat könnten sie für die Sozialdemokraten zum Sargnagel werden.

Kurz-Wähler im Wartezimmer

Ein heißes letztes Jahr vor der Wahl 2024 ist somit garantiert. Gewinnen wird schlussendlich, wer glaubhaft gegen die Teuerung ankämpft und den früheren Wählern von Sebastian Kurz ein überzeugendes Angebot macht. Viele von ihnen sind aktuell noch im "Wartezimmer" – auf der Suche nach einer politischen Heimat. Für den beherzt arbeitenden Karl Nehammer ist noch nichts verloren, wenn er endlich die Grünen mit ihren woken Einfällen und immer neuen Verbotsideen in die Schranken weist…